Angstgegner Araber im Business-Alltag

Die arabische Wirtschaftselite ist international bewandert. Verhandlungssprache ist Englisch, viele haben eine Business School im westlichen Ausland besucht. Bei einem ersten oder zweiten Geschäftsbesuch in einer der arabischen Metropolen mögen daher die Verhaltensweisen Ihrer neuen arabischen Geschäftspartner kaum anders erscheinen. Für die spätere Verhandlungsführung oder Projektzusammenarbeit birgt es im arabischen Raum jedoch große Vorteile, wenn man sich mit der dortigen Geschäftskultur näher beschäftigt hat. Ganz besonders wichtig ist dabei, sich kritisch mit seinem persönlichen Bild der arabischen Mentalität auseinanderzusetzen. Was wissen Sie über die arabische Welt, was davon lässt sich auf Geschäftsleute übertragen? Welche Informationen beruhen auf eigenen Erfahrungen und was auf Erzählungen anderer? Müssen Sie sich vielleicht eingestehen, dass Ihre Vorstellungen eher negativ geprägt sind?

Der Grund dafür sind oft lückenhafte Informationen, die sich zum Teil aus über lange Zeit selektiv aufgenommenen Medienberichten und Erzählungen anderer zusammensetzen. Zudem gelten Araber in vielerlei Hinsicht und bereits seit vielen Jahrhunderten als unsere Angstgegner. Im Geschäftsleben stehen sie in dem Ruf, maximale Forderungen zu stellen. Oft fällt dabei das Schlagwort Basarmentalität, das in Deutschland nicht unbedingt positiv besetzt ist. Denn hier möchte man nicht um alles feilschen müssen. Daneben wird Arabern oft unterstellt, nicht die Wahrheit zu sagen und unzuverlässig zu sein, was uns tugendhaften Deutschen besonders schnell aufstößt. Und last but not least entsteht der Eindruck, dass in der arabischen Welt alles ewig lange dauert, vor allem Pünktlichkeit scheint ein Fremdwort zu sein, was dem deutschen Effizienzdenken schnell einen Strich durch die Rechnung macht.

Betrachten wir diese allgemeinen Annahmen einmal vor dem Hintergrund der kulturellen Besonderheiten, erscheint vieles schnell in einem anderen Licht. Zwei kurze Fallbeispiele sollen dabei Hilfestellung leisten:


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Beispiel 1: Feilschen ist eine Form der beziehungsorientierten Kommunikation

In einer Verhandlung zwischen arabischen und deutschen Partnern wird heftig diskutiert. Plötzlich betritt der arabische CEO den Raum. Die arabische Seite schweigt, die deutsche beginnt, die soweit erzielten Ergebnisse zusammenzufassen. Doch der CEO unterbricht den deutschen Sprecher und berichtet von seinem letzten Besuch in Europa.

In arabischen Ländern redet man gerne und viel. Dabei wird häufig von einem Thema zum nächsten gewechselt. Oft wird lange hin und her diskutiert. Verhärten sich die Fronten, wechselt man auch mal zu privaten Themen über, um keinen Konflikt entstehen zu lassen. In vielen Fällen lösen sich Unstimmigkeiten so dann letztlich doch auf.

Im arabischen Raum steht die Beziehung zum Geschäftspartner vor der Sache selbst. Stimmt die Beziehungsebene, die vor allem durch Gespräche gestärkt werden kann, wird man sich letztlich auch auf der Sachebene einigen. Der arabische CEO hat die heftige Diskussion erkannt und durch Small Talk für eine angenehmere Atmosphäre gesorgt.

Eine stabile Beziehungsebene hält auch ein langes Feilschen aus. Schließlich wissen beide Seiten, dass man sich am Ende ohnehin einig werden wird. Das Feilschen ist Teil der arabischen Kommunikation, es gehört einfach zum guten Ton, sich lange verbal miteinander zu „beschäftigen“, um der angestrebten Sache auch eine gewisse Wertigkeit entgegenzubringen.

Wer das weiß und damit umgehen kann, reagiert in Verhandlungssituationen mit arabischen Partnern souverän. Dabei gilt es, stets gelassen zu bleiben und Vertrauen zu haben, dass sich am Ende alles fügen wird. Nehmen Sie Teil am arabischen Gesprächsrhythmus und versuchen Sie keinesfalls, die andere Seite dazu zu zwingen, nun endlich auf den Punkt zu kommen. Verlieren Sie nie den Beziehungsaspekt aus den Augen.

Beispiel 2: Kommunizieren statt Deadlines setzen

Ein deutscher Manager fragt seinen arabischen Mitarbeiter, ob er bis Ende des Monats eine Präsentation zu einer neuen Produktentwicklung erstellen kann. Er klärt ihn kurz über die notwendigen Inhalte auf. Ohne zu zögern sagt dieser zu. Als einige Wochen später eine Delegation aus Deutschland eintrifft, steht die Präsentation nicht wie erwartet zur Verfügung. Der deutsche Manager ist wütend, dass sein arabischer Mitarbeiter offensichtlich gar nichts vorbereitet hat. Dabei hat er ihm doch eine klare Anweisung erteilt. Hat der Mitarbeiter es vergessen oder nicht richtig zugehört?
Die Antwort liegt im arabischen Kommunikationsverhalten. Es fällt Arabern grundsätzlich schwer, zuzugeben, dass sie eine Frist nicht einhalten oder eine Aufgabe nicht bewältigen können. Konfliktvermeidung hat oberste Priorität, daher werden sie ihrem Vorgesetzten gegenüber nicht einfach „Nein“ sagen. Mit einem spontanen „Ja klar“ ist das Problem erst einmal vom Tisch. Die unangenehme Situation ist überstanden.

Der deutsche Manager hätte mehr kommunizieren müssen: So hätte er den arabischen Mitarbeiter besser über die Notwendigkeit der Präsentation zu einem bestimmten Datum informieren müssen. Dann hätte er rechtzeitig und mehrfach vor dem Termin den Stand der Dinge abfragen müssen, um dem Mitarbeiter ausreichend Gelegenheit zu geben, mögliche Schwierigkeiten anzudeuten oder Fragen zu stellen.

Es ist also weniger Unzuverlässigkeit oder Trödelei auf der arabischen Seite, wenn eine Sache zu einem bestimmten Termin nicht fertig ist. In der arabischen Kultur zählt ein festgelegter Zeitpunkt weniger als in Deutschland. Stattdessen bedarf es einer umfangreichen Kommunikation, um Wichtigkeit und Genauigkeit einer Sache zu flankieren.

Werden solche kulturelle Hürden in der deutsch-arabischen Kooperation und Kommunikation richtig wahrgenommen, wird sowohl von arabischer als auch von deutscher Seite wird immer wieder bestätigt, wie sehr man sich gegenseitig schätzt und wie verlässlich die Geschäftsbeziehungen fortdauern. Das negativ geprägte Arabienbild eines Einsteigers löst sich oftmals in Luft auf.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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