Third Culture Kids – Expat-Generation von morgen?

Zwei Drittel der Third Culture Kids (TCK) zwischen zwölf und 18 Jahren sehen ihren Lebensstil als eine Bereicherung, wie eine Studie der TU Berlin unter Leitung der Soziologin Angela Ittel ergibt. Sie können mit guten Schulnoten glänzen und sind weltoffen und anpassungsfähig. Trotzdem wollen laut Studienergebnis über 60 Prozent der Befragten später nicht das gleiche Leben führen wie ihre Eltern. Auch die Autoren des Buches „Third Culture Kids – The Experience of Growing Up Among Worlds” Ruth van Reken und David Pollock, sowie andere Studien, setzen sich mit den Herausforderungen auseinander, denen junge Menschen, die auf eine mobile Kindheit zurückblicken, begegnen müssen.

Rastlosigkeit und fehlende Wurzeln

So entwickeln viele TCK über die Jahre eine Art Nomadeninstinkt, der ihr weiteres Leben mitbestimmt. Immer auf der Suche nach dem idealen Ort ist ihnen das Gegenwärtige nie gut genug. Ständig lockt der Gedanke, dass es woanders noch besser sein könnte.

Die rastlose Suche zeigt sich bei jungen Erwachsenen häufig erstmals beim Antritt eines Studiums oder einer Berufsausbildung. Zwar erlangen TCK überdurchschnittlich häufig Hochschulabschlüsse, tendieren aber generell dazu, ihr Studium abzubrechen oder an einem anderen Ort in einem anderen Fach fortzusetzen. Oft erscheinen ihnen ihre Möglichkeiten dermaßen ausgiebig, dass sie sich nicht dauerhaft für eine einzige Alternative entscheiden können und überall etwas Interessanteres vermuten. TCK sind zudem schnell von einer Umgebung gelangweilt und können sich nach ihren facettenreichen Freundschaften mit anderen TCK an verschiedenen internationalen Schulen nur schwer auf gleichaltrige Mitstudierende einlassen, die gerade aus einem „eingleisigen“ Leben an nur einem Ort und nur einer einzigen Schule an die Uni kommen. TCK vermissen die gewohnte Weltoffenheit ihrer früheren Expat-Community und finden daneben Vorlesungen, Dozenten und Angebote der Hochschule ebenfalls wenig stimulierend.

Wo gehöre ich hin?

Auch die Fragen „Woher komme ich?“ „Wo liegen meine Wurzeln?“ „Wo gehöre ich hin?“ stellen sich viele TCKs ernsthaft, wenn sie nicht mehr ihre Eltern auf diverse Auslandsposten begleiten, sondern erstmals auf eigenen Füßen stehen. Die Nationalität steht im Pass, aber wo ist das emotionale Zuhause?

Kinder, die während der Heimaturlaube der Familie immer an den gleichen Ort zurückgekehrt sind, haben oft eine starke gefühlsmäßige Bindung an diese deutsche Brutstätte. Gehen sie dann zum Studium oder für die Berufsausbildung dorthin zurück, spüren sie auf einmal, dass sie dort eigentlich gar nicht richtig hingehören. Die Stadt, die sich wie Heimat anfühlen sollte, erweist sich nicht als solche. Im Gegenteil, sie müssen feststellen, dass sie hier am allerwenigsten hineinzupassen scheinen. Die Menschen vor Ort ohne Auslandsbackground, dafür aber mit starker Heimatbindung, wirken auf ihre Art provinziell, das Umfeld einengend und beschränkend. Wer noch zudem in der Auslandsschule in Englisch oder anderen Fremdsprachen unterrichtet worden ist, mag es vielleicht sogar schwierig empfinden, plötzlich in Deutsch zu lernen und zu arbeiten. Das Schreiben von Tests oder Prüfungen ist möglicherweise ganz anders als erwartet, was TCK schließlich zu unwissenden „Gaststudenten“ im eigenen Land macht. Der Studienbeginn in Deutschland kann sich daher alles in allem als Neubeginn mit klassischem Kulturschock mausern.

Fehlende Bindungsunfähigkeit?

Häufige Abschiede von liebgewonnenen Menschen und Orten führen dazu, dass viele TCK gar nicht mehr in tiefere Gefühle investieren möchten. In einer Untersuchung gaben immerhin 40 Prozent von 300 befragten TCK an, dass sie aus Angst vor dem unweigerlich kommenden Verlust Probleme mit engen Beziehungen haben. Obwohl sie leicht Kontakte herstellen können, fehlen ihnen enge Freunde, insbesondere wenn alle bisher gemachten Bekanntschaften aus dem Kreis der Expats stammten und nicht nur durch die eigenen Umzüge unterbrochen worden sind. Andere wiederum gehen sehr schnell tiefere Beziehungen ein, vielleicht weil sie wissen, dass für eine neue Freundschaft möglicherweise nur wenig Zeit bleibt.

Der Bindungsunfähigkeit mancher TCK steht auf der Haben-Seite die Offenheit anderer mobiler Jugendlicher gegenüber, die rasch Beziehungen zu anderen Menschen eingehen und diese bewusst pflegen – oft auch über große Distanzen hinweg. Soziale Netzwerke im Internet und spezielle Websites für TCK bilden einen Bezugspunkt und stellen für viele eine Art ortsunabhängige Heimat dar.

Spätes Erwachsenwerden und Trauergefühle

In ihrer Kindheit bekommen manche TCK den Eindruck, dass es sich nicht auszahlt, selbst Initiative zu entwickeln. Was immer man auch plant, die Versetzung eines Elternteils kann wie aus heiterem Himmel im Raum stehen und alle eigenen Pläne zunichte machen. Diese Erfahrung erschwert es TCK, selbst Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Ihre Haltung ist eher, „die Dinge geschehen zu lassen“. Unter der Oberfläche des interessanten und faszinierenden mobilen Lebens tragen viele TCK zudem ein Päckchen an nicht aufgearbeiteter Trauer mit sich herum, das zeitweise lähmen kann. Aufgebaut hat sich diese unterschwellige Trauer durch immer wiederkehrende Abschiede und das Gefühl, dass einem letztlich doch immer wieder der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Chancen für die Zukunft

Doch die Herausforderungen sind nur eine Seite der Medaille. Wer in anderen Kulturen aufwächst, lernt schnell, dass es nicht nur eine richtige Weise gibt, die Dinge zu betrachten. TCK haben meist die Fähigkeit, sich rasch und problemlos an unterschiedliche Lebensstile anzupassen. Fast chamäleonartig können sie zu lokal angebrachten Verhaltensweisen umschwenken. Sie konzentrieren sich auf Gemeinsamkeiten, nicht auf Unterschiede.

Im späteren Berufsleben sind diese Flexibilität und Kommunikationsfähigkeiten Gold wert. Im Land erworbene Sprachkenntnisse ebnen ebenfalls viele Wege. Und nicht zuletzt verfügen die meisten TCK über ein stabiles Selbstvertrauen. Sie wissen, dass sie sich überall zurechtfinden und schwierige Lebenslagen meistern können. Auch wenn sie permanente Veränderungen nicht immer mögen, haben sie doch im Laufe der Jahre die Gewissheit erlangt, dass sie mit jeder neuen Situation umgehen können.

Für die Studien- und Berufswahl sowie die persönliche Lebensgestaltung sollten TCK noch stärker als Nicht-TCK ihre Fähigkeiten und Interessen, aber auch ihre Bedürfnisse hinsichtlich der Fragen wie und mit wem sie lernen und arbeiten möchten, genau hinterfragen. Ihr mobiler und internationaler Lebensstil lässt sich meist nicht einfach abstreifen, sondern muss als Persönlichkeitsfaktor in ihre Entscheidungsfindung mit einfließen. Genauso wichtig ist der Ort, den ein TCK vielleicht das erste Mal in seinem Leben alleine auswählen kann. Auch hier sollten Möglichkeiten, in einem internationalen und/oder vielfältigen, abwechslungsreichen Umfeld leben zu können, näher in Betracht gezogen werden als Orte, die für ein TCK möglicherweise von Anfang an viel zu viele Beschränkungen aufweisen. Letztlich zeigt die Statistik, dass entgegen der Befragungsergebnisse der TU Berlin rund 80 Prozent der TCK später doch auch selbst einen mobilen Lebensstil führen.

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