Als Expat im Ausland erfolgreich – Interview: Wie die Rückkehr leichter wird.

Das Thema Rückkehr haben die wenigsten Expats auf dem Schirm. Man kommt ja nach Hause – darauf muss man sich nicht vorbereiten. Eine absolute Fehleinschätzung. Ohne rechtzeitige Vorbereitung ist der Aufprall im Heimatland häufig und unerwartet hart. Um diesen abzumildern, führt Karin Busch Rückkehrseminare für Expats, deren Partnerinnen* und Familien – auch für die crossculture academy – an. Im Gespräch schildert sie den Prozess, den Expats durchlaufen, und wie ein Coaching hilft, wieder in der Heimat anzukommen.

Frau Busch, bevor Expats ins Ausland gehen, haben sie jede Menge um die Ohren und denken verständlicherweise nicht an die Rückkehr. Auch im Zielland haben sie mit den unterschiedlichsten Herausforderungen zu tun. Nichtsdestotrotz sollten sie sich Ihrer Meinung mit dem Thema beschäftigen. Ab wann?

Karin Busch: Gerade bei Familien etwa 9 bis 10 Monate bevor es wieder zurückgeht. Das wäre ideal. Ich sehe da aber auch die Entsendeunternehmen in der Fürsorgepflicht, denn inzwischen ist klar, dass die Rückkehr in die scheinbar vertraute Heimat oft mehr Probleme mit sich bringt als die Entsendung.

Inwiefern?

Karin Busch: Früher war man der Meinung, dass der Expat ja nach Hause kommt und alles beim alten ist. Er spricht die Sprache, kennt das Land, das Unternehmen. Man hat aber völlig unterschätzt, wie sehr sich der Expat durch die Zeit im Ausland verändert hat und wie ihm das scheinbar Vertraute mit der Zeit fremd geworden ist. Versetzen Sie sich in die Situation des Expats und stellen Sie sich vor, dass Sie mit Ihrer Familie 3 Jahre im Ausland waren. Sie hatten eine wichtige Position im Unternehmen, einen entsprechenden beruflichen Status und haben in der Regel eine hohe soziale Akzeptanz erfahren. Sie konnten Projekte initiieren und realisieren, hatten deutlich größere Entscheidungskompetenzen und Personalverantwortung. Ihre Familie hat sich gut eingelebt und Sie hatten eine gemeinsame schöne Zeit im Ausland. Dann kommen Sie zurück, mit all dem reflektierten Wissen und Erfahrungen, neuen Sichtweisen und stehen vor einem Berg mit unerwarteten Schwierigkeiten. Das ist eine extreme Belastung, sei es als Single oder Familie.

Welche Schwierigkeiten sind das?

Karin Busch: Es geht los mit der Wohnungs- bzw. Haussuche. Dann ist oft unklar, ob der Expat eine Stelle im Unternehmen bekommt, die seiner Expertise entspricht. Wie sieht’s aus mit Versicherungen, Auto, einem Kitaplatz für die Kinder? Der Expat und seine Familie müssen sich um alles allein kümmern. Bis das einigermaßen in geraden Bahnen läuft, vergehen 3 bis 4 Monate.

Ist der Rückkehrprozess dann abgeschlossen?

Karin Busch: Nein, überhaupt nicht! Mit dem Begreifen des Rückkehrprozesses und seinen privaten wie beruflichen wechselseitigen Einflüssen werden die Problemfelder deutlich und sind eine Belastung. Häufig kommt es vor, dass es im Unternehmen niemanden interessiert, welche Erfahrungen der Expat im Ausland gesammelt hat, geschweige denn, wie er sein Wissen einbringen kann. Manche Kollegen sind womöglich neidisch, was sich negativ auf die Arbeitsatmosphäre auswirkt. Die Kündigungsrate ist bei Expats hoch: Jeder vierte verlässt das Unternehmen ein Jahr nach seiner Rückkehr, weil er sich nicht gesehen und allein gelassen fühlt. Was für ein Verlust an Kompetenzen!

Welche Themen gibt es im privaten Leben?

Hier kommt hinzu, dass die Partnerin ebenfalls eine schwierige Phase durchlebt: Sie sucht vielleicht einen neuen Job, kümmert sich parallel um die Kinder, den Haushalt und organisiert das Familienleben. Nicht zu vergessen die alltäglichen Dinge, an die sich der Expat und seine Familie wieder gewöhnen müssen: Verkehr, Klima, Essen, Leute, Schule bzw. Kita, die Art der hier gelebten Kommunikation, Umgang mit Hierarchien. Keiner hat Zeit für sich, sondern funktioniert nur. Das harmonische Familienleben, das der Expat im Ausland hatte, gibt es plötzlich nicht mehr. Gleichgesinnte fehlen häufig. Das verursacht für die ganze Familie unglaublich viel Stress. So wie sie einen Kulturschock im Zielland erlebt haben, erleben sie nun einen Reentry-Schock.

Was macht das Ihrer Erfahrung nach mit den Paaren?

Karin Busch: Ich erlebe, dass die Partner, die beide in ganz unterschiedlich belastenden Situationen stecken, sich anfangen zu schonen. Sie sprechen nicht über ihre Probleme und Sorgen, sind nicht mehr aufrichtig zueinander. Keiner möchte den anderen belasten. Eine unheilvolle Dynamik. Die spiegelt sich auch in der Scheidungsrate, die bei Expats und ihren Partnerinnen zwei Drittel höher ist als im bundesweiten Durchschnitt.

Was ist mit den Kindern?

Karin Busch: Kinder erleben die Reentry-Phase ebenfalls. Die zeigt sich beispielsweise, indem sie plötzlich wieder ins Bett nässen oder nur bei Licht schlafen wollen. Deutlicher Leistungsabfall in der Schule und Stimmungsschwankungen sind ebenfalls Anzeichen dafür. Ein Elternpaar berichtete mir von Verhaltensauffälligkeiten ihres 8-jährigen Sohnes. Sie fanden es äußerst befremdlich, dass er sich wie ein kleiner Hund verhielt, der gefüttert und gestreichelt werden wollte. Als ich ihnen sagte, dass das eine ganz normale Reaktion auf eine anormale Situation sei, fiel ihnen ein riesengroßer Stein vom Herzen. Sie verstanden, dass  sich ihr Sohn über diese Rolle genau das holte, was er brauchte, nämlich Zuwendung und Liebe. Und ihnen wurde klar, dass es nicht an ihnen, sondern an den Umständen liegt.

Es wäre also hilfreich, wenn die Eltern diese Prozesse kennen würden und im Vorfeld wüssten, was auf sie zukommt?

Karin Busch: Auf jeden Fall! Mein Motto lautet: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung, und zwar rechtzeitig. Eine Rückkehr-Begleitung sollte Pflicht sein und zum Standard gehören, denn sie ist sehr wirksam – nicht nur für die Paare bzw. Familien, sondern auch für die Unternehmen. Die Expats verfügen über ein enormes Wissen sowie über ausgeprägte soziale und interkulturelle Kompetenz. Da sollte es im Interesse jedes Unternehmens sein, diese hochkompetenten Mitarbeiter zu halten, für deren Entsendung sie sehr viel Geld ausgegeben haben.

Sind sich die Expats ihrer Fähigkeiten bewusst?

Karin Busch: Oftmals nicht. Deswegen erarbeiten wir im Coaching, welche Kompetenzen sie durch den Auslandsaufenthalt entwickelt haben und wie sie diese in ihren neuen Arbeitsalltag übertragen können. Darin steckt unglaublich viel Potenzial, das leider viel zu wenig genutzt wird.

Sie sprachen anfangs von einem Rückkehrprozess. Wann ist der abgeschlossen?

Karin Busch: Das hängt von mehreren Faktoren ab, zum Beispiel vom Alter und der Persönlichkeitsstruktur, von der Aufenthaltsdauer im Gastland und den kulturellen Unterschieden. Wer 2 Jahre im Ausland war, braucht erfahrungsgemäß ein Jahr, um wieder im Heimatland anzukommen. Das potenziert sich, je länger man fort war. Bei mir hat es 4 Jahre gedauert, denn ich habe 16 Jahre in unterschiedlichen Teilen der Welt gelebt. Ich kann auf jedem Fall nur die Empfehlung geben: Stecken Sie nicht soviel Energie an die Anpassung hier! Finden Sie einen Weg, all das Gelernte und Erfahrene in Ihre Lebensbiografie zu integrieren und bleiben Sie somit authentisch!


Von 1980 bis 1994 lebte und arbeitete Karin Busch kontinuierlich in verschiedenen Ländern im europäischen, arabischen und afrikanischen Raum. Sie war unter anderem viele Jahre lang als Projektleiterin im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig. Seit 1995 lebt Karin Busch wieder in Deutschland. Sie arbeitet freiberuflich als Beraterin, Supervisorin und Trainerin im internationalen Kontext.


*Da es zu 95 % Frauen sind, die als Begleitung mit ins Ausland gehen, sprechen wir im Text von „Partnerin“. Begleitende Partner sind selbstverständlich mit angesprochen.

Als Leiter der crossculture academy weiß Steffen Henkel einfach alles über interkulturelle Trainings und Entsendungen. Er liefert den Input. Das Schreiben darüber überlässt er gern der Journalistin und Texterin Andrea Toll. Das funktioniert super und macht beiden richtig Spaß – denn darauf kommt es doch auch an, oder?

Andrea Toll & Steffen Henkel

Wie wird der Auslandsaufenthalt zur perfekten, erfolgreichen und glücklichen Zeit für Sie, Ihre Familie und Ihr Unternehmen?
Diesem Thema und der Beantwortung der Frage haben wir uns verschrieben.

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