Kulturelle Unterschiede China

Die Vorfreude auf die Auslandsentsendung nach China war groß gewesen. Der bei einem deutschen Unternehmen beschäftigte Ingenieur hatte Mandarin gepaukt und diverse Bücher über die chinesische Mentalität gelesen. Doch auch Monate nach seiner Ankunft in Peking hatte er stets das Gefühl, in der chinesischen Tochtergesellschaft des entsendenden Konzerns keinen Schritt weitergekommen zu sein. Seine Kontakte mit Chinesen schienen zwar herzlich, blieben aber immer seltsam vage. Meetings und Verhandlungen mit chinesischen Geschäftspartnern führten meist zu keinem Ergebnis. Im lokalen Kollegenkreis fühlte er sich zunehmend ausgegrenzt.

Erster Umgang mit Chinesen und der chinesischen Mentalität

„Seine Situation ist typisch für deutsche Manager, die sich darum bemühen, in ihrem neuen Arbeitsalltag in China Fuß zu fassen”, bestätigt unsere Expertin Brigitte Hild, die selbst lange Zeit in China gelebt hat. „China gehört zu den schwierigeren Zielländern. Hier müssen auch gestandene Fach- und Führungskräfte erst lernen, dass die kulturellen Unterschiede zur chinesischen Mentalität und chinesischen Kultur für das Erreichen ihrer beruflichen Ziele relevant sind.“


Knigge: Umgangsformen China

  • Aufwendig gestaltete Visitenkarten sind ein Muss.
  • Visitenkarte mit beiden Händen gleichzeitig geben. Die Schrift sollte lesbar nach vorne zeigen.
  • Eine Seite der Visitenkarte sollte in chinesischer Sprache sein.
  • Empfangene Visitenkarte aufmerksam lesen.
  • Das Essen im Restaurant wird gemeinsam bestellt und geteilt.
  • Mit Schmatzen und Kleckern zeigen Sie, dass es Ihnen schmeckt.
  • Die Rechnung wird nicht aufgeteilt. Es zahlt immer nur einer, meist von den anderen unbemerkt.
  • Hat Ihr Gastgeber gezahlt, sollten Sie sich bald revanchieren.

Drei Generationen prägen chinesische Mentalität

Wer als Europäer mit chinesischen Geschäftspartnern oder Mitarbeitern erfolgreich zusammenarbeiten möchte, sollte sich immer darüber im Klaren sein, welcher Generation sein Gegenüber angehört: Die älteren, traditionell geprägten Chinesen verkörpern die typischerweise mit Asiaten assoziierten Denk- und Verhaltensweisen wie ein starkes Harmoniebedürfnis, Bescheidenheit sowie den hohen Stellenwert der Gruppe und des gemeinsamen Konsenses. Mit ihnen kommen Ausländer im China-Geschäft allerdings selten in Berührung.

Der mittleren Generation, den sozialistisch geprägten Chinesen, werden deutsche Manager vor allem in staatlichen Unternehmen und in den Ministerien begegnen. Sie sind ab 1949 aufgewachsen, haben die Kulturrevolution von 1966 bis 1976 miterlebt und stehen für Bürokratie. Auf der anderen Seite haben sie ein persönliches Profitdenken entwickelt, durch das sie ihre „verlorenen“ Jahre wieder wettzumachen versuchen.

Ab 1978 realisierte Chinas großer Staatschef Deng Xiaoping tiefgreifende Wirtschaftsreformen und eine Öffnung des Landes. Dies führte zu einer stetigen Entwicklung des Wohlstandes und der Lebensqualität in China. Beides bildete das Fundament für die dritte Generation Chinesen, die heute 30- und 40-jährigen. Sie bringen ihr ‚modern sein’ gerne durch westliche Konsumgüter zum Ausdruck. Ausgebildet werden sie in einem eliteorientierten Erziehungssystem, so dass sie bereits am Anfang ihrer Karriere an einen knallharten Wettbewerb und die stetige Beurteilung ihrer individuellen Leistungen gewohnt sind.

Je nach Alter und Generation ihrer chinesischen Geschäftspartner oder Mitarbeiter sollten deutsche Manager ihr Verhalten in Sachen Respekt, Höflichkeit und Umgang, aber auch Verhandlungstaktik oder Führungsstil anpassen.


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Verhaltensregeln im Kommunikationsstil

Den größten Unterschied zwischen der deutschen und der chinesischen Kultur bilden das Kommunikationsverhalten und die Herangehensweise an ein bestimmtes Thema. Deutsche kommunizieren deduktiv, das heißt sie beginnen mit einer These, die sie dann begründen. Die dazu verwendeten Argumente verlieren mit der Länge der Ausführung an Wichtigkeit. Der Zuhörer erhält so die Möglichkeit, sich bereits während der Darstellung seine eigene Meinung zu bilden und dem Redner eine schnelle Rückmeldung zu geben.

In der chinesischen Geschäftskultur dominiert hingegen die induktive Sprech- und Argumentationsweise: Der Redner stößt mit seinen Aussagen in unbestimmte Richtungen vor. Erst am Schluss seiner Ausführungen wird er seine Hauptthese erwähnen. Das erfordert ein intensives Zuhören, damit alle genannten Punkte in den richtigen Zusammenhang gebracht werden können.

„Treffen Chinesen und Deutsche aufeinander, ist häufig Irritation auf beiden Seiten die Folge dieses unterschiedlichen Kommunikationsstils“, weiß auch China-Trainerin Daniela Fehring. „Beide behaupten, der jeweils andere käme nie zum Punkt. Die Deutschen vermissen am Beginn der Ausführungen die Hauptaussage, stattdessen hören sie nur einzelne Punkte, die in keinem Zusammenhang zu stehen scheinen. Präsentiert der Chinese dann zum Schluss seine Kernaussage, hat der Deutsche meist gedanklich bereits abgeschaltet. Teilt der Deutsche hingegen zu Beginn seine wichtigsten Punkte mit, hält der Chinese dies noch für die „Aufwärmphase“. Er sucht die Quintessenz am Ende des Vortrags, wenn der Deutsche nur noch seine letzten irrelevanteren Argumente vorbringt.“

Die Lösung, die die China-Expertin ihren deutschen Klienten im Umgang mit Chinesen anzubieten hat, ist bestechend einfach, aber sehr effektiv: Um sicherzugehen, dass die eigene Botschaft ankommt, sollte man seine Kernaussagen mehrere Male wiederholen – zu Beginn, in der Mitte und unbedingt noch einmal zum Schluss der Ausführungen. Denn nur dann kommen sie sowohl für die deutsche als auch für die chinesische Seite zum ‚gewohnten Zeitpunkt’.

Tipp für das China Geschäft: Aufmerksam zuhören

Dennoch müssen Chinesen und Deutsche einander sehr aufmerksam zuhören. „Wir Westler haben das richtige Zuhören leider verlernt“, so die Einschätzung von Hermann Nagel, der seit 1984 für ein deutsches Unternehmen im Bereich Aus- und Weiterbildung in Peking tätig ist. „Daraus folgt, dass wir von unseren chinesischen Gesprächspartnern immer klare Aussagen fordern, wie zum Beispiel in Form eines eindeutigen ‚Ja’ oder ‚Nein’. Diese Klarheit werden wir von Chinesen aber nie bekommen.“

Das Problem kennt auch Daniela Fehring nur zu gut: „Grundsätzlich bedeutet in China ein einfaches ‚Ja’ oder ‚Hm’ nicht mehr und nicht weniger als die Bestätigung, das Gesagte akustisch wahrgenommen zu haben. Das einzige ‚Ja’ im deutschen Sinne besteht in China aus einem ‚Ja’ plus der Wiederholung der Aussagen, mit denen man einverstanden ist.“ Dies müssen Deutsche unterscheiden lernen.

Ein direktes ‚Nein’ ist nach der chinesischen Mentalität unhöflich. Ablehnung wird meist indirekter ausgedrückt. Die dazu verwendeten Methoden werden von Deutschen allerdings als recht rüde empfunden: Erhalten sie beispielsweise auf eine Fachfrage statt einer Antwort eine Gegenfrage, wie denn der Flug gewesen sei und was man von der Stadt gesehen habe, bedeutet das schlicht, dass die Chinesen nicht über das angeschnittene Thema reden möchte. Eine andere Art etwas abzulehnen ist, die Verantwortung an jemand anderen zu übertragen: ‚Dafür ist Herr Wang zuständig.’ Auch Standardsätze wie ‚Wir müssen das noch besprechen’ oder ‚Lassen Sie mir das Material da’ können in der chinesischen Geschäftskultur als klares ‚Nein’ gewertet werden.

Die deutsche Art des Nein-Sagens kann in China ebenfalls leicht missglücken. „Wir versuchen meist, unser ‚Nein’ ausführlich zu begründen und wollen uns gleich rechtfertigen, warum wir ablehnen müssen“, erklärt Daniela Fehring. „Chinesen interpretieren diese vielen Begründungen jedoch schlicht als Ausreden. Ein einfaches ‚Nein’ ohne vorgebrachte Erklärungen ist also in China eher zu bevorzugen.

Doch fassen dies Chinesen selten als unumstößliches ‚Nein’ auf, weshalb sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf das gleiche Thema zurückkommen werden.“ Das ist einer der Gründe, warum Chinesen aus Sicht der Deutschen immer wieder das gleiche Thema anschneiden. Es kann aber auch einfach ein Test sein, ob die deutschen Aussagen überhaupt verlässlich sind? Denn wird dieselbe Frage jedes Mal anders beantwortet, fangen chinesische Geschäftspartner schnell an zu zweifeln, ob ihnen die Deutschen überhaupt die Wahrheit sagen?

Persönliche Beziehungen aufbauen

Das Schaffen einer soliden Beziehungsebene hat für Chinesen oberste Priorität. Daher werden sie immer alle Zeit der Welt darin investieren, ihre potenziellen Geschäftspartner mit ihrer deutschen Mentalität durch einen zielgerichteten Small Talk näher kennenzulernen. Dabei sind sie auf der Suche nach Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Erfahrung, Durchsetzungsfähigkeit und – ganz wichtig – nach Gemeinsamkeiten, wie gemeinsame Bekannte, bereiste Orte oder auch die Sorgen um die eigenen Kinder.

„Dieses ‚Abtasten‘ wird von Deutschen meist als irrelevant empfunden. Sie tendieren dazu, in ersten Gesprächen lieber gleich zur Sache, also zum Geschäftlichen, zu kommen“, hat China-Expertin Fehring bei ihrer Vermittlung zwischen den Kulturen beobachtet. „Ohne Small-Talk glauben Chinesen aber, dass die Atmosphäre einfach noch nicht stimmt. Durch weitere harmlose Umfeldfragen versuchen sie, diese zu verbessern. Je stringenter daraufhin der Deutsche anstrebt, das Meeting wieder auf eine sachliche Ebene zurückzuführen, desto mehr strengt sich der Chinese an, noch mehr für die Beziehungsebene zu tun. Im China-Geschäft ist es daher unbedingt empfehlenswert, für die Anbahnung eines geschäftlichen Kontaktes und damit verbundene erste Gespräche genügend Zeit einzuplanen und einfach zu akzeptieren, dass man nicht gleich auf Geschäftliches zu sprechen kommen wird.“

Auch während der weiteren Zusammenarbeit sollten informelle Zeiten wie Teepausen und Abendessen intensiv dazu genutzt werden, die Beziehungsebene aktiv zu stärken. Denn ist der persönliche Kontakt gut, kann man beispielsweise einen der chinesischen Geschäftspartner auch mal schnell zur Seite nehmen und einfach nachfragen, warum die Verhandlungen gerade ins Stocken geraten sind. Dieser Informationsgewinn ist häufig unbezahlbar.

Verhandeln mit Chinesen: Kreative Mittel einsetzen

Hermann Nagel ist seit Jahren in China aktiv. Er hat in seinen Verhandlungen mit Chinesen die Erfahrung gemacht, dass neben viel Geduld auch Kreativität zum Ziel führen kann: „Ist der preisliche Verhandlungsspielraum ausgeschöpft, kann man der chinesischen Seite meist zusätzliche Angebote unterbreiten, in dem man beispielsweise eine Schulung für die Mitarbeiter vorschlägt, die chinesischen Geschäftspartner zu Messen oder zu Besuchen nach Deutschland einlädt.“

Einer seiner weiteren Leitsätze für das China-Geschäft lautet: Wissen ist Macht – und wird daher auch nicht gerne (mit)geteilt. Eine entscheidende Fähigkeit des erfolgreichen China-Managers ist daher die positive Neugier. „In der deutschen Geschäftskultur sind wir es gewohnt, dass uns zahlreiche Informationen mit einem hohen Wahrheitsgehalt präsentiert werden. In China muss sich jeder relevante Informationen selbst einholen und individuell bewerten“, stimmt Daniela Fehring zu. Daraus folgt: „Je mehr Fragen man stellt, desto näher kommt man der ‚Wahrheit’. Als deutsche Führungskraft in einer Tochtergesellschaft in China sollte man deshalb beispielsweise dafür sorgen, dass der Informationsfluss im Unternehmen so weit wie möglich standardisiert wird, z.B. durch Formulare und Prozesse. Ansonsten wird jeder chinesische Mitarbeiter sein Wissen möglichst für sich behalten.“

„Vor interkulturell bedingten Missverständnissen im Umgang mit Chinesen ist keiner wirklich gefeit“, resümiert Brigitte Hild. „Wer sich aber mit grundlegenden Verhaltensregeln in der chinesischen Geschäftskultur auseinandersetzt, die chinesische Mentalität mit ihren anderen Denk- und Handlungsmustern zu akzeptieren lernt und auf seine lokalen Geschäftspartner offen und respektvoll zugeht, kann auch in einem auf den ersten Blick so fremden Land wie China erfolgreich arbeiten.“

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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