Internationale virtuelle Teams führen

Das Führen eines virtuellen Teams ist vielschichtiger und herausfordernder als das Führen eines Präsenzteams. Dem Teamleiter fällt eine besondere Verantwortung zu, denn er ist im virtuellen Team die Drehscheibe zwischen der Zentrale und den räumlich verteilten Mitarbeitern.

Zu den Herausforderungen im virtuellen Team gehört zunächst einmal die eingeschränkte Kommunikation, da nonverbale Kommunikationshinweise fehlen. Auch findet meist sehr viel Kommunikation asynchron, also zeitversetzt statt, was die Koordination im Team erschwert. Nicht zuletzt sollte auch der negative Einfluss der räumlichen Distanz nicht unterschätzt werden. Nicht zu Unrecht heißt es schließlich „Aus den Augen, aus dem Sinn“. All das sind Risiken, die virtuelle Teamarbeit auch ineffizient machen oder sogar scheitern lassen können.

Die Arbeit im virtuellen Team ist für den Teamleiter daher immer mit einem höheren Maß an Unsicherheit verbunden als die Arbeit im Präsenzteam. Der Mangel an Transparenz ist eine Herausforderung, denn die Überprüfung von Leistungen ist schwieriger. Inkompetenz oder Untätigkeit von Mitarbeitern sind ebenfalls weniger leicht zu erkennen. Dies führt oftmals zu einem kontrollierenden Mikromanagement, welches keineswegs der eigentlichen Coaching-Funktion des virtuellen Teamleiters entspricht.

Auch das Erkennen und das Lösen von Konflikten ist im virtuellen Team erheblich schwerer. Der Teamleiter muss also virtuell sensibilisiert sein und wissen, welche Fragen er seinen Mitarbeitern wie stellen muss, um herauszufinden, ob etwas unter der Oberfläche brodelt. Dafür braucht er den Respekt seiner Teammitglieder, welcher im virtuellen Raum jedoch auch schwerer zu erhalten ist.

Einige Dinge, wie beispielsweise die Vermittlung einheitlicher Ziele, bedürfen besonderer Anstrengungen des Teamleiters, da sie weniger leicht zu realisieren sind als vor Ort. In jedem Unternehmen gibt es zudem Prozesse, die eingehalten werden müssen. Im virtuellen Team muss der Teamleiter sicherstellen, dass diese sowohl in der Muttergesellschaft als auch an den einzelnen Standorten funktionieren. Dies ist jedoch oft nicht möglich, da an den unterschiedlichen Standorten nicht immer dieselben Ressourcen zur Verfügung stehen oder kulturspezifische Anpassungen notwendig sind.

Für die Teammitglieder geht mit der Arbeit im virtuellen Team auch die mangelnde Möglichkeit an informellen und zwischenmenschlichen Kontakten einher. Dies kann zu Enttäuschungen führen und im Extremfall zu einem Gefühl der kompletten Isolation mit entsprechendem Motivationsverlusten. Auch die interkulturelle Kommunikation mittels einer Fremdsprache – eventuell auch über Zeitzonen hinweg – ist eine große Herausforderung für Mitglieder in virtuellen Teams. Wenn kulturell geprägte Erwartungen nicht eingehalten werden, unklar kommuniziert wird, die eigene Arbeitsweise nicht wertgeschätzt wird oder man ständig an virtuellen Meetings nach „Feierabend“ teilnehmen muss, kommt es schnell zu Frustrationen. Hier muss der Teamleiter stets gegensteuern und dafür sorgen, dass die virtuellen Teammitglieder und ihre persönlichen beruflichen Ziele trotz Virtualität sichtbar werden.

Kick-off-Meeting

Es ist im virtuellen Team förderlich, wenn sich die Teammitglieder vorab kennenlernen, denn kulturelle Vorurteile und interkulturelle Unterschiede werden oft unterschätzt – gerade im multinationalen Team. Hierfür muss im Kick-off-Meeting genügend Zeit eingeplant werden, damit die Teammitglieder einen Eindruck voneinander bekommen und erstes Vertrauen aufbauen können.

Außerdem können sie sich so klar machen, dass ihre Kollegen auch echte Menschen sind, mit eigenen Bedürfnissen, Nöten und Interessen. Dies hat einen sehr positiven Einfluss auf die spätere vorwiegend virtuelle Kommunikation, denn oftmals neigen Mitglieder virtueller Teams dazu, ihre Kollegen völlig zu depersonalisieren, was dann schnell zu Missverständnissen führen kann. Daher muss bei der virtuellen Kommunikation mit Kollegen jedem Teammitglied klar sein: „Das ist ein Mensch und kein Computer, mit dem ich gerade kommuniziere.“

Im Kick-off Meeting sollten auch Ziele, Rollen, Erwartungen und gemeinsame Prozesse für die Zusammenarbeit geklärt werden. Am besten einigt sich das Team auch auf verbindliche Kommunikationsregeln. Vorteilhaft ist es, wenn das Kick-off-Meeting mit einem interkulturellen Training und einem Teambuilding verbunden wird. Damit können Synergieeffekte erst möglich gemacht werden. Falls es nicht möglich ist, ein solches Meeting vor Ort zu organisieren, gibt es zahlreiche virtuelle Alternativen.

Gekonnt virtuell kommunizieren

In der mediengestützten Kommunikation gibt es immer eine zusätzliche Barriere: nämlich das Kommunikationsmedium, das die meisten nonverbalen Kommunikationshinweise ausblendet. Alle Teammitglieder sollten wissen, welche Medien wann am besten funktionieren. Im Hinblick auf die Wahl der zu nutzenden Medien sollten auch die unterschiedlichen Mediengewohnnheiten beachtet werden, gerade wenn die Teammitglieder aus unterschiedlichen Generationen stammen.

Obwohl virtuelle Teams in der Regel nicht am gleichen Ort sind, kann es ab und an vorkommen, dass einige Teammitglieder doch im gleichen Büro sitzen. Diese Teammitglieder können sich effektiver austauschen. Auch der informelle Austausch ist somit an der Tagesordnung. So kann es sehr leicht dazu kommen, dass Teammitglieder, die beispielsweise im Home-office oder anderen Außenstellen arbeiten, kaum vernommen werden. Wenn man als Teamleiter mit einigen Teammitgliedern am selben Ort ist, so ist es besonders wichtig, regelmäßige Einzeltelefonate mit den Kollegen in Außenstellen zu führen. So kann er auch zurückhaltenden Teammitgliedern die Chance geben, ihre Meinung und Fachkenntnisse einzubringen. Außerdem fördert er so das Vertrauen und erfährt wichtige Informationen, die er nutzen kann, um deren Eigenmotivation zu stärken und die Teammitglieder zu fördern.

E-Mail-Pingpong sollte möglichst vermieden werden, in cc sollten nur die Leute gesetzt werden, die das Ganze auch was angeht. Ansonsten kommt für es bei den restlichen Teammitgliedern zu einem „Overload“ und sie sind nicht mehr in der Lage, all ihre E-Mails zeitnah zu beantworten, was wiederum der Auslöser für Konflikte sein kann. Andererseits, wenn die Informationen ungleichmäßig verteilt sind, führt das dazu, dass die Teammitglieder auf Basis unterschiedlicher Informationsstände weiterarbeiten und dies die Effektivität schwächt. Es ist also schlecht, wenn zu viel kommuniziert wird und es ist schlecht, wenn zu wenig kommuniziert wird. Das Team sollte hier gemeinsam einen guten Mittelweg finden.

Schlussendlich gibt es oft auch noch Zeitzonendifferenzen, die die Kommunikation erschweren. Wenn der Großteil des virtuellen Teams beispielsweise in Europa sitzt und ein Teammitglied in Australien, so können die Teammitglieder in Europa synchron miteinander kommunizieren. Mit dem Teammitglied in Australien kann hingegen hauptsächlich asynchron kommuniziert werden. Um diesen Problembereich zu verkleinern, sollten einige Dinge von Beginn an festgelegt werden, beispielsweise, wann wer erreichbar ist und wie oft kommuniziert wird.

Der Teamleiter muss auf jeden Fall für die Teammitglieder verlässlich zu vereinbarten Zeiten erreichbar bleiben, um Unsicherheiten seitens der Teammitglieder zu reduzieren. Zudem hat er als Leiter eines virtuellen Teams auch eine Coaching-Funktion, viel mehr als wenn er ein Präsenzteam vor Ort leiten würde. Er muss die Eigenmotivation seiner Mitarbeiter fördern, da diese an ihren jeweiligen Standorten auf sich allein gestellt sind. Es liegt auch am Teamleiter, regelmäßige Teambesprechungen zu organisieren, um das Teamgefühl und die Kommunikation im Team zu fördern.

Wichtig ist auf alle Fälle, dass der Teamleiter den informellen Austausch unter den Teammitgliedern unterstützt, damit Vertrauen aufgebaut und gefestigt werden kann. Erst dann kann ein halbwegs normales Teamgefühl entstehen, das für eine gute Zusammenarbeit Hand in Hand absolut notwendig und Voraussetzung dafür ist, dass wertvolles Wissen zeitnah geteilt wird und Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden.


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Interkulturelle Sensibilität

Im Idealfall ist ein multinationales virtuelles Team so besetzt, dass jede Nation genau einmal vertreten ist. Doch meistens ist dem nicht so. Oft sind einige Nationen bzw. Kulturen stärker vertreten und bilden somit die kulturelle Mehrheit im Team. Diese kulturelle Mehrheit bildet einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor im Team, gerade wenn die Muttergesellschaft und der Teamleiter, sowie die Mehrheit der Teammitglieder aus demselben Land stammen. Wenn beispielsweise ein deutsches Unternehmen ein virtuelles Team zusammenstellt, bei dem der Teamleiter und viele Teammitglieder Deutsche sind, dann werden die deutschen Werte und Kommunikationsstile in diesem Team wohl eine recht starke Gewichtung erhalten.

Um Frustrationen der ausländischen Teammitglieder entgegenzuwirken, kann man sie mit interkulturellen Trainings auf die Arbeit im deutsch geprägten Team vorbereiten. Wenn alle Teammitglieder an diesem Training teilnehmen, wird auch die interkulturelle Sensibilität der Deutschen gefördert und das Team gleichzeitig stärker zusammengeschweißt. Alle Teammitglieder können somit effizienter kommunizieren und zusammenarbeiten und etwaige Konflikte auf einer im Training erarbeiteten Metaebene klären.

Wenn ein Teamleiter also das gesamte Potenzial im Team ausschöpfen will, dann ist es wichtig, dass er diese Machtverteilung frühzeitig erkennt und diese dann fortwährend beachtet und auszugleichen versucht. Die „schwächsten“ Teammitglieder muss er besonders beachten und fördern. Eine weitere Aufgabe des Teamleiters ist es, die interkulturelle Sensibilität der Teammitglieder zu fördern. Wichtig ist, dass Mitarbeiter aus fremden Kulturen nicht benachteiligt und Unterschiede auch wertgeschätzt werden. Das Klären von unterschiedlichen Erwartungen und Arbeitsweisen, die Vereinbarung von gemeinsamen Teamregeln im Kick-off Meeting und das Schaffen einer eigenen Teamkultur sind hier eine wertvolle Basis.

Virtuelle Meetings

Virtuelle Meetings laufen anders ab als Präsenzmeetings, da die natürliche soziale Kontrolle, wie sie sonst in einem Besprechungsraum herrscht, nicht vorhanden ist und man sich nicht einfach per Blickkontakt verständigen kann. Die nonverbale Kommunikation geht größtenteils verloren. Auch hat der Teamleiter die einzelnen physischen Umgebungen nicht unter Kontrolle, in denen sich die Besprechungsteilnehmer befinden.

Daher müssen bei der Moderation von virtuellen Meetings besondere Sachen beachtet werden. Klare Regeln für das Teammeeting sind wichtig, damit jeder weiß, wann und wie er sich einbringen kann. Der Teamleiter sollte auch immer wertschätzend das Verständnis überprüfen und zur Interaktion auffordern. Eine vertrauensvolle offene Atmosphäre im Meeting ist das A und O.

In multinationalen virtuellen Teams ist die Arbeitssprache meistens Englisch. Oftmals geht deshalb jedoch Potenzial verloren, gerade wenn Teammitglieder mit enormen Fachkenntnissen nicht sehr gut Englisch sprechen und sich dadurch in Meetings weniger einbringen können. Daher ist es sinnvoll, solchen Teammitgliedern im Voraus oder begleitend Englischunterricht anzubieten. Der Teamleiter sollte in der Zwischenzeit darauf achten, dass alle Teammitglieder gleich behandelt werden und die Muttersprachler im Team anhalten, stets langsam und deutlich zu sprechen. Der Teamleiter sollte gerade bei den sprachlich „schwächeren“ Teammitgliedern immer wieder nachfragen, ob es noch Unklarheiten gibt, sodass sich auch die Nicht-Muttersprachler im Team einbringen können. Es sollte dem Teamleiter stets bewusst sein, dass die Sprachkenntnisse seiner Mitarbeiter nicht deren Expertenwissen widerspiegeln.

Wenn in virtuellen Meetings ein Teil des Teams vor Ort versammelt ist, während der Rest zum Beispiel per Telefonkonferenz hinzugeschaltet wird, ist es wichtig, dass der Teamleiter die Teilnehmer vor Ort nicht bevorzugt und auch die entfernten Teammitglieder stets „im Blick“ hat und explizit anspricht. Er sollte auch dafür sorgen, dass es keine störenden Hintergrundgeräusche gibt und dass alle Teammitglieder vor Ort laut und deutlich sprechen, sodass die zugeschalteten Kollegen sie einwandfrei verstehen können.

Autorinnen: Gudrun Höhne und Katrin Koll Prakoonwit Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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