Was ist ein Kulturschock?

Eigentlich ist der Begriff Kulturschock irreführend. Denn er impliziert etwas blitzartiges, das einen wie aus heiterem Himmel trifft. Eine treffendere Definition für einen Kulturschock ist jedoch eine prozesshafte Identitätskrisenbewältigung. Was bedeutet das?

Jeder längerer Auslandsaufenthalt trägt dazu bei, dass ich mich in meiner Identität weiterentwickele. Nach sechs Monaten in Japan werde ich ganz bestimmt nicht als derselbe Mensch zurückkommen als der ich mein Land verlassen habe. Ich habe die neuen Erfahrungen und Verhaltensweisen der anderen Kultur in meinen Alltag integriert. Sie sind sozusagen ein Teil von mir geworden.

Das alles ist durchaus anstrengend. Die Kunst ist nun, diese Weiterentwicklung bewusst zu erleben, sie auszuhalten und schließlich zu meistern.


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Die Kulturschockkurve

Jeder, der sich länger in einem anderen Land aufhält durchlebt die sogenannte Kulturschockkurve. Sie verläuft typischerweise in vier Phasen, die mit dem sogenannten U-Modell beschrieben werden können.

1. Die Honeymoon-Phase

Wenn man neu in ein fremdes Land kommt, empfindet man typischerweise erst eine gewisse Euphorie. Man findet alles toll und ist begeistert von den neuen Eindrücken, fasziniert von der fremden Kultur, dem Essen und der Architektur. Zudem hat man neue, spannende Aufgaben übernommen und im Falle einer Entsendung ist man vielleicht sogar befördert worden. Man begegnet Land und Leuten äußerst positiv. Diese erste Phase steckt voller neuer Entdeckungen. Sie wird nach dem U-Modell als die Honeymoon-Phase bezeichnet.

2. Die Krise

Auf diese euphorische Anfangsphase folgt eine Phase der Ernüchterung, der Krise. Man stellt fest, dass das fremde Land doch nicht so ideal ist. Man tritt häufig in Fettnäpfchen und stellt vielleicht fest: Zu Hause machen wir das alles besser.

Diese Krise kann umso heftiger ausfallen, wenn Sprachkenntnisse fehlen oder wenn man generell auf die Begegnung mit der neuen Kultur schlecht vorbereitet ist.

3. Die Erholung

Nach und nach entwickelt man ein gewisses Verständnis für die neue Kultur. Man lernt neue Handlungsweisen kennen und versucht sie zu verstehen. Diese Phase wird als Erholung bezeichnet

4. Die Anpassung

Erst in der vierten Phase, der Anpassungsphase, erlebt man eine schrittweise Anpassung an die neue Kultur. Man hat gelernt, sich in dem fremden Land einigermaßen sicher zu bewegen und ist nun in der Lage, seine Komfortzone nach und nach zu erweitern.

Ein Zeichen für eine gelungene Anpassung ist z.B., wenn man sich endlich im Supermarkt gut genug auskennt, um die Lebensmittel zu finden, die einem schmecken. Oder wenn man sich an die mittägliche, scheinbar endlose Siesta gewöhnt hat und sie mittlerweile sogar selbst als angenehm empfindet. Man kann sich nun in der fremden Sprache aus so gut ausdrücken, dass man einfache Gespräche führen kann.

Mit dieser Anpassung an die Gegebenheiten geht auch eine erweiterte Sozialkompetenz einher. Man hat erste Kontakte zu Einheimischen geknüpft und fühlt sich allgemein nicht mehr so fremd. Der Kulturschock ist fürs erste überwunden und man ist dabei, sich in der neuen Heimat einzuleben.

Das W-Modell

Das sogenannte W-Modell erweitert das eben vorgestellte U-Modell um eine wichtige Phase, nämlich um das, was typischerweise bei der Rückkehr ins Heimatland passiert. Auch hier kann man von einem Kulturschock sprechen, der in vielen Fällen sogar heftiger ausfällt als der erste.

Denn eigentlich rechnet man ja mit gewissen Schwierigkeiten, wenn man sich für längere Zeit in eine andere Kultur begibt. Aber warum sollte die Rückkehr nach Hause, wo man den Großteil seines Lebens verbracht hat, ein Problem darstellen?

Wie gesagt, auf diesen Eigenkulturschock oder reverse culture shock sind die wenigsten gefasst. Das macht ihn umso heftiger. Plötzlich fühlt man sich in der eigenen Kultur nicht mehr zu Hause. Man sieht sein Land auf einmal mit ganz anderen Augen und hat Erfahrungen gemacht, die man mit keinem der Daheimgebliebenen so richtig teilen kann.

In vielen Unternehmen führt dieser umgekehrte Kulturschock von Mitarbeitern, die nach einer Entsendung wieder im Unternehmen arbeiten sollen, zu Kündigungen. Die entsandten und zurückgekehrten Mitarbeiter fühlen sich in der eigenen Unternehmenskultur nicht mehr zu Hause und reagieren mit einem Wechsel des Unternehmens.

Was tun?

Eine Möglichkeit, damit der Kulturschock nur sehr milde ausfällt, ist es, vor einem längeren Auslandsaufenthalt ein interkulturelles Training oder noch besser ein interkulturelles Coaching zu absolvieren. In solch einem Training oder Coaching wird man von einem interkulturell geschulten Trainer oder Coach ganz gezielt auf den Auslandseinsatz vorbereitet.

Es geht jedoch nicht nur darum, Tipps und Tricks zu lernen, mit denen man eventuelle Fettnäpfchen vermeidet. Vielmehr bildet ein interkulturelles Training die Möglichkeit, sich intensiv mit der eigenen und mit der fremden Kultur auseinanderzusetzen. Eigene Verhaltensweisen werden überprüft und es wird versucht, mögliche Konfliktsituationen vorweg zu nehmen.

Ein interkulturelles Coaching bietet darüber hinaus die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum hinweg gemeinsam mit dem Coach an den eigenen Verhaltensstrategien zu arbeiten und sie gegebenenfalls der neuen Kultur anzupassen.

Ein interkulturelles Coaching hilft auch bei der Rückkehr ins eigene Land und ins eigene Unternehmen. Denn nur wenn Sie Ihre eigene Identitätsentwicklung, die ein längerer Auslandsaufenthalt in jedem Fall bewirkt, reflektieren und einordnen können, werden Sie sich auch zu Hause wieder schnell einleben und zu Ihrer gewohnten Leistungsfähigkeit zurückfinden.

Autor Steffen Henkel

Steffen Henkel ist der Geschäftsführer und Inhaber der crossculture academy. Er ist seit über 20 Jahren im Bereich interkultureller Trainings beschäftigt und somit einer der bekanntesten Ansprechpartner zu dem Thema in Deutschland.

Steffen Henkel

Steffen Henkel ist Geschäftsführer und Inhaber der crossculture academy. Er ist seit über 20 Jahren im Bereich interkultureller Trainings und Entsendungen tätig. Seine Expertise ist international gefragt.

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