Kulturelle Unterschiede Kasachstan

Kasachstan, ein asiatischer Riese mit 2.725.000 Quadratkilometer Landesfläche, wird zu einem immer wichtigeren Wirtschaftspartner Deutschlands. Das hat einerseits mit dem Ressourcenreichtum des Landes und andererseits mit der auf zügige Modernisierung ausgerichteten Wirtschaftspolitik zu tun. Neben diesem modernen Erscheinungsbild findet man in diesem Land auch viele Lebensformen, die noch sehr in der Tradition verhaftet sind, sowie eine eigentümliche Mentalität. Für deutsche Unternehmen, die in Kasachstan erfolgreich arbeiten möchten, ist es wichtig das kasachische Geschäftsgebaren zu kennen, denn dieses unterscheidet sich erheblich von dem deutschen. Die interkulturelle Kompetenz spielt eine maßgebende Rolle beim Gelingen des geschäftlichen Kontaktes.

Vitamin B ist der Schlüssel

Kasachstan ist eine beziehungs- und personenorientierte Kultur, in der das „Wir“ viel mehr zählt als das „Ich“. So ist es nicht verwunderlich, dass es hier Sprichwörter wie dieses beliebt sind: “Der Ehevertrag (zwischen den Eltern) lebt tausend Jahre, während der Schwiegersohn nur hundert Jahre lebt“. Familiären und anderen Beziehungen wird eine enorme Rolle beigemessen. Kasachen pflegen das verzweigte Netz ihrer Verwandten nicht nur, die meisten wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen werden im Sinne des Familien- oder Freundesklans getroffen. Weiter im Leben kommt man nur, wenn man nützliche Verbindungen und Bekanntschaften hat.

Der wichtigste Schlüssel zu Ihrem Erfolg in Kasachstan ist somit der Beziehungsaufbau. Sie können davon ausgehen, dass Ihr Geschäft in diesem Land gelingt, wenn Sie es schaffen, eine tragfähige Beziehung zu Ihrem kasachischen Geschäftspartner herzustellen. Nur wie sollte man es anstellen, wenn man, in einer sachorientierten Kultur aufgewachsen, sich zu sehr daran gewöhnt hat, mit Fakten jonglierend, effizient und pragmatisch durch jede Verhandlung zu gehen?

Seien Sie ein guter Gast

Ein Gast oder Gastgeber zu sein, ist für einen Kasachen gleichermaßen eine Ehre. Denn ein Gast wird traditionell als eine Bereicherung, als ein Geschenk Gottes, betrachtet. Davon zeugt auch der übliche Satz „Kudaj konakpyn!“ (aus dem Kasachischen: Ich bin von Gott gesandt), mit dem ein Gast seine Gastgeber grüßt. Bei der kasachischen Landbevölkerung wird heutzutage immer noch zu Ehren des Besuches der beste Hammel geschlachtet. Der Gast bekommt dann die besten Hammelstücke und die Ehrenaufgabe, sie zu zerschneiden und an die Gastgeberfamilie zu verteilen – dem Status entsprechend.

Kommen Sie zu einer geschäftlichen Verhandlung, können Sie davon ausgehen, dass man Sie ebenfalls überschwänglich und warmherzig aufnimmt. Wenn das erste Eis gebrochen ist. Denn als Fremder gehören Sie eben noch nicht zu der Gruppe, zum Klan. Um diesen Anschluss sollten Sie sich unbedingt bemühen, falls Sie an einem langfristigen geschäftlichen Erfolg in Kasachstan interessiert sind.

So läuft die erste Begegnung üblicherweise sehr formell ab. Man grüßt sich mit einem leichten Kopfnicken oder mit Händeschütteln (das letztere nur bei Männern) und berücksichtigt dabei unbedingt die Hierarchie (zuerst den Vorgesetzten begrüßen). Kennt Ihr kasachischer Geschäftspartner Sie bereits, wird er Sie möglicherweise überschwänglicher und mit beiden Händen begrüßen.

Die höfliche Form der Anrede ist ähnlich wie im Russischen der Vor- und Vatersname. Dieser ist für die deutsche Zunge meist schwierig, und man sollte sich deshalb nach Möglichkeit im Voraus vorbereiten. Die andere Möglichkeit ist die Benutzung des Titels zusammen mit dem Nachnamen. In der Kennenlernphase sind Visitenkarten sehr wichtig. Sie sind wichtige Türöffner, werden jedoch mit wenig Ritual überreicht.

Zeit ist relativ

Sollten Sie in einem der Staus in Astana oder Almaty stecken geblieben sein und sich zu einem geschäftlichen Treffen verspäten, brauchen Sie sich keine extremen Sorgen zu machen. Pünktlichkeit wird in Kasachstan nicht streng genommen. Sollten Sie sich jedoch um mehr als 30 Minuten verspäten, rufen Sie an. Hier hat man das Gefühl, die Zeit ist dehnbar, relativ, und man hat grundsätzlich mehr davon. So haben beispielsweise Besprechungen zwar meist einen definierten Start, aber auch ein open end.

Die Zeit ist auch relativ, weil man sich in ihr weniger auf Ergebnisse, sondern vielmehr auf Prozesse konzentriert. Das bedeutet, bevor man überhaupt anfängt, die vom deutschen Verhandlungspartner vorbereiteten Agendapunkte abzuhaken, widmet man sich ausgiebig dem Kennenlernen auf der persönlichen Ebene. Man möchte zuerst den Menschen hinter der anzugartigen Rüstung kennenlernen, bevor man entscheidet, ob man ihn in seine Gruppe einlädt. Der kasachische Small Talk sieht hierbei viel mehr nach Big Talk aus, einfach weil es so viel mehr als in Deutschland üblich ins Persönliche geht.

Kasachische Geschäftsessen

Als eine vertrauensbildende Maßnahme, die viel Raum für private Gespräche (z.B. über das Land, Jagd, Pferde, Urlaub, Familie) bietet, werden unbedingt auch die Geschäftsessen gebraucht. Ihre kasachischen Geschäftspartner werden Sie in ein teures Restaurant einladen, und der Tisch darin wird übervoll sein mit Essen und Getränken. Der Gastgeber wird am Tischende sitzen und der Gast sowie die anderen Ältesten in seiner Nähe. Der Älteste oder ein Tamada (eine Art Moderator, der speziell engagiert wird) sorgt dafür, dass die Gäste gut unterhalten werden. Die Highlights des abendlichen Programms sind traditionell die Trinksprüche, die, wie Kasachen selbst meinen, noch blumiger und opulenter sind als bei Russen. Die Toasts werden sehr wichtig genommen, denn genau sie können helfen, das Eis zu brechen, Schwingungen und Stimmungen aufzufangen, die in der Luft liegen, oder einfach sich ganz persönlich zu zeigen – ohne Gefahr zu laufen, dass man lächerlich wirkt. Denn hier sind viele Mittel erlaubt: In einen Trinkspruch integriert man Anekdoten, Zitate der Philosophen, Geschichten aus dem Leben oder einfach emotionale, blumige Wendungen.

Spätestens in dieser Situation des Geschäftsessen werden Sie noch eine Eigenheit der Kasachen bemerken: Dass Nein sagen als unhöflich gilt. Sie werden feststellen, dass man Ihnen jedesmal noch mehr Essen auf den Teller legt, obwohl Sie nein gesagt haben. In diesem Fall sollten Sie einfach etwas Essen auf dem Teller liegen lassen und danken. Und vorher sollten Sie beim Essen geschmatzt und beim Teetrinken geschlürft haben, um zu zeigen, dass es Ihnen geschmeckt hat.

Nein zu Nein

Nein sagen ist unhöflich, grob und stört die Harmonie der Gruppe – diese Einstellung werden Sie in Kasachstan immer wieder in verschiedenen Kontexten treffen. Deshalb umgeht man die scharfkantige Verneinung mit Ausdrücken wie „möglicherweise“ oder „vielleicht später“. Achten Sie deshalb auf diese Schlüsselwörter.

Hinter der gestörten Harmonie befindet sich ein Konflikt, und diesen sieht man in Kasachstan als etwas Destruktives an. Aus diesem Grund sitzt man Konflikte gerne aus und weicht im Gespräch direkten, potenziell „gefährlichen“ Fragen aus. Stattdessen kommunizieren Kasachen gerne durch Kontext und indirekt. Hier hilft Ihnen nur Präsenz, aufmerksames Hinhören und gegebenenfalls Nachfragen. Ist das Vertrauensverhältnis jedoch aufgebaut, darf man in schwierigen Situationen mit Taktgefühl auch direkter und drängender werden, wobei man unbedingt auf das „Gesichtwahren“ des Gesprächspartners achten sollte.

Die Wege der Ältesten

Sie werden sich noch an den Ältesten oder den Gastgeber erinnern, der das Geschehen beim Geschäftsessen steuert. Dieser oder ein Vorgesetzter, der an einem in Kasachstan beliebten T-förmigen Tisch am oberen Ende sitzt, symbolisiert das kasachische Hierarchie-Denken. Autoritäten zu respektieren und den Eltern sowie den Älteren zu gehorchen, lehrt man hier schon sehr früh. So wird beispielsweise immer eines der Kinder später mit seiner Familie bei den eigenen Eltern wohnen bleiben und sich nach ihnen richten. Besonders in den ländlichen Gegenden Kasachstans ist es auch heutzutage noch üblich, dass junge Eltern ihren ersten Sohn zu den Eltern des Mannes zur Erziehung geben, sobald er abgestillt ist. “Wege der Ältesten“ ist beliebter Ausdruck, um zu erklären, warum die Dinge so gemacht werden und nicht anders – auch im geschäftlichen Kontext.

Berücksichtigen Sie die Hierarchie, beispielsweise in Ihrem Begrüßungsritual oder bei der Auswahl eines Geschenkes, zeigen Sie, dass Sie die Kultur des Landes und seiner Menschen hoch achten. Diese Hochachtung, das echte Interesse zusammen mit der Bereitschaft, sich auf die Begegnung mit einer anderen Kultur vorzubereiten, sind die Merkmale eines guten Gastes und die besten Voraussetzungen überhaupt für Ihren Erfolg in Kasachstan.

Autorin: Nadeschda Lazko

Logo cross culture academy - Experten für Entsendungen

Wir freuen uns auf Sie!

Fragen Sie jetzt bei unseren interkulturellen Experten an:
• Interkulturelle Trainings
• Interkulturelle E-Learning-Kurse
• Global Mobility Plattform
• …

Thema anfragen
+49 (0)711 722 468 44 Fallstudien
Cookie Consent mit Real Cookie Banner