Die ersten Monate im neuen Auslandsjob

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Seit gut einem halben Jahr arbeitet Marco Reim im Rahmen eines Joint Ventures in Kuala Lumpur. Nach einem guten Start gestaltet sich die Arbeit in den letzten Wochen immer schwieriger. Ständig gibt es zeitliche Verzögerungen, ohne detaillierte Anweisungen rühren die malaiischen Mitarbeiter keinen Finger. Je härter er selbst arbeitet, desto weniger scheint sich zu bewegen. Und das anfangs so herzliche Verhältnis zu seinen indischen und chinesischen Kollegen im Management wird zunehmend kühler. Auch sein Versuch, die Probleme offen anzusprechen, ist erfolglos geblieben.

Einzelkämpfer in Not

Wer für sein Unternehmen ins Ausland geht, stößt oft erst einmal auf Widerstände, arbeitet am Ende wesentlich mehr als vor der Entsendung und erreicht trotzdem keine vorzeigbaren Erfolge. Vieles, was dem Expat an Verhandlungsgeschick, Führungsstil und Geschäftsgepflogenheiten aus Deutschland vertraut ist, hat in der fremden Umgebung keinerlei Zugkraft. In der Konsequenz werden viele Expats wie Marco Reim ungewollt zum Einzelkämpfer. Aber das macht die Arbeit nicht leichter. Schnell kann ein Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung entstehen: Ein fremdes Umfeld, als Ausländer unter lauter neuen Kollegen, Sprachbarrieren, Unsicherheit in den Verhaltensweisen – und dann vielleicht noch ein Versagen in der Führungsrolle. Das wirft auch den Stärksten aus der Bahn. Noch schwieriger wird es, wenn erste Projekte scheitern und der Druck aus dem Heimatunternehmen wächst.

Und privat?

Neben den neuen beruflichen Anforderungen erhebt auch die Familie gewisse Ansprüche an den Expat. Denn schließlich haben alle ihr Leben zu Hause in Deutschland aufgegeben, damit er/sie seinen/ihren neuen Job antreten kann. Nun erwarten sie Unterstützung im schwierigen Anpassungsprozess, Aufmerksamkeit und vor allem Zeit. Der Expat sitzt dann schnell zwischen allen Stühlen.

Erfolgreicher Anpassungsprozess

Trotz aller Schwierigkeiten lernen die meisten Expats mit der Zeit, ihr berufliches und privates Leben vor Ort neu auszurichten und besser in den Griff zu bekommen. Folgende Strategien können Ihnen helfen, die Hürden der Anfangszeit etwas lockerer zu überwinden:

Lernen Sie die Geschäftskultur Ihres Gastlandes genauer kennen:

  • Versuchen Sie, die kulturellen Gegebenheiten in Ihrem Gastland genauer kennenzulernen. Wir wirken sich diese auf das Arbeitsumfeld aus?
  • Wie lässt sich der vorherrschende Arbeitsstil vor Ort beschreiben?
  • Welches Machtgefüge ist im Unternehmen zu erkennen? Wer darf wem Anweisungen geben und in welcher Form geschieht dies?
  • Gibt es Gruppen, die stets zusammenhalten oder arbeitet jeder mehr für sich alleine?
  • Spielen ethnische Zugehörigkeiten in die Teambildung hinein?
  • Was erwarten die lokalen Mitarbeiter von einer Führungskraft? Müssen stets genaue Vorgaben gegeben werden oder wird ein gewisser Handlungsspielraum gerne angenommen? Nicht in allen Ländern freuen sich die Mitarbeiter, wenn ihnen mehr Verantwortung übertragen wird.
  • In welcher Form kann Kritik ausgeübt werden? Werden Fehler direkt angesprochen?
  • Wie erfolgt die Kommunikation? Werden die Dinge immer beim Namen genannt oder muss man sich kritischen Themen eher langsam annähern?
  • Werden Entscheidungen im Team getroffen oder erwartet man, dass die Führungskraft alleine weiß, was zu tun ist? In vielen Kulturräumen werden Konsensentscheidungen oder ein partizipativer Führungsstil als Führungsschwäche ausgelegt.

Versuchen Sie, mehr über angemessene Verhaltensweisen bei der Geschäftsanbahnung zu erfahren:

  • Wie werden erste Geschäftskontakte geknüpft?
  • Welche Rolle spielen persönliche Beziehungen, um einen Geschäftskontakt anzubahnen?
  • Wie wichtig sind Small Talk, gemeinsame Essen oder Veranstaltungen, um mit neuen Geschäftspartnern warm zu werden? In vielen Ländern lautet die Devise: Erst werden wir Freunde, dann machen wir Geschäfte.
  • Wie geht man mit Verträgen um? Muss alles schriftlich festgehalten werden oder sind Verträge eher reines Zierwerk?
  • Wie werden Projekte geplant und geleitet? Wird alles bis ins Detail durchgeplant oder gibt es nur eine grobe Struktur und dann fängt man einfach mal an?
  • Wir Deutschen neigen dazu, alles zu planen. Vielerorts wird das nicht nur als unnötig betrachtet, sondern zudem als rechthaberisch und detailversessen interpretiert.
  • Ein unterschiedliches Zeitverständnis bezieht sich nicht nur auf die berühmte Pünktlichkeit. In vielen Geschäftskulturen spielt Zeit auch bei Projektvorhaben eine eher untergeordnete Rolle. Überraschenderweise klappt es am Ende meistens doch ganz gut…

Erschließen Sie sich vor Ort stabile Netzwerke:

  • Suchen Sie sich einen Mentor oder einen interkulturell erfahrenen Coach.
  • Gespräche mit anderen Expats, selbst aus anderen Firmen, können einem häufig die Augen öffnen. Der gegenseitige Erfahrungsaustausch ist Gold wert – auch wenn man vorher gemeint hat, die eigenen Probleme seien so spezifische, dass einem keiner weiterhelfen kann.
  • Fordern Sie von Kollegen in Ihrem Umfeld oder auch von der Muttergesellschaft in Deutschland Unterstützung an. Werden Sie nicht zum „Lonley Rider“, denn dadurch gefährden Sie vielleicht Ihr Projekt mehr, als wenn Sie Schwächen eingestehen und um Hilfe bitten.
  • Unterschätzen Sie außerdem die Kompetenz Ihrer lokalen Kollegen nicht. Suchen Sie mit ihnen das Gespräch und fragen Sie nach Unterstützung, um die lokalen Gegebenheiten und Arbeitsweisen besser verstehen zu können. Vielleicht wirken Ihre Kollegen nur so kühl, weil sie Sie als abweisend empfinden?
  • Denken Sie daran, dass gute Beziehungen nicht von heute auf morgen entstehen. Geben Sie sich und den Kollegen bzw. Geschäftspartnern Zeit, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen.

Bleiben Sie in jeder Lebenslage offen und flexibel:

  • Achten Sie auf Ihre innere Einstellung. Eine negative Haltung macht es Ihnen schwer, positive Aspekte zu erkennen und zu verstärken.
  • Lernen Sie, großzügig zu sich selbst zu sein. Stecken Sie Niederlagen ein, denn morgen ist ein neuer Tag. Akzeptieren Sie, dass das Leben im Moment härter ist als zu Hause.
  • Führen Sie sich vor Augen, dass es immer unterschiedliche Weisen gibt, etwas zu tun. Im Moment sind Ihre Handlungsstrategien wahrscheinlich suboptimal. Seien Sie also bereit, etwas Neues auszuprobieren.
  • Gegebenenfalls kann es von Vorteil sein, sich erst einmal ins laufende Getriebe einzufügen und sich einfach anzupassen. Schließlich sind Sie im Moment der „Neue“. Später können Sie dann Schritt für Schritt die Zügel in die Hand nehmen.

Achten Sie auf eine gute Balance zwischen Job und Privatleben – Erholungsphasen kommen Ihnen letztlich bei der Bewältigung der beruflichen Herausforderungen zugute:

  • Nehmen Sie sich Zeit für private Aktivitäten. Erschließen Sie gemeinsam mit Ihrer Familie die neue Umgebung. Schreiben Sie sich notfalls Familienzeiten fest in den Kalender.
  • Sorgen Sie auch für einen gewissen Stressausgleich. Wer nicht entspannt, wird bald seine volle Leistungsfähigkeit nicht mehr erreichen.

Wieder festen Boden unter den Füßen haben

In den ersten Wochen und Monaten sind die unterschiedlichen Anforderungen in einem Auslandsjob enorm. Hindernisse scheinen sich einfach nicht bewältigen zu lassen. Doch mit zunehmender Anpassung an die fremde Umgebung wächst auch das Gefühl für die neue Rolle und die Selbstsicherheit kehrt zurück. Schwierigkeiten können wieder als spannende Herausforderungen angenommen werden, die neuen Erfahrungen machen das Leben spannend. Die Möglichkeit, fern der strengen Strukturen der Firmenzentrale sehr vielseitig unternehmerisch tätig zu sein und das Geschäft und den Berufsalltag mit zu gestalten, ist für viele Expats das Salz in der Suppe des Entsandten-Alltags. Sie erwerben ganz neue Kenntnisse und entdecken ungeahnte Fähigkeiten.

Auch Marco Reim hat letztlich diese positiven Erfahrungen gemacht. Den Durchbruch erreichte er, als er aktiv nach Unterstützung gesucht und sie durch einen erfahrenen Kollegen aus der Niederlassung in Singapur bekommen hat. Mit seiner Hilfe gelang es ihm, die Gegebenheiten vor Ort besser zu verstehen, Missverständnisse klärten sich. Er veränderte seine Strategie und das Arbeitsklima verbessert sich merklich. Und damit entspannte sich auch Marco Reims berufliche wie auch private Situation. Der Job in Malaysia macht ihm heute Freude und auch seine Familie hat sich gut in Kuala Lumpur eingelebt.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


Wenn Sie das Thema interessiert, dann schauen Sie sich gerne auf dem Blog von Arbeitsrecht.de folgenden Beitrag an, um weitere Informationen zu bekommen: https://www.arbeitsrechte.de/arbeiten-im-ausland/

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der Crossculture Academy

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