Britische Geschäftssprache

Der Complete Oxford Dictionary beinhaltet 500.000 Worte, wohingegen die deutsche Sprache ein Vokabular von nur 185.000 Worten (dafür aber sehr lange) zu bieten hat. Daraus kann man leicht schließen, dass das Repertoire des sprachlichen Ausdrucks im Englischen weitaus differenzierter und vielfältiger ist. Hinzu kommt, dass heute ungefähr 340 Millionen Menschen weltweit Englisch als Muttersprache sprechen, ganz zu schweigen von all denen, die Englisch als Zweitsprache beherrschen.

Kein Wunder, dass sich Briten, die quasi die ganze Welt bereisen können und sich weiterhin in ihrer Muttersprache verständigen dürfen, aufgrund dieser Tatsache sehr comfy (behaglich) fühlen. Sicherlich kann man davon ein nicht zu verkennendes Maß an Selbstsicherheit der britischen Seele ableiten, denn die linguistischen Fakten sprechen für sich. Und da das Gefühl der Behaglichkeit in Großbritannien ein sehr beliebtes ist, hat man in der Kommunikation eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten für ein side stepping (Ausweichen) parat, um unangenehmen Angelegenheiten sprachlich aus dem Weg gehen zu können. So gibt es für den Gang zur Toilette nettere Umschreibungen, wie ›comfort break‹, ›make use of the facilities‹ oder wohlklingendere Vorwände, wie ›wash hands‹ oder ›answer the call‹.

Viele Wege führen nach Rom

Briten sind in ihrem Inneren Individualisten. Sie mögen Flexibilität, sie mögen es, die Wahl zu haben, sie mögen Optionen. Das spiegelt sich auch in der Kommunikation wider. Briten halten sich selten in einem Schwarz-Weiß-, sondern eher in Graubereichen auf. Sie möchten nicht in die Ecke gedrängt und auch nicht unter Druck gesetzt werden, sie lassen sich ungern auf die Ewigkeit festlegen.

Selbst wenn Sie eine feste Vorstellung von etwas haben, stellen Sie diese in der Kommunikation nicht so sehr in den Vordergrund. Zeigen Sie sich im Denken und Handeln beweglich. Haben Sie möglichst mehrere Optionen parat und investieren Sie zu Beginn nicht so viel Zeit in die feine Ausarbeitung Ihrer festen Vorstellung. Fühlen Sie erst einmal in Gesprächen vor, wie Ihre Idee so ankommt, ohne gleich zu verraten, dass das Ihr Nonplusultra ist. Wenn Sie mehrere Optionen anbieten, werden Sie mit großer Sicherheit gefragt werden, welche Option Sie bevorzugen würden? Dann ist der Moment gekommen, Ihre Tendenz sichtbar zu machen. Aber bitte auch dann noch keine Überdosis: Je kräftiger Sie argumentieren und überzeugen wollen, umso skeptischer wird Ihr britisches Gegenüber. Weniger ist mehr!

Coded speech

Von viel weitreichender Bedeutung ist das direkte Konfrontationsverbot! Briten möchten sich auch noch bei Meinungsverschiedenheiten wohlfühlen können und sich bei einem nachfolgenden Treffen zumindest in einer neutralen Atmosphäre wiederfinden. Eigentlich ist dies nichts anderes als eine Form des Gesichtwahrens, wie man es in deutlich ausgeprägterer und vielfältigerer Form im asiatischen Kulturraum vorfindet. Man möchte, dass sprachlich alles glatt läuft, keine Wellen schlagen, niemandem auf die Füße treten – und deshalb wird Unangenehmes freundlich ›verpackt‹! Diese Kommunikationsart wird als coded speech bezeichnet.

Peaches and Coconuts

Das Modell Peaches and Coconuts von Susanne Zaninelli beschreibt ursprünglich die kommunikativen Unterschiede zwischen Deutschen und US-Amerikanern. Es lässt sich jedoch auch sehr gut auf die Kommunikationsunterschiede zwischen Deutschsprachigen und Briten anwenden. Beginnen wir mit der Betrachtung der peaches (Pfirsiche). Sie sind außen weich, riechen süß, sind eher klein und haben einen harten Kern. Die coconuts (Kokosnüsse) hingegen sind außen hart, wirken durch die äußere Schale sehr schroff, sind im Vergleich größer und innen nicht nur weich, sondern fließend (Kokosnussmilch). Die peaches (Briten) sind auf den ersten Blick in der Kommunikation leicht zugänglich, höflich, freundlich, aber an den inneren Kern kommt man nicht so recht heran. So greifen sie z. B. zügig zu der Bezeichnung ›Freund‹. Die coconuts (Deutschsprachige) hingegen sind im Vergleich zunächst schroff und verschlossen. Hat man die harte Schale aber erst mal geknackt, so hat man eine Verbindung fürs Leben gefunden. Man ist an tief gehenden, persönlichen Gesprächen interessiert. Deshalb fällt auch der Begriff ›Freund‹ erst viel später. Mit diesem Modell vor Augen fällt die Erkenntnis nicht schwer, dass sich Briten in der Kommunikation (peach style) mit Deutschsprachigen (coconut style) schnell unbehaglich fühlen können: Entweder ist ihnen ein Gespräch zu rude (schroff) oder zu intim und damit peinlich. Für Deutschsprachige ist eine Unterhaltung mit Briten hingegen oft zu weichgespült, unkonkret, wischiwaschi und nicht ernsthaft genug.


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Kommunikationstipps

Hier nun ein paar konkrete Kommunikationstipps, wie Sie im Umgang mit Briten den richtigen Ton treffen:

Möchten Sie einen Termin lieber etwas nach hinten verschieben, helfen die folgenden Formulierungen:
›I think Monday is a bit too optimistic. Tuesday is more like it.‹
›I can do Tuesday instead. How does that sound to you?‹
›I’ve been tied up with a computer course all week. Would this coming Monday be possible for you?‹

Ganz gleich, woran Sie jemanden erinnern müssen, ob an eine noch ausstehende Antwort, an einen Bericht, an eine fällige Geldzahlung, an einen Termin ‒ eine wunderbare Methode ist, Fragen zu stellen, statt direkte Aussagen zu treffen. Bieten Sie außerdem rein aus Höflichkeit Ihre Hilfe an:
›We’re looking forward to your visit tomorrow. Is there anything, you would like us to prepare for you?‹
›Only one week to go, so this is just to ask you, if everything is on track?‹
›HR need the report tomorrow. Do you think you can get it to them on time, or is there anything, I could do?‹
›I am not sure, but didn’t you want to get that document to me by Friday? If you need further details, please let me know.‹
›I just wanted to check, whether you have everything you need to provide the necessary information?‹

In Bezug auf Meinungsäußerungen erfreut sich die deutsche Direktheit im britischen Königreich leider keiner großen Beliebtheit. Und so sollten Sie Ihre Meinung besser nicht wie ein Fakt in den Raum stellen, sondern lieber abmildernd formulieren.
Statt ›I find, that …‹ oder ›My opinion is, that …‹ sagen Sie besser:
›Perhaps we should consider…‹
›Could I propose, that we …‹
›Could I suggest, that we take a devil’s advocate position and consider doing exactly the opposite?‹
Wie man im letzten Beispielsatz erkennen kann, suchen sich Briten z. B. auch gerne eine fiktive dritte Person (hier: des Teufels Advokat), die ihre Einwände vorbringt.

In puncto Kritik hält man sich ebenfalls entsprechend bedeckt. Vielmehr soll sich das Gegenüber behaglich fühlen, und deshalb nutzt man die eine oder andere ›Verpackung‹, um negatives Feedback zu übermitteln. Da es in Großbritannien verpönt ist, anderen die Schuld zuzuweisen, sucht man zudem oft rein rhetorisch bei sich selbst nach dem Fehler.
Typische Satzanfänge bei Kritikäußerungen sind:
›It’s probably me, …‹
›I might be wrong, …‹
›I see where you are coming from … ‹
›Good point. Have you also thought of …‹
›I might not be up to date …‹
›I can’t find the sales figures in your report.‹
›Is there any reason why … hasn’t been done?‹

Sie sollten aber auch möglichst häufig Ihre positive Meinung äußern. Wenn z. B. ein Meeting gut verlaufen ist, tun Sie dies zum Abschluss mit einem netten Satz kund:
›Well, I think our session was quite productive. What do you think, James?‹
›I certainly think my trip has been worthwhile. Do you feel we’ve left anything uncovered?‹

Generell wird in Großbritannien gerne und oft gelobt. Lob dient in jeder Lage als Motivation, und man bringt nur wenig Verständnis auf für den deutschen Spruch: ›Nichts gesagt ist Lob genug.‹

Autorin: Iris Engler – Iris Engler ist auf dem Entsendungsgebiet eine sehr erfahrende und gefragte Expertin. Die Vermittlung interkultureller Kompetenz ist dabei eines ihrer Fachgebiete. Auf Grund ihrer zahlreichen internationalen Reisen und langjährigen Aufenthalte in anderen Ländern, kennt sie die Kundenbedürfnisse ausgesprochen gut.


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