Burn-out und Bore-out: Die zwei Seiten des Expat-Lebens

Die Auslandsjahre betrachten viele Expats als Investition in ihre berufliche Zukunft und nehmen dafür eine hohe Arbeitsbelastung mit zusätzlichen Dienstreisen und Repräsentationsverpflichtungen am Abend in Kauf. Sie gewöhnen sich einen besonders energiegeladenen und manchmal hektischen Lebensstil an, dessen Kehrseite häufig die Vernachlässigung der persönlichen Freizeit und des Familienlebens ist. Oft geht ihnen dabei die Fähigkeit verloren, von Zeit zu Zeit komplett zu entspannen und zur inneren Ruhe zu finden. Alles was zählt, ist der Job.

Aber auch die mitausreisenden Partnerinnen (oder Partner) leiden insbesondere in der Anfangszeit unter einer hohen Stressbelastung. Im Ausland müssen sie die Familie unter weitaus schwierigeren Bedingungen managen als zuvor. Täglich stehen sie vor neuen Herausforderungen.

Nach einigen Wochen oder Monaten kann sich das Bild jedoch wenden: Die Kinder sind in der Ganztagsschule gut versorgt und brauchen immer weniger Aufmerksamkeit. Die neue Umgebung ist ausgiebig erkundet. Vielleicht übernimmt sogar eine Hausangestellte die gesamte Hausarbeit, weil das im Gastland so üblich ist. Ein Job ist nicht möglich, denn es wird keine Arbeitserlaubnis gewährt. Gleichzeitig können die Freizeitmöglichkeiten eingeschränkt sein und viele Frauen bewegen sich letztendlich nur noch innerhalb einer geschlossenen Expat-Community.

Der Partner geht gerade in seiner Arbeit auf – oder unter – und soll durch die eigenen Probleme nicht noch zusätzlich belastet werden. Die Frauen verbringen dann eintönige Tage, an denen sie die Zeit totschlagen. Irgendwann haben sie im Internet alle interessanten Seiten besucht, alle E-Mails beantwortet, alle Einkäufe erledigt, alle Neuerscheinungen gelesen und sich mit allen zur Verfügung stehenden Gesprächspartnern über alles unterhalten.

Burn-out und Bore-out führen zu ähnlichen Konsequenzen

Die Schere zwischen überlastetem Expat und unterforderter Partnerin klafft schnell weit auseinander. In vielen Expat-Partnerschaften ist der arbeitende Partner von seinem anstrengenden Berufsalltag völlig ausgebrannt, die mitausgereiste Partnerin von ihrem trostlosen Dasein im goldenen Käfig zu Tode gelangweilt. Beide steuern auf einen Burn-out bzw. Bore-out zu – mit ähnlichen Konsequenzen.

Der Begriff Burn-out („Ausgebrannt sein“) ist relativ bekannt und umschreibt eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung. Die Betroffenen haben meist ihren Job mit großer Begeisterung begonnen und entwickeln durch eine zu hohe Belastung, nicht bewältigten Stress sowie frustrierende Erlebnisse psychosomatische Erkrankungen, Depressionen und Aggressivität. Sie fühlen sich ausgebrannt, leer, kraftlos, reizbar und distanziert. Auch durch Urlaub können sie sich nicht mehr wirklich erholen. Im Job haben sie das Gefühl, trotz Anstrengung keine Erfolge mehr zu erzielen. Die persönliche Leistung scheint die steigenden Anforderungen nicht zu bedienen, was der eigenen Ineffektivität zugeschrieben wird.

Die Wissenschaft beschreibt zwölf Phasen eines Burn-outs:

  • Drang, sich selbst und anderen etwas beweisen zu wollen
  • Extremes Leistungsstreben, um besonders hohe Erwartungen zu erfüllen
  • Überarbeitung mit Vernachlässigung anderer persönlicher Bedürfnisse und sozialer Kontakte
  • Überspielen oder Übergehen der inneren Probleme und Konflikte
  • Zweifel am eigenen Wertesystem und ehemals wichtigen Dingen wie Hobbys und Freunden
  • Verleugnung entstehender Probleme, zunehmende Intoleranz und Geringschätzung anderer
  • Rückzug und Vermeidung sozialer Kontakte auf ein Minimum
  • Offensichtliche Verhaltensänderungen, fortschreitendes Gefühl der Wertlosigkeit, zunehmende Ängstlichkeit
  • Depersonalisierung durch Kontaktverlust zu sich selbst und zu anderen, das Leben verläuft zunehmend „mechanistisch“
  • Innere Leere und verzweifelte Versuche, diese Gefühle zu überspielen
  • Depression mit Symptomen wie Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung und Perspektivlosigkeit
  • Akute Gefahr eines mentalen und physischen Zusammenbruchs, Selbstmordgedanken als Ausweg

Ein Bore-out („Ausgelangweilt sein“) äußert sich häufig in gleicher Weise wie ein Burn-out. Jedoch sind seine Ursachen vor allem Unterforderung, Langeweile, Lustlosigkeit und Ratlosigkeit. Was eigentlich so schön klingt, nämlich das süße Nichtstun, ist in Wahrheit der blanke seelische Horror. Das Absitzen von langen Stunden, ohne Perspektive auf Erfüllung, Anerkennung und geistige Nahrung wird zur Qual. Die wenigen Tagesaufgaben – oder häufig auch die durchaus zahlreichen, aber unterfordernden Aufgaben – werden unnötig in die Länge gezogen, um den Tag zu füllen, oder mutlos aufgeschoben. Die persönliche Energie sinkt von Woche zu Woche, die Selbstzweifel nehmen zu. Es fällt den Betroffenen schwer, sich durch eigene Kraft aus dem Sumpf zu ziehen. Häufig erkennen sie gar nicht, dass ihre Ausgelaugtheit aus dem Nichtstun resultiert – auch weil ihr Umfeld der Meinung ist, dass es ihnen doch gut gehen müsste.

Die richtige Balance finden

Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Gesundheit nicht nur, nicht krank zu sein, sondern ist mit der Ausgeglichenheit von seelischen, emotionalen, körperlichen, sozialen und geistigen Komponenten gleichzusetzen. Balancing heißt, diese Komponenten im Spannungsfeld von privaten und beruflichen Anforderungen aktiv miteinander in Einklang zu bringen. Denn diese Ausgewogenheit bildet nicht nur die Grundlage für eine bessere Lebensqualität, sondern darüber hinaus auch für eine andauernde Leistungsfähigkeit. Möchten Sie sich also für Ihren Job oder die alltäglichen Anforderungen im Ausland fit halten, müssen Sie nicht nur auf Ihre körperliche Gesundheit achten, sondern auch auf Ihr seelisches Wohlbefinden, einen stabilen emotionalen Rückhalt, soziale Kontakte und geistige Nahrung.

Dem entgegen stehen die zahlreichen Belastungsfaktoren, die sich nicht einfach so abstellen lassen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir trotz – oder gerade wegen – der zunehmenden Herausforderungen entsprechende Gegengewichte aufbauen:

Unterstützung im Arbeitsumfeld

Stress im Beruf entsteht häufig durch die Einstellung, alles selbst am besten zu können. Gerade Expats haben in ausländischen Teams das Gefühl, von Anfang an alle Aufgaben besonders intensiv erledigen und die gesetzten Ziele möglichst schnell erreichen zu müssen. Trotzdem ist es durchaus professionell, am Arbeitsplatz für eine Balance zwischen Geben und Nehmen zu sorgen, indem man sich auch einmal helfen lässt. Kümmern Sie sich also nicht nur um die Sache, sondern auch um die guten Beziehungen zu Kollegen.

Auch für zu Hause gilt: Wehren Sie sich gegen einen übersteigerten Perfektionismus, der Ihnen einredet, jederzeit und an jedem Ort alles bestens schaffen zu müssen.

Die Arbeit besser organisieren

Nur wenn Sie Ihre Prioritäten klar definiert haben, können Sie den ständigen Zeitdruck verhindern. Sicher kennen Sie das Pareto-Prinzip, nach dem mit 20 Prozent der zu leistenden Aufgaben schon 80 Prozent des möglichen Erfolgs erreicht werden können. Doch dazu gehört, die richtigen 20 Prozent zu erkennen. Dieses Prinzip lässt sich kaum durchgängig verwirklichen, aber manche Dinge können Sie tatsächlich delegieren oder abkürzen. Räumen Sie dann auch den anderen Lebensbereichen wieder einen höheren Stellenwert ein.

Betreiben Sie eine konsequente Zeitplanung. Dabei sollte nur etwa die Hälfte der Zeit fest verplant werden, damit genügend Pufferzeit für unerwartete Dinge zur Verfügung steht. Wodurch geraten Sie unter Zeitdruck? Versuchen Sie, diese Dinge auszumachen und ihnen frühzeitig entgegenzuwirken. Bemühen Sie sich, insgesamt effizienter zu arbeiten, damit der Job mehr Spaß macht und täglich Zeit für das Ausbalancieren der anderen Lebensbereiche bleibt. Nur dort können Sie Energie tanken, die wieder in die Arbeit zurückfließt.

Emotionaler Rückhalt durch die Familie

Familie und Partnerschaft benötigen im Ausland mehr Zeit als im heimatlichen Umfeld mit sozialem Netzwerk, um das richtige Gleichgewicht zu finden. Statt sich in arbeitsreichen Wochen von der Familie abzukapseln, sollten Sie sie stärker in Ihr Leben miteinbeziehen. Bedenken Sie, dass Expat-Partnerschaften häufig darunter leiden, dass beide ein sehr unterschiedliches Leben führen und die gemeinsamen Berührungspunkte sehr schnell weniger werden.

Häufig meinen es mitausreisende Partnerinnen gut, wenn Sie ihre Probleme und Sorgen von ihrem gestressten Mann fernhalten. Langfristig tun Sie der Partnerschaft damit jedoch keinen Gefallen. Frustration und das Gefühl, für die Karriere des anderen zu große Opfer bringen zu müssen, vergiften die Partnerschaft nach und nach. Fordern Sie stattdessen Aufmerksamkeit und Zuwendung von Ihrem Partner ein – denn gemeinsame Zeit tut Ihnen beiden gut.

Vielleicht setzen Sie sich regelmäßig zusammen und sprechen darüber, wie es Ihnen derzeit miteinander geht? Holen Sie sich Rückmeldung, wie sich Ihr Partner/Ihre Kinder im Ausland fühlt/en. Planen Sie feste Zeiten für regelmäßige gemeinsame Aktivitäten wie Essen gehen, Sport oder einen Konzertbesuch ein. Wenn Sie gemeinsam Erinnerungen an schöne Momente schaffen, tragen diese Erfahrungen Sie auch durch schwierige Phasen der Auslandszeit.

Sozialer Rückhalt durch Kontakte

Kontakte zu knüpfen und echte Freunde zu finden, ist im Ausland oft schwer. Trotzdem wäre es die falsche Einstellung zu denken, dass man die drei oder vier Jahre auch ohne einen Freundeskreis auskommen könnte. Für ein gesundes Gleichgewicht und zum Abbau von Stress und Frustration sind entspannte Treffen in geselliger Runde einfach unbezahlbar. Genauso wohltuend ist es, die Kontakte zu Hause intensiv zu pflegen.

Ausgleich auf der geistigen Ebene

Zur richtigen Balance gehört auch, im gewünschten Maße Zeit für persönliche Interessen zu finden. Dabei geht es vor allem darum, dass Sie Ihren Geist füttern und sich für Dinge zu begeistern wissen. Stellen Sie sich ein kleines geistiges Ernährungsprogramm zusammen, an dem Sie Spaß und Freude haben und das sie positiv fordert. Kulturelle Aktivitäten oder Hobbys sind im Ausland nicht immer einfach zu organisieren. Aber wo ein Wille ist, ist meist auch ein Weg. Zeigen Sie sich auch für Neues offen, denn vielleicht hat Ihr Gastland einiges zu bieten, mit dem Sie zuvor noch nicht in Berührung gekommen sind.

Sport, Ernährung und Entspannung

Gönnen Sie sich auch Regenerierung durch mehr Bewegung. Für einen Stressabbau sind Ausdauersportarten oder Entspannungsübungen am besten geeignet. Aber auch eine gesündere Ernährung kann viel zu Ihrem körperlichen Wohlbefinden beitragen. Das haben Sie alles sicher schon des Öfteren gelesen – aber noch nicht in die Tat umgesetzt? Dann überzeugt Sie vielleicht dieses Argument: Auch kleine Schritte führen zum Ziel, denn sie machen schnell Lust auf mehr! Halten Sie Ihr Anfangspensum ganz klein, dann ist auch der innere Schweinhund schnell versöhnlicher gestimmt. Wichtig ist die Tatsache, dass Sie sich Zeit für Ihren Körper nehmen und Ihre Gedanken zur Ruhe bringen.

Auf lange Sicht im Gleichgewicht

Mit Sicherheit wird es immer wieder Zeiten geben, in denen wir aus der Balance geraten und das Pendel übermäßig stark in Richtung Arbeit – oder auch Freizeit – ausschlägt. Doch auf lange Sicht sollten wir ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Lebensbereichen Beruf, Partnerschaft und Familie, soziale Kontakte, intellektuelle Weiterentwicklung und körperliches Wohlbefinden anstreben, damit Leistungsstärke einerseits und Lebensqualität andererseits nicht verloren gehen.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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