Deutsche sollten in beginnende Geschäftsbeziehungen mit Bulgaren vor allem Zeit investieren, so dass sich die überaus wichtige persönliche Beziehung stetig entwickeln kann. Dazu gehören neben geschäftlichen Meetings auch ausgiebige Geschäftsessen, Cocktailpartys und manchmal sogar die Teilnahme an Familientreffen, bei denen vor allem über private Themen gesprochen wird. Denn oberste Priorität hat in Bulgarien die Qualität des persönlichen Kontaktes zwischen den beteiligten Geschäftspartnern. Auch wenn Deutsche in Bulgarien als zuverlässig und korrekt gelten, möchte man sich von ihren ehrlichen Absichten und dem entgegengebrachten Interesse einer gemeinsamen langfristigen Geschäftsbeziehung erst einmal überzeugen. Schließlich geht es auch darum, die neuen Geschäftspartner in das eigene Netzwerk enger persönlicher Kontakte aufzunehmen. Denn ohne gute Verbindungen läuft in der bulgarischen Geschäftswelt nur wenig.
Kulturelle Unterschiede in der Kommunikation
Prinzipiell verläuft die Kommunikation in Bulgarien eher indirekt. Es werden Andeutungen und Anspielungen gemacht, die der Zuhörende selbst zu einer Gesamtinformation zusammenfügen muss. Es gilt daher, immer gut zuzuhören und auch einmal zwischen den Zeilen zu lesen. Generell ist die bulgarische Sprache sehr bildhaft, was sich auch in den englischen oder deutschen Übersetzungen widerspiegelt. Deutsche nehmen diese „blumigen“ Darstellungen häufig nicht ganz ernst bzw. haben Schwierigkeiten, die darin enthaltene Sachinformation korrekt herauszufiltern. Genauso müssen Deutsche sich darüber bewusst sein, dass ihre bulgarischen Gesprächspartner auch in ihren Aussagen häufig mehr vermuten als beabsichtigt.
Besonders zu erwähnen ist, dass in Bulgarien ein Kopfschütteln Zustimmung, also „Ja“, bedeutet! Zweimaliges Nicken meint hingegen „Nein“! Noch mehr Missverständnisse zwischen Bulgaren und Deutschen können entstehen, wenn sich einer oder beide Gesprächspartner bereits an die jeweils gegensätzliche Gestik angepasst haben! Ansonsten ist die Gestik der Bulgaren lebhaft. Insbesondere in Diskussionen fällt Deutschen auf, dass die anfangs so ruhigen Bulgaren plötzlich auch laut und temperamentvoll werden können.
Kritik sollte in Gesprächen mit Bulgaren nur sehr vorsichtig geübt werden. Überhaupt sind Bulgaren sehr trainiert darin, Konfrontationen einfach zu vermeiden. Wenn eine Frage oder eine Aussage übergangen wird, kann man sich sicher sein, dass sie dieses Thema einfach nicht weiter vertiefen möchten. Generell werden Bulgaren ihrem Gegenüber jedoch auf Vorschläge oder auch Präsentationen immer Feedback geben, welches jedoch nicht unbedingt die vollständige Meinung widerspiegelt. Vieles wird einfach aus reinem Harmoniebestreben zurückgehalten. Erst wenn die persönliche Beziehung zwischen den Geschäftspartnern absolut tragfähig ist, werden sie ihre Meinung offen kundtun. Bis dahin müssen sich deutsche Manager damit abfinden, dass in Bulgarien häufig alles „kein Problem“ ist, obwohl Probleme spürbar oder sogar sichtbar sind.
Meetings und Verhandlungen
Da Bulgaren Konflikten eher aus dem Weg gehen, legen sie in Verhandlungen eine hohe Kompromissfähigkeit an den Tag. Sie behalten auf eine sehr faire und konstruktive Art die Interessen beider Seiten im Auge, so dass ein solides Verhandlungsergebnis erreicht werden kann. Generell benötigen Verhandlungen mit Bulgaren viel Zeit. Progress ist jedoch stetig spürbar. Man kommt langsam, aber sicher zum Ziel.
Größte Quelle für Missverständnisse sind indirekt ausgesprochene Forderungen, die die deutsche Seite häufig einfach nicht versteht. Statt dann in deutscher Marnier einfach klarer und direkter auf den Punkt zuzusteuern, ziehen Bulgaren es vor, eine weitere Verhandlungsschleife zu ziehen, bis sie ihre Forderungen schließlich geschickt zurück auf den Verhandlungstisch gebracht haben. „Warum denn nicht gleich so“, mag da der deutschen Seite leicht entgleiten. Aus bulgarischer Sicht war diese Extrarunde jedoch nur nötig, weil die Deutschen ihre gestellten Forderungen einfach ignoriert haben.
Darüber hinaus sind Bulgaren wahre Multitasking-Talente. In gemeinsamen Meetings und Verhandlungen ist es daher ganz normal, dass sie mehrere Sachen gleichzeitig erledigen. Unterbrechungen stehen an der Tagesordnung, es werden zwischendurch Telefonate geführt und E-Mails versendet. Dadurch können Meetings schnell einmal länger als geplant dauern. Deutsche dürfen dieses Verhalten nicht als Respektlosigkeit oder Unhöflichkeit werten, sondern sollten einfach anerkennen, dass ihre bulgarischen Verhandlungspartner eben polychronistisch mehrere Dinge gleichzeitig handeln.
Hierarchien in bulgarischen Unternehmen
Auch wenn immer mehr Verantwortung an gut ausgebildete Teams übertragen wird, liegt die Entscheidungsmacht in den generell stark hierarchisierten bulgarischen Unternehmen nach wie vor meist immer noch beim Firmeninhaber. Fachexperten werden von der Geschäftsleitung – wenn auch sehr ausgiebig – nur zur Beratung herangezogen, aber in die Entscheidungsfindung eher selten mit einbezogen. In Verhandlungen und in der binationalen Projektarbeit müssen deutsche Manager daher stets darauf achten, dass sie mit den richtigen Ansprechpartnern kommunizieren. Umgekehrt ist es eine Frage der Höflichkeit, bulgarische Top-Managern nur mit deutschen Managern der gleichen Ebene zusammenzubringen.
Der Zeitfaktor in der gemeinsamen Projektarbeit
Fristen und Termine, die in weiter Ferne liegen, werden von den ruhigen und besonnenen Bulgaren selten wahrgenommen. „Warum soll man sich im Mai schon ins Zeug legen, wenn erst im Dezember geliefert werden soll? Bis dahin kann noch so viel geschehen.“ Die von den Deutschen erarbeiteten genauen Zeitpläne, die häufig sogar noch einen Plan B bei aufkommenden Schwierigkeiten umfassen, sind für Bulgaren nicht selten ein Buch mit sieben Siegeln. Dafür sind sie Meister im Improvisieren. Wenn eine Sache schnell fertig werden muss, werden alle verfügbaren Ressourcen in- und außerhalb des Unternehmens mobilisiert. Mit kreativen Mitteln wird ein Projekt dann ohne Kompromisse in der gewünschten Zeit fertig gestellt. Sehr zur Überraschung und Zufriedenheit der Deutschen, die sich von Mai bis November große Sorgen gemacht haben.
Deutsche sind in Bulgarien also gut beraten, lieber viele Zwischenziele zu setzen, als einen allumfassenden Zeitplan aufzusetzen. Außerdem tun sie gut daran, auf das Know-how ihrer bulgarischen Partner zu vertrauen anstatt zu versuchen, sie mit Fristen zu kontrollieren. Denn wichtiger als jeder Plan ist die persönliche Beziehungsebene. Daher bringt eine regelmäßige freundliche Kommunikation ein deutsch-bulgarisches Projekt immer noch am schnellsten ans Ziel.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.
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