Loyalitätsbeziehungen in portugiesischen Unternehmen

Loyalität wird in der portugiesischen Kultur großgeschrieben. Man zeigt sich Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten, aber auch seinen Geschäftspartnern gegenüber loyal und erwartet im Gegenzug das gleiche Verhalten zurück. Aus diesen zahlreichen individuellen Loyalitätsbeziehungen entstehen soziale Netzwerke, die Stabilität bieten und auf die der Einzelne jederzeit zurückgreifen kann – sowohl privat im Kreis der Familie und Freunde als auch im Geschäftsleben.

Bekannte Gesichter einstellen

Das portugiesische Business basiert also auf einer Vielzahl funktionierender Unternehmernetzwerke. Man kennt sich, vertraut sich und macht miteinander Geschäfte. Risiken werden nicht gerne eingegangen, deshalb bewegen sich Portugiesen gerne in bekannten Gewässern.

Selbst bei der Stellenbesetzung greifen portugiesische Chefs häufig auf bekannte Gesichter zurück. Personen im eigenen Unternehmen zu beschäftigen, denen man ohnehin schon vertraut – oder die zumindest von einer Person des Vertrauens weiterempfohlen worden sind, ist oft sehr viel erstrebenswerter, als ein anonymes Bewerbungsverfahren in die Wege zu leiten und sich auf ein Auswahlverfahren mit unsicherem Ausgang zu verlassen.

Was in anderen Ländern als Nepotismus verurteilt würde, ist in traditionellen portugiesischen Unternehmen Teil eines anerkannten Managementstils. Familienmitglieder und Freunde zu beschäftigen, ist immer ein guter Schachzug, weil man sich mit loyalen Weggefährten umgibt.

Viele kleine Rädchen im Unternehmen

Daneben sind portugiesische Unternehmen stark hierarchisch organisiert. Der jeweilige Rang im Unternehmen ist für den Einzelnen von großer Bedeutung und bestimmte vielerlei Dinge, wer wie mit wem spricht, wer zu bestimmten Meetings eingeladen wird und wer von wem Anweisungen erhält. Jeder hat seinen Platz im Unternehmen und führt klar definierte Aufgaben aus.

Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern ist Portugal eine kollektivistische Kultur. Man identifiziert sich stark mit der Gruppe, zu der man gehört. Nicht-gruppenkonformes Verhalten hingegen führt schnell zu einem nur schwer wiedergutzumachenden Gesichtsverlust. Deshalb ist eine hohe Loyalität zwischen den Mitgliedern einer Gruppe, sprich eines Unternehmens oder einer Abteilung, von hoher Bedeutung und sorgt indirekt für einen reibungslosen Ablauf der Zusammenarbeit. Anders als in individualistischeren Kulturen, z.B. Deutschland, werden portugiesische Mitarbeiter ihre persönlichen beruflichen Ambitionen stärker dem Wohl der Gemeinschaft unterordnen.

Autoritär führen

In portugiesischen Unternehmen führt der Chef autoritär und fällt Entscheidungen meist autonom. Diese werden von den Mitarbeitern selten hinterfragt, sondern unkritisch ausgeführt. Genauso wenig wird ein Abteilungsleiter nach Konsens gestrebt. Wer führt, hat sich diese Position durch Alter, Erfahrung und Leistung erarbeitet, und genießt deshalb vollstes Vertrauen. Aus portugiesischer Sicht kann niemand Entscheidungen besser treffen als derjenige, der an der Spitze steht.

Die Meinung anderer einzuholen, unterstellte Mitarbeiter nach neuen Ideen zu fragen und schließlich nach Einigung zu streben, ist eher als persönliche Führungsschwäche zu werten. Diese Form der Partizipation werden portugiesische Mitarbeiter daher nicht erwarten und auch nicht unbedingt zu schätzen wissen. Stattdessen sind die meisten lieber loyale Anhänger ihrer Führungskraft, sofern sich diese Anerkennung verdient hat.

Als Patron agieren

Denn mit der Rolle der autoritären Führungskraft eng verbunden ist auch eine ernsthaft betriebene Fürsorge für die eigenen Mitarbeiter. Wer auf der Hierarchieleiter oben steht, trägt eine gewisse soziale Verantwortung nach unten hin – entweder als Vater der Familie oder eben als Chef den Mitarbeitern gegenüber. Daher wird der Chef in portugiesischen Unternehmen auch als „Patrão“ (Patron) angesprochen.

Da in Portugal zudem Berufliches und Privates nicht strikt getrennt sind, umfasst die Fürsorge für die eigenen Mitarbeiter durchaus auch Themen, die in den privaten Bereich hineinreichen. Das Beziehungsgeflecht Chef – Mitarbeiter wird also nicht abends am Ausgang des Bürogebäudes abgestreift.

Motivation erfolgt auf der Beziehungsebene

Ebenso funktioniert die Motivation portugiesischer Mitarbeiter. Wer als Chef seinen Mitarbeitern viel Aufmerksamkeit schenkt, an persönlichen Themen Interesse zeigt und generell an einer guten zwischenmenschlichen Beziehung interessiert ist, gewinnt die Loyalität seiner Mitarbeiter und wird damit am ehesten zu Höchstleistungen anspornen.

In der beziehungsorientierten portugiesischen Kultur arbeitet man generell nicht für die Sache selbst, sondern mehr für die involvierten Personen. Demonstriert eine Führungskraft hingegen kein spürbares Interesse an einem Mitarbeiter, wird das dahingehend interpretiert, dass dieser für die Organisation nicht wichtig ist. Eine entsprechende Demotivation des Mitarbeiters, die letztlich zur Kündigung führen wird, ist dann die Konsequenz.

Alte Strukturen aufbrechen?

Ausländische Führungskräfte in einem portugiesischen oder auch multinationalen Unternehmen mit Standort Portugal haben oft den Wunsch, diese traditionellen Strukturen aufzubrechen. Ein partizipativer Führungsstil gilt als modern und das Mittel der Wahl, um die Potenziale jedes einzelnen Mitarbeiters auszuschöpfen.

Es ist jedoch von entscheidender Wichtigkeit, die angestrebte größere Partizipation der lokalen Mitarbeiter klar zu kommunizieren und über einen gewissen Zeitraum hinweg immer wieder anzuregen. Vor allem so etwas wie Teamgeist oder Eigeninitiative muss in stark hierarchisierten traditionell geprägten Unternehmen erst entwickelt werden, ohne dabei selbst an Ansehen zu verlieren. Was Führungskräfte, die einen partizipativen Führungsstil gewohnt sind, positiv als mehr Freiheit und persönlichen Handlungsspielraum bezeichnen würden, ist für Mitarbeiter, die einen autoritären Führungsstil kennen und schätzen, eher mit viel Verantwortung und der stetigen Gefahr, Fehler zu machen und zur Rechenschaft gezogen zu werden, verbunden. Daher ist erst eine Veränderung im Denken notwendig, die einfach ihre Zeit braucht.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage.FrauKoll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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