Niederländer gelten allgemein als pragmatisch. Sie sagen direkt und unverblümt, was sie denken und meinen, was sie sagen. Man begegnet sich überall auf Augenhöhe. Dementsprechend wird in niederländischen Unternehmen auch vergleichsweise informell geführt. Die Hierarchien sind flach, Chef und Mitarbeiter sprechen sich mit dem Vornamen an – die Tür des Chefbüros steht immer offen und zwar für alle.
Unterschiedliche Ränge sind in der Zusammenarbeit meist nebensächlich. Die Führungskraft trägt die Verantwortung für die Gemeinschaft des Teams und sieht sich dabei als primus inter pares. Statusgehabe, Titel oder Formalitäten werden als unnötig angesehen. Wer in einem niederländischen Unternehmen auf seinen Rang verweist, löst damit bei seinen Mitarbeitern eine direkte Gegenreaktion aus und erreicht alles andere als die Demonstration seiner Entscheidungskraft. Was hier zählt, ist die tägliche persönliche Leistung wie auch ein sympathisches Auftreten, nicht die zugeordnete Position und auch nicht die längeren Dienstjahre oder das Alter.
Lockere Art und hoher Leistungsethos
Niederländische Vorgesetzte sind kooperativ und sehen ihre Hauptaufgabe häufig darin, ihr Team zu motivieren und zu unterstützen. Daneben ist ihr Führungsstil jedoch auch stark aufgaben- ergebnis- und zielorientiert, denn die niederländische Arbeitskultur ist vornehmlich protestantisch geprägt. Ein hoher Leistungsethos ist tief in der holländischen Gesellschaft verankert. Disziplin und Effizienz bilden daher die Grundlagen des Wirtschaftsdenkens.
Trotz ihrer lockeren Art werden niederländische Führungskräfte daher mangelnde Arbeitsmoral oder Ineffizienz ihrer Mitarbeiter nicht tolerieren. Oberste Priorität für alle ist stets, das gemeinsame Ziel schnellstmöglich zu erreichen. Der Chef behält den Überblick über das große Ganze, koordiniert die einzelnen Bereiche und hält alle Fäden zusammen. Die Aufgabenerfüllung ist jedoch Teamarbeit.
Von der Diskussion aller zum Konsens aller
Dazu trägt auch eine offene Kommunikation bei. Sachverhalte werden schonungslos analysiert und diskutiert, bis im Konsens mit allen eine Lösung gefunden ist. Natürlich trifft auch in niederländischen Unternehmen der Chef viele Entscheidungen, er wird aber zuvor alle relevanten Mitarbeiter konsultieren und die verschiedenen Meinungen einholen und zusammenbringen.
Im Vergleich zu Deutschland heißt das auch, dass häufig ungleich viele Mitarbeiter eingebunden werden. So sitzt in niederländischen Unternehmen auch mal die Sekretärin mit in der Projektbesprechung und wird ihre Meinung zum geplanten Vorhaben genauso einbringen wie direkt involvierte Projektteammitglieder. Sachlich Anweisungen, ohne den Sinn und Zweck hinter der Aufgabe zu erläutern, können hingegen in den Niederlanden leicht ihr Ziel verfehlen. Jeder muss in das große Ganze eingebunden sein.
Der Vorteil ist, dass alle mitdenken. Oft werden Fehler des Managements auf einer niedrigeren Ebene aufgedeckt, weil holländische Mitarbeiter eben nicht blind alles ausführen, was ihnen von oben aufgetragen wird. Der Nachteil aus deutscher Sicht mag darin bestehen, dass auch bei Kleinigkeiten alle mitdenken wollen, was oft viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sind niederländische Mitarbeiter jedoch von einer ihnen zugetragenen Aufgabe nicht überzeugt, kann es durchaus sein, dass sie diese gar nicht erst ausführen. Es ist also für eine Führungskraft von essentieller Wichtigkeit, Mitarbeiter von Ideen und Vorhaben zu überzeugen und für sich zu gewinnen. Dann sind Engagement und Loyalität groß. Der anfängliche Zeitverlust wird so oft später im Projekt wieder eingeholt.
Viel Freiraum für die Verbindung von Beruflichem und Privatem
Auch die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem verläuft in niederländischen Unternehmen fließender als in Deutschland. Private Gesprächsthemen haben im Büroalltag durchaus ihre Berechtigung, und so wird der niederländische Firmenchef morgens mit dem Pförtner über seinen letzten Urlaub plaudern. Informelle Gespräche dienen auch oft dazu, die persönliche Ebene zwischen Kollegen wie auch zwischen Teamleiter und Team ins Lot zu bringen.
Genauso wichtig ist es, dass Familienleben und Beruf miteinander vereinbar bleiben. So haben die Niederlande mit acht Prozent die höchste Quote an Führungskräften in Teilzeit in Europa. Dem liegt die niederländische Flexibilität wie auch der Wunsch nach viel persönlichem Freiraum zugrunde. An der Führungskompetenz ihres Teilzeitchefs werden niederländische Mitarbeiter oder auch Konzernvorstände nicht zweifeln. Dass es in manchen deutschen Firmen noch Stechuhren gibt, finden sie dagegen prähistorisch.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.