Kulturschock – eine handfeste Krise

Unter Kulturschock werden im weitesten Sinne Anpassungsschwierigkeiten in einer fremden Kultur verstanden. Der Betroffene realisiert, dass er sich und seine Umwelt neu bewerten und hinterfragen muss. Immer mehr Fragen zu kulturellen Unterschieden tauchen auf – nach einem „normalen“ Verhalten, nach der Art, wie man Probleme angeht oder miteinander arbeitet. Dies alles löst eine gewisse Orientierungslosigkeit aus. Gefühle, die von einem Kulturschock ausgelöst werden, lassen sich auch nicht immer rational erklären.

Nicht gemeint sind in diesem Zusammenhang Dinge, die einen ganz offensichtlich im Ausland stören mögen, wie zum Beispiel das Essen oder das Verkehrschaos. Bei einem Kulturschock geht viel mehr um ein schleichendes Unwohlsein, dass die anfängliche Euphorie über alles Neue unbemerkt ablöst. Daher tritt der klassische Kulturschock auch erst ein paar Wochen nach der Ankunft im Ausland auf. In Kulturen, die sich von der deutschen besonders stark abheben, mag der Kulturschock stärker ausfallen als in einem europäischen Nachbarland. Trotzdem ist man auch dort nicht vor einem Kulturschock gefeit.

Symptome des Kulturschocks

Untersuchungen der interkulturellen Forschung haben folgende Kulturschock-Symptome herausgearbeitet:

  • aus den Anpassungsleistungen resultierender Stress
  • ein Verlustgefühl in Bezug auf Status, Beruf und Besitz
  • ein Gefühl der Ablehnung, weil man sich in der neuen Kultur nicht willkommen fühlt oder diese selbst ablehnt
  • Verwirrung über die eigene Rolle, die eigene Identität und die Erwartungen anderer
  • Unklare Einschätzung zu vorherrschenden Werten und kulturellen Unterschieden zu Deutschland
  • Angst, wenn man sich des vollen Ausmaßes der kulturellen Unterschiede bewusst wird
  • Gefühl der Ohnmacht, weil man mit der neuen Umgebung nicht zurechtzukommen scheint

Verschiedene Phasen des Kulturschocks

Der amerikanische Anthropologe Dr. Kalvero Oberg gilt als Vater der Kulturschock-Forschung. Er verwendet den Begriff „Kulturschock“ in zweifacher Weise: zum einen für den bereits beschriebenen Sturz aus der Euphorie über alles Neue in das Gefühl, völlig fehl am Platz zu sein, und zum anderen für den Gesamtprozess der Kulturkrise vom Schockzustand bis zu seiner Bewältigung. In den ersten Wochen eines Auslandseinsatzes kann man also von einer ersten Phase der Euphorie, einer zweiten Phase des Kulturschocks sowie einer dritten und vierten Phase der langsamen Anpassung und schließlich der Adaption sprechen. Dabei kann es immer mal wieder kleine Rückschläge geben, bis die Krise vollständig bewältigt ist.

Phase 1 Euphorie:
Nach der Ankunft im Gastland stellt sich eine Art Urlaubsgefühl ein. Man ist raus aus dem alten Trott. es gibt viel Neues zu entdecken.

Phase 2 Kulturschock:
Im Alltag treten die ersten Schwierigkeiten auf. Man fühlt sich fremd, scheint alles falsch zu machen. Heimweh setzt ein. Stressgeühle setzen ein, man lehnt alles ab, was mit der neuen Umgebung zu tun hat. Manch einer versucht, seine eigenen Normen und Denkweisen einfach durchzusetzen und scheitert.

Phase 3 Anpassung:
Man bewältigt die Krise jeden Tag ein bisschen besser. Das Interesse an der Umgebung kehrt zurück. Plötzlich läuft vieles wie von selbst. Einsichten und neue Erkenntnisse führen zu einem größere Verständnis für die Gastkultur. Der Kulturschock wird überwunden.

Phase 4 Adaption:
Arbeit und Leben im Ausland werden zum Alltag. Das Selbstwertgefühl ist zurückgekehrt. Man kann auf die einzelnen Phasen des Kulturschocks zurückblicken und hat ihn spätestens jetzt als solchen klar identifiziert.

Strategien zur Überwindung des Kulturschocks

Jeder hat seine eigenen Strategien, um Krisen zu überwinden. Bei einem Kulturschock hilft bereits, anzuerkennen, dass es ihn gibt und man selbst wohl nicht verschont geblieben ist. Die eigene kulturelle Prägung sitzt so tief, dass man nicht einfach seine Denk- und Handlungsmuster ablegen und sich die im Ausland gültigen kulturellen Standards einfach überstülpen kann. Folgende Strategien können helfen, die Anpassungsphase ein wenig zu beschleunigen:

Bringen Sie so viel wie möglich über das Gastland in Erfahrung. Auch wenn die Euphorie der ersten Wochen abgeklungen ist, sollten Sie versuchen, Ihre Neugierde aufrecht zu erhalten. Stoßen Sie bei Ihren alltäglichen Kontakten mit der fremden Kultur auf Schwierigkeiten, müssen Sie diese bewusst hinterfragen. Es tut Ihnen nicht gut, ein Unwohlsein einfach zu unterdrücken. Stattdessen sollten Sie sich diesen Schwierigkeiten noch ein zweites und drittes Mal stellen, um sich nach und nach zu „akklimatisieren“.

Fällen Sie kein vorschnelles Urteil über die Menschen Ihrer Gastkultur, sondern akzeptieren Sie, dass Sie vieles über das Land und seine Bewohner sowie die kulturellen Unterschiede zu Deutschland nicht wissen und auch (noch) nicht wissen können. Häufig fühlt man sich in der Zeit des Kulturschocks von seiner Umgebung richtig angefeindet. Auch hier sollten Sie Ihre Eindrücke sehr kritisch hinterfragen.

Manche Auslandstätige versuchen, den Einheimischen so ähnlich wie nur möglich zu werden, indem sie die Verhaltensweisen imitieren. Dies mag zwar im ersten Moment hilfreich erscheinen, langfristig können Sie solch einen abrupten „Kulturwechsel“ aber nicht durchhalten. Sich der fremden Kultur zu öffnen, ist ohne Zweifel der richtige Weg. Aber lassen Sie sich Zeit, kulturelle Unterschiede auch wirklich zu verstehen.

Im Idealfall lernen Sie jemanden kennen, mit dem Sie sich gut über kulturelle Unterschiede unterhalten können. Fragen Sie direkt nach seinen persönlichen Erfahrungen mit der Überwindung eines Kulturschocks. Sprechen Sie über Ihre Gefühle gegenüber dem Gastland. Sie werden überrascht sein, wie viele Missverständnisse es gibt, auf die Sie von alleine nie gekommen wären!

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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