Als weibliche Führungskraft im Ausland

Laut der Studie „Managing Mobility 2012“ liegt die Quote der weiblichen Expatriates weltweit bei rund 13 Prozent . In Deutschland sind verschiedenen Schätzungen zufolge etwa zehn Prozent der Entsandtkräfte weiblich. Je nach Entsendungsland müssen weibliche Führungskräfte oder Experten teils ganz andere Hürden nehmen als ihre männlichen Counterparts. Meist hängen diese Herausforderungen mit dem kulturell geprägten Rollenverständnis des Gastlandes zusammen.

Eine Frau als Chef?

An erster Stelle steht vielerorts sicherlich die Frage, inwieweit die lokalen Mitarbeiter bereit sind, eine (ausländische) Frau als Führungskraft zu akzeptieren. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob man vor Ort generell an Frauen in Führungspositionen gewohnt ist oder nicht. Dabei wäre es jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass in südlichen und östlichen Schwellenländern mit einem traditionell klassischen Rollenverständnis weniger Frauen in den höheren Rängen der Geschäftswelt vorzufinden sind, und in demokratischen westlichen Industriestaaten deutlich mehr. So zeigt der International Business Report 2013 (IBR) der Grant Thornton Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, dass der Anteil an weiblichen Führungskräften global bei 24 Prozent liegt. Der Durchschnitt in der Asien-Pazifik-Region (ASEAN-Staaten) liegt jedoch bei 32 Prozent. Unangefochtener Spitzenreiter ist jedoch China. Dort werden rund 51 Prozent aller Leitungsfunktionen mit qualifizierten Frauen besetzt. Weitere Spitzenplätze belegen Polen (48 Prozent) und Lettland (43 Prozent). In Japan sind nur sieben Prozent der weiblichen Arbeitskräfte in Führungspositionen. Schlusslichter sind beispielsweise auch die Niederlande (elf Prozent) und die Schweiz (14 Prozent). Deutschland liegt mit einem Frauenanteil in Führungsetagen von 31 Prozent im oberen Mittelfeld. In den USA wird hingegen nur jeder fünfte Chefsessel von einer Frau besetzt.

Das lokale Rollenverständnis genau betrachten

Weibliche Expats sollten also differenziert hinterfragen, welchen Stand qualifizierte Frauen in der Geschäftskultur des anvisierten Gastlandes haben. Oft geben die Geschichte sowie die aktuelle Entwicklung des Landes bereits wichtige Hinweise darauf, wie Frauen in Wirtschaft und Politik betrachtet werden. Viele Länder befinden sich in einem Umbruch. Jüngere Frauen mit Hochschulabschluss streben in das mittlere Management und es besteht ein Generationenwechsel zwischen traditionellen, männlich dominierten versus modernen Unternehmen mit einer ausgewogenen Verteilung der Positionen. Religion und traditionelle Rollenmuster im privaten Bereich sind in einigen Ländern von der wirtschaftlichen Ebene unabhängig zu sehen. Natürlich geben auch die vorherrschenden Verhaltensweisen in einer Geschäftskultur Hinweise darauf, wie sich ausländische Frauen vor Ort am besten verhalten.

Sich beziehungsorientiert zeigen

In vielen beziehungsorientierten Geschäftskulturen steht das persönliche Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitern an vorderster Stelle. Treffen nun Fachkräfte in einem Land, in dem Frauen in leitender Position oder mit Expertenrolle eher die Ausnahme bilden, auf weibliche Expats mit Führungsaufgaben, tun sie sich mit dem Aufbau einer funktionierenden Beziehungsebene häufig schwer. In dieser Situation ist es häufig an den deutschen Frauen, zunächst Brücken zu bauen. Dabei kommt es darauf an, im Gespräch genügend von sich Preis zu geben, damit sich die persönliche Ebene stabilisiert. Gelingt dies nicht, wird sich die Arbeitsatmosphäre nur zögerlich weiterentwickeln.

Gesten, Mimik und Kleidung Beachtung schenken

Eine unterschiedliche Körpersprache kann in interkulturellen Arbeitsbeziehungen schnell zu gravierenden Missverständnissen führen. Zu viel Gestik, zu lautes Lachen oder Reden, selbst ein zu freundliches Lächeln kann einer Frau schnell angekreidet werden. Besonders zu erwähnen ist zudem das bei Deutschen beliebte Übereinanderschlagen der Beine, was in manchen Ländern für Frauen keine angemessene Sitzhaltung ist. Mancherorts ist ein zu direkter Blickkontakt zwischen Frauen und Männern verpönt. Auch mit einem kernigen Handschlag können Frauen irritieren. Keinesfalls sollten Fragen des Dresscodes unterschätzt werden, da ein falsches optisches Auftreten bei Frauen sehr viel stärker als bei Männern zu Fehleinschätzungen ihrer Person führt. Ein angepasster Kleidungsstil ist daher immer empfehlenswert.

Nettigkeiten

Präsentieren sich männliche Mitarbeiter oder Geschäftspartner im Gastland ständig als Kavaliere und Charmeure, haben deutsche Frauen häufig das Gefühl, in ihrer beruflichen Funktion nicht ernst genommen zu werden. Es kann hilfreich sein, sich in diesen Fällen einmal das Verhalten der berufstätigen Frauen vor Ort genauer anzuschauen. Denn vielerorts möchten diese im Geschäftsleben durchaus auch als Frau wahrgenommen und behandelt werden. Sie legen Wert darauf, dass ihnen die Tür aufgehalten wird, hin und wieder ein Kompliment fällt oder sie sogar Blumen erhalten. Was deutsche Frauen als Herabstufung empfinden, ist vielleicht Wertschätzung.

Verhandlungen mit lokalen Geschäftspartnern

In vielen Ländern mag es Geschäftsmänner geben, die Verhandlungen nicht mit weiblichen Unternehmensvertreterinnen führen möchten. Gelingt es dann nicht, eine zwischenmenschliche Ebene zu schaffen, die über diese innere Barriere hinweghilft, kann es der bessere Weg sein, sich als weibliche Führungskraft trotz der eigenen Befugnisse etwas zurückzunehmen und die Verhandlungen einem männlichen Mitarbeiter zu überlassen. Merken die Verhandlungspartner, dass dieser Mann Anweisungen erhält, verlagert sich oft das Gespräch nach und nach zurück zur weiblichen Führungskraft. Manche Dinge brauchen ihre Zeit.
Feuchtfröhliches After Work

In einigen Geschäftskulturen gehört ein lebhaftes After Work mit viel Alkohol einfach dazu. Frauen, die Alkohol gut vertragen, werden bei ihrem Team punkten, wenn sie munter mittrinken. Es wäre jedoch rufschädigend, durch den Alkoholgenuss an Haltung zu verlieren. Daher heißt es, immer den Absprung rechtzeitig zu schaffen.

Alles in allem scheint es für weibliche Führungskräfte in ausländischen Tochtergesellschaften – insbesondere in den zahlreichen beziehungsorientierten Kulturen mit traditionellem Rollenverständnis – immer erfolgversprechender zu sein, sich nicht in einem betont männlichen Auftreten zu versuchen. Vielmehr ist es empfehlenswert, sich authentisch weiblich zu zeigen, aber fachlich seinen Mann zu stehen. Dann entsteht der nötige Respekt, der Frauen im Ausland häufig zunächst verwehrt wird, meist wie von selbst.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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