Die wichtigste Regel im Umgang mit tschechischen Geschäftspartnern lautet, sich zu jedem Zeitpunkt über den Stand der persönlichen Beziehungsebene im Klaren zu sein. Denn in der Tschechischen Republik beherrscht die Beziehungsebene die Sachebene. Ein gutes persönliches Verhältnis zu einem Geschäftspartner zählt immer weitaus mehr als das gemeinsame Projekt. Um eine stabile persönliche Beziehung aufzubauen, gilt es, viel Zeit in Small Talk und den gegenseitigen Austausch zu investieren. Dazu gehört, auch Privates und Persönliches von sich preiszugeben – und zwar von Anfang an. Erkundigungen Sie sich nach der Familie, nach Hobbies und nach privaten Interessen. Bringen Sie bei jeder Gelegenheit kleine Geschenke mit. Auch Kenntnisse in der Landessprache oder ein Wissen über die tschechische Kultur bringen Ihnen wichtige Pluspunkte ein.
Indirekte und höfliche Kommunikation
Gespräche mit Tschechen sind immer von Höflichkeit geprägt. Dazu gehört auch, sich eher indirekt auszudrücken, den Gesprächspartner nicht durch harsche Worte oder Kritik zu verstimmen. Verbale Auseinandersetzungen sollten Sie um jeden Preis vermeiden. Denn bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten lässt sich bei Tschechen die Sachebene kaum von der Beziehungsebene abkoppeln. Streiten Sie sich also mit Ihrem tschechischen Geschäftspartner über ein Projektdetail, treffen Sie ihn damit zwangsläufig auch persönlich.
Verhandlungen sind persönlich
Auch Rolle und Person lassen sich in der tschechischen Geschäftskultur kaum voneinander trennen. In einer Konfliktsituation gilt es daher, trotz allem für eine möglichst harmonische Atmosphäre zwischen allen Beteiligten zu sorgen, bevor sich Probleme direkt ansprechen oder Konflikte offen austragen lassen. Festgefahrene Verhandlungen können ebenfalls nur wieder in Schwung gebracht werden, wenn man mit viel persönlichem Austausch die Beziehungsebene hegt und pflegt, bevor man an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Es gilt, immer wieder die möglichen Vorteile für beide Seiten herauszustellen, um die positive Grundstimmung zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung aufrecht zu erhalten.
Beziehungsorientiert zusammenarbeiten
Ähnliches lässt sich auf die Projektzusammenarbeit anwenden. Während Deutsche ein Projekt auf einer sachlichen Grundlage entwickeln und bewerten, sind Kooperationen in Tschechien vor allem dann erfolgreich, wenn eine gute, langfristige Geschäftsbeziehung etabliert worden ist. Auch hier ist klar ersichtlich, welche Prioritäten gesetzt werden. Das gegenseitige Vertrauen wiegt weitaus mehr als blanke Zahlen. So muss die Zusammenarbeit persönlich gestaltet werden, um gemeinsame Erfolge zu verbuchen.
Polychrones Denken und Arbeiten
Wichtig zu wissen ist auch, dass Tschechen polychron denken. Sie erledigen ohne große Probleme mehrere Dinge zur gleichen Zeit. Das auf ihrem Zeitverständnis basierende Verhalten wird von Deutschen häufig als chaotisch interpretiert, weil sie es gewohnt sind, eine Sache nach der anderen abzuarbeiten. Für polychrone Kulturen wie Tschechien steht zudem im Vordergrund, möglichst viel Spielraum für Unvorhergesehenes zu haben. Der Blick richtet sich auf die Gegenwart , man plant nicht gerne in die Zukunft. Tschechen nehmen daher von zu detaillierten Projektplänen Abstand und empfinden ein Meeting auch dann als produktiv, wenn man ganz ohne Agenda über spontan aufkommende Themen spricht.
Dies liegt unter anderem daran, dass Tschechen in der Lage sind, vereinzelt in den Raum gestreute Informationen zu sammeln und nach und nach zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Deutsche, die eine stringente Arbeits- und Kommunikationsweise gewohnt sind, sind mit dieser Art der Informationsverteilung häufig völlig überfordert. Während sie das, was um sie herum passiert, als Chaos schimpfen, sind Tschechen damit beschäftigt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und alle Informationen zusammenzutragen, die sie für eine Sache benötigen. Sie haben im Gegensatz zu ihren deutschen Geschäftspartnern den „Durchblick“.
Tschechische Holschuld
Ein großer Unterschied im Denken besteht auch hinsichtlich der Frage, wer wen zu informieren hat. Deutsche gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass bei auftauchenden Schwierigkeiten alle Betroffenen auf dem Laufenden gehalten werden. Es besteht eine Bringschuld. In der tschechischen Geschäftskultur gilt das Prinzip der Holschuld, d.h. man ist für fehlende Informationen selbst verantwortlich. Bei einer Fristüberschreitung im Projektverlauf muss man sich also die entsprechenden Erklärungen beim tschechischen Partner oder Kollegen selbst abholen.
Flexibler Umgang mit Planung
Grund für Auseinandersetzungen in der gemeinsamen Arbeit zwischen Tschechen und Deutschen liefert auch das Thema Zeitplanung. Zwar kommt man auch in Tschechien zu geschäftlichen Terminen mehr oder weniger pünktlich. Langfristige Termine und Fristen werden aber prinzipiell eher als grober Rahmen betrachtet. Man ist bemüht, den vorgegebenen Zeitplan einzuhalten. Aber wenn die Umstände es erfordern – eine Bewertung, die im eigenen Ermessen liegt – wird ein Zeitrahmen nach Bedarf ausgedehnt. Die Dinge laufen eben wie sie laufen. Vom Geschäftspartner in Deutschland erwartet man Vertrauen, dass am Ende alles gut wird.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.
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