Als Expat im Ausland erfolgreich – Interview: „Jetzt bin ich da, wo ich hingehöre“

Schweiz, Südafrika, Deutschland, China, USA: Anna Seidel hat schon an ganz unterschiedlichen Orten der Welt gelebt. Nicht immer war es leicht, wie wir im Gespräch mit ihr erfahren.

Frau Seidel, das Nomadenleben scheint in Ihrer Familie zu liegen. Schon Ihr Großvater war weltweit unterwegs, um zu lehren. Ebenso Ihr Vater, der aus den USA nach Deutschland zog, um Kinder von amerikanischen Soldaten zu unterrichten. Da waren Sie 4 Jahre alt. Sind Sie gut in Deutschland angekommen?

Anna Seidel: Wir haben in Frankenhausen, einem kleinen Ort in der Nähe von Darmstadt, gelebt und waren gut integriert, haben aber nie ganz dazugehört. Irgendwie waren wir immer ein bisschen anders. Als Kind habe ich viele Geschichten von meiner Oma gehört. Sie erzählte mir, wie es war, dauernd umziehen und immer von vorne anfangen zu müssen. Oft fühlte sie sich sehr einsam. Aber eine Alternative hatte sie nicht. In der Generation war es selbstverständlich, dass die Frau dem Mann folgte. Wenn der sagte: „Komm, wir ziehen um“, dann zog die Familie um.

Sie haben Ihren Mann nach Südafrika, China und Deutschland begleitet. Wie war das bei Ihnen?

Nach dem Studium bin ich in die Schweiz gezogen, wo ich 5 Jahre als Vermessungsingenieurin gearbeitet habe. Ein Jahr davon war ich als Expat in den USA. Als mein Mann mich fragte, ob ich ihn nach Südafrika begleiten wolle, sagte ich sofort zu. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was mich erwartete.

Wie war Ihr Start dort?

Wirklich schwierig! Ich hatte meinen geliebten, fordernden Job mit 60 Arbeitsstunden die Woche aufgegeben und plötzlich nichts mehr: keine Arbeit, keine Aufgabe, keine Menschen um mich herum. Die anderen Expats waren entweder Singles oder mit Familie dort. Das heißt, sie waren entweder berufstätig oder mit ihren Kindern beschäftigt. Ich war ganz allein.

Was haben Sie den ganzen Tag gemacht?

Ein MBA-Studium und viel Sport. Diesbezüglich sind meine Erwartungen mit der Realität kollidiert. Ich hatte es mir sehr idyllisch vorgestellt, kilometerweit am Strand zu joggen. Das kam allerdings überhaupt nicht infrage, weil es einfach zu gefährlich war, allein zu laufen. Also habe ich mich einer Laufgruppe angeschlossen. Außerdem habe ich als Ehrenamtliche Gemüse für einen Supermarkt ausgefahren und Schulaktivitäten von Bekannten begleitet – weil mir so langweilig war. Abends hatte ich ein großes Bedürfnis nach Nähe, Kommunikation und Aktivität. Mein Mann nicht. Er wollte seine Ruhe haben, weil er einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich hatte. Wir waren auf ganz anderen Ebenen unterwegs und hatten unterschiedliche Bedürfnisse.

Sie haben im Vorfeld ein interkulturelles Training vom Arbeitgeber bekommen. War das hilfreich in der Situation?

Das war insofern super, weil wir uns dadurch erst einmal bewusst geworden sind, welche Fettnäpfchen es gibt und wie wir die vermeiden können. Ein Sicherheitstraining war auch dabei, was für das Leben in Südafrika natürlich auch sehr wichtig war. Jetzt weiß ich, dass mir ein Coaching für begleitende Partner sehr geholfen hätte. Dann wäre ich nicht in so ein großes Loch gefallen. Ich hätte mich vorher viel mehr damit auseinandergesetzt, welche Rolle ich als begleitende Partnerin einnehme und wie ich die Zeit dort für mich nutzen will.

Von Südafrika sind Sie zurück nach Deutschland, in einen kleinen Ort im Nordschwarzwald gezogen, dann gings 2011 wieder nach Südafrika. War es einfacher für Sie?

Kurz vorweg zu der Zeit im Schwarzwald: Mein Mann hatte in dem kleinen Ort eine Wohnung, in die wir mit unserem ersten Kind gezogen sind. Ich war seit 8 Jahren nicht mehr in Deutschland gewesen, kannte niemanden, es war Winter und natürlich hat dort niemand auf uns gewartet. Da habe ich meinen zweiten Kulturschock erlebt. Das waren dunkle Jahre. Ein Rückkehrtraining mit begleitendem Coaching wäre hier eine große Unterstützung gewesen.

In Südafrika war beim zweiten Mal alles einfacher: Wir waren diesmal als Familie dort, hatten 2 Kinder, wodurch ich in der Schule schnell Kontakte knüpfen konnte. Zudem habe ich meine Zeit ganz anders ausgefüllt. Ich habe Übersetzungsaufträge angenommen, neu angekommene Expat-Partnerinnen unterstützt und mich in der Schule engagiert. Ach, und 2013 haben wir unser drittes Kind bekommen. Insgesamt war ich viel besser vorbereitet und wir hatten schöne Jahre.

Das war nicht Ihre letzte Station. Ende 2015 sind Sie wieder umgezogen, diesmal nach Peking. Wie lang hat es gedauert, bis Sie dort richtig angekommen sind?

Etwa ein halbes Jahr. Unsere Jüngste ging in die Krippe, die beiden Großen waren auf der internationalen Schule, wo ich die Leitung vom Elternbeirat übernommen habe. Von da an waren meine Tage gut ausgefüllt. Wir haben Events und das Schul-Café organisiert, mussten Konflikte zwischen Eltern und der Schulleitung lösen und waren an der Schulentwicklung beteiligt. Dadurch habe ich viele Leute kennengelernt. Zudem habe ich geholfen, eine Buddy-Gruppe für Expat-Partnerinnen mit aufzubauen. Aus eigener Erfahrung wusste ich ja, wieviel besser man ankommt, wenn man gut versorgt und begleitet wird. Das Betreuungsangebot seitens unseres Arbeitgebers war diesmal auch besser.

Als Sie sich entschieden haben, Ihren Mann ins Ausland zu begleiten, war klar, dass Sie nicht mehr in Ihrem Beruf als Vermessungsingenieurin arbeiten werden. Bereuen Sie diesen Schritt?

Überhaupt nicht. Ich bin jetzt da, wo ich hingehöre. Zwar ist es anders gelaufen, als ich gedacht habe und es war wirklich nicht immer einfach, aber ich habe unglaublich viel gelernt und viele Fähigkeiten  entwickelt. Diese Erfahrungen fließen in meine Arbeit als Trainerin für Expats und Partner ein. Ich profitiere davon – und meine Kunden auch.

2019 ist Anna Seidel mit ihrer Familie zurück nach Deutschland gezogen. Sie hat eine Weiterbildung zum Coach für Expats gemacht und bietet jetzt Workshops und Coachings für Expats, Partner und Familien an.

www.globalmobilitytrainer.com

Als Leiter der crossculture academy weiß Steffen Henkel einfach alles über interkulturelle Trainings und Entsendungen. Er liefert den Input. Das Schreiben darüber überlässt er gern der Journalistin und Texterin Andrea Toll. Das funktioniert super und macht beiden richtig Spaß – denn darauf kommt es doch auch an, oder?

Andrea Toll & Steffen Henkel

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