Networking für die Geschäftsanbahnung in Frankreich

Lange bevor das Wort Netzwerk in Bezug auf die sozialen Medien in aller Munde war, waren les réseaux in Frankreich bereits tragend ‒ im gesellschaftlichen Geschehen, in der Wirtschaft und in Unternehmen. Man kann ihre Bedeutung bis zum Leben am französischen Hof zurückverfolgen, wo die persönlichen Netzwerke eine Kommunikation zwischen dem Machtzentrum und den entfernten Provinzen ermöglichten.

Menschen sind Informationsträger

Die Informationen und Entscheidungen wurden von Menschen ‒ den Vertretern der adligen Familien am Hof und in ihrer Herkunftsregion ‒ gefiltert, weitergetragen bzw. umgesetzt ‒ oder auch nicht. Wer wie schnell welche Information bekam, ihre Weiterleitung forderte oder verweigerte, war ‒ genauso wie heute auf dem globalen Marktplatz ‒ von sehr hoher Bedeutung. Menschen waren Informationsträger. Die Qualität ihres Netzwerkes garantierte die Weiterleitung. Nach der Französischen Revolution etablierte die junge laizistische Republik neue Netzwerke. Die katholische und adlige Opposition organisierte sich, zum Teil im Untergrund, in Verbünden. Vertrauen konnte man also nur denjenigen, die man wirklich gut kannte.

Selbstverständlich ist es heutzutage anders. Aber die sozialen Strukturen und die gesellschaftlichen Gewohnheiten sind geblieben: Über die Zugehörigkeit zu Netzwerken gestaltet sich der Zugang sowohl zu zentralen Machtinstanzen wie auch zu deren Gegenmächten (contre-pouvoir). Netzwerke stellen sowohl Alumni-Organisationen der Hochschulen, berufliche Interessensgruppierungen, die katholische Kirche, politische Parteien oder Organisationen, Clubs (Rotary, Lions etc.) wie auch Freimaurerlogen und viele andere mehr dar.

Andere Entwicklung in deutschsprachigen Ländern

Deutschland hat sich dagegen auf der Grundlage regionaler Strukturen entwickelt, die ihre Wurzeln in den Stammeskulturen haben. Die Schweiz hat ebenfalls eine sehr tief verwurzelte Regionalstruktur. Gruppen sind in diesen Ländern deshalb entweder regional oder auf der Basis ihres institutionellen Charakters wirksam.

Im zweiten Fall ist die Struktur wichtiger als die persönlichen Elemente. Verbünde, die wie die französischen Netzwerke aufgestellt sind, existieren hier ebenfalls. Sie werden aber allgemein eher als suspekt oder als Klüngelei, also mit einer negativen Bewertung betrachtet. Österreich hingegen blickt wie Frankreich auf eine kaiserlich-höfische und zentralistische Entwicklung zurück.

Persönliche Referenzen von hoher Bedeutung

Zurück nach Frankreich. Für eine konkrete Geschäftsanbahnung bedeutet dies alles, dass persönliche Referenzen von hoher Bedeutung sind. So wird der erste Kontakt mit potenziellen Partnern erfolgversprechender, wenn eine andere Person die Verbindung für Sie herstellt. Dann können Sie sagen: ›Frau / Herr X hat mir empfohlen, mich an Sie zu wenden, weil …‹

Ein Beispiel: Ein französischer Bildungsanbieter stellt am Ende eines internen Trainings den Teilnehmenden im Feedback-Bogen folgende Frage: ›Welche Ihrer Kollegen oder Freunde können wir kontaktieren, um unser Trainingsprogramm vorzustellen? Bitte geben Sie jeweils E-Mail-Adresse und Telefonnummer an!‹
Jenseits des Rheins und der Alpen wäre es inakzeptabel, Seminarteilnehmer in dieser Weise für Marketingzwecke zu ›missbrauchen‹. In Frankreich wird dies überhaupt nicht als problematisch empfunden. Jemanden in der Hoffnung auf eine Geschäftsanbahnung ohne irgendeine Referenz oder ohne ein persönliches Treffen einfach per Telefon oder E-Mail zu kontaktieren, ist dem Misserfolg versprochen ‒ es sei denn, man hat eine sehr außergewöhnliche Lösung anzubieten und weiß diese attraktiv zu kommunizieren.


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Ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen

Netzwerke gibt es überall in Frankreich, sowohl in loser und persönlich-privat geprägter Form wie auch sehr stark organisiert. Sie bieten Zugang zu Ressourcen und Informationen, strukturieren Beziehungen und Wissen. Manchmal sind sie nur einigen Eingeweihten vorbehalten und nahezu geheim, häufig aber sind sie offen und öffentlich. Sie können auf die Bedürfnisse einzelner oder das Wohl vieler abzielen.

Ein Netzwerk lebt und dient auf mittlere Sicht allen Mitgliedern, wenn ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen besteht. Wer das Netzwerk nicht nutzt, fällt aus dieser Dynamik heraus. Wie in einem Stromnetzwerk sollten alle Relais bzw. Knotenpunkte aktiv bleiben, damit die Energie fließt. In einem menschlichen Netzwerk sollte die Aktivität eines Teilnehmers immer in verschiedene Richtungen gehen, von einer Kontaktperson zur anderen. Je aktiver ein Netzwerkmitglied ist, desto zentraler wird seine Stellung.

Jeder Ihrer französischen Geschäftspartner hat viele Bezugspunkte in verschiedenen Netzwerken. Möchten Sie positive Informationen verbreiten und haben Sie Ihren Kontakt gut gepflegt, dann können Sie ihn darum bitten, als Multiplikator zu fungieren. Sollte aber im Kontakt mit einem französischen Unternehmen etwas schiefgelaufen sein, dann müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass es schwer sein wird, im entsprechenden Netzwerk wieder Fuß zu fassen.

Alumni-Organisationen der Grandes Écoles nutzen

Ein Beispiel für Netzwerke, die im französischen Geschäftsleben eine große Bedeutung haben können, sind die Alumni Organisationen der Grandes Écoles. Jede dieser Elite-Hochschulen führt ein genaues Verzeichnis ihrer Absolventen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine einfache Adressliste, sondern um ein strukturiertes Verzeichnis, das jährlich aktualisiert wird. Die Einträge sind sehr detailliert: Nicht nur Name und Arbeitsstelle sind enthalten, sondern auch die vollständigen beruflichen und privaten Kontaktdaten. Selbstverständlich werden alle Angaben freiwillig gegeben und nur die Absolventen einer Schule haben Zugriff.

Ein solches Absolventenverzeichnis erfüllt verschiedene Zwecke: von der Suche eines Praktikums bis hin zur ausgefeilten Kooperation zwischen Unternehmen oder der Unterstützung bei einer speziellen Aufgabe, für die sowohl im eigenen Unternehmen wie auch in anderen Organisationen bestimmte Personen hilfreich sein könnten. Da Absolventen der Grandes Écoles sowohl in der privaten Wirtschaft wie auch im gehobenen Staatsdienst Karriere machen, stärken die Alumni-Netzwerke den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Potenzieller Missbrauch wird durch die soziale Kontrolle reguliert, die Bestandteil eines menschlichen Netzwerkes ist. Die Person, die den Missbrauch betrieben hat, wird von den anderen ausgeschlossen.

Für Ihre Geschäftsbeziehungen nach Frankreich heißt dies, dass Sie z. B. herausfinden sollten, welche Grande École Ihr neuer Kontakt besucht hat und dann überprüfen, ob Sie bereits andere Personen kennen, die die gleiche Hochschule absolviert haben. Wenn ja, können Sie beiläufig fragen: ›Kennen Sie vielleicht Frau X, sie hat auch die Grande École XY besucht? Ihre Firma ist ein guter Kunde von uns!‹ Und schon sind Sie drin, zumindest im ›Vorraum‹ des Netzwerkes.
Kennen Sie privat Leute, die einer Alumni-Organisation angehören, sollten Sie dies nicht verschweigen, im Gegenteil. Die Vermischung von persönlichen und beruflichen Kontakten ist in Frankreich kein Tabu.

Autorin: Isabelle Demangeat – Die in Algerien geborene Isabelle Demangeat studierte Romanistik in Würzburg. Seit vielen Jahren gibt sie interkulturelles Training in den Bereichen Konfliktmanagement, Organisations- und Personalentwicklung spezialisiert auf Frankreich, Italien und Indien. Auch die Durchführung von virtuellen Trainings ist ein Schwerpunkt von ihr.


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