Meetings und Präsentationen in Bulgarien

Nach Richard D. Lewis (When Cultures Collide, Leading Across Cultures, 2010) gehören Bulgaren zu den dialogorientierten Kulturen. Sie beziehen ihre Informationen aus der Kommunikation mit anderen Menschen. Neben den üblichen Quellen, wie Radio, Fernsehen, Internet und Druckmedien, nutzen sie auch ihr breites Netzwerk, bestehend aus Kollegen, Freunden, Verwandten und Bekannten. Auf diese Weise sammeln sie ein großes Volumen an Daten und das sehr schnell.

Im Geschäftsleben bedeutet dies, dass Informationen eher den inoffiziellen Weg gehen. Dies spiegelt sich auch im Verhalten der Bulgaren in Meetings wider.

Agenda? Es geht auch ohne!

Dialogorientierte Menschen brauchen keine Agenda. Besprechungen in bulgarischen Unternehmen werden daher selten mit einer Tagesordnung vorbereitet und noch seltener verlaufen sie danach.

Bulgaren sprechen viel durcheinander, ihre Aussagen sind impulsiv und spontan. Nach bulgarischer Ansicht ergeben sich viele Themen erst im Gespräch, geführte Diskussionen machen nachfolgende Punkte oft überflüssig. Bulgaren erfahren außerdem so manche Neuigkeiten lange bevor sie über den üblichen Dienstweg an sie übermittelt werden. Ergo haben sie unter Umständen darauf auch schon reagiert und entsprechende Aktionen in die Wege geleitet, was in der Folge weitere Gespräche unnötig macht.

Agendapunkte, sofern vorhanden, werden in zufälliger Reihenfolge bearbeitet, man kommt immer wieder auf bereits besprochene Themen zurück oder greift vor, was für Deutsche dem Sinn einer Agenda eher widerspricht. Sie sind an eine strukturierte Vorbereitung und Durchführung von Meetings gewohnt und können durch das unsystematische Vorgehen der Bulgaren schnell durcheinandergebracht werden. Es verlangt von Ungeübten eine hohe Konzentrationsfähigkeit und ein Umdenken, um den Themen genau zu folgen.

Gehen Sie gegebenenfalls mit mehreren Kollegen ins Meeting rein, machen Sie sich Notizen und fassen Sie in den Pausen die Informationen zusammen. Eine andere Möglichkeit wäre, einen Protokollführer zu bestimmen, der ein wörtliches oder ein Verlaufsprotokoll für Sie aufnimmt.

Das Beharren auf eine strikte Einhaltung der Agenda kann von bulgarischen Gesprächspartnern als Inflexibilität gedeutet werden. Stattdessen sollten sich beide Seiten abstimmen und sich auf bestimmte Regeln einigen. Das gilt übrigens für alle interkulturellen Begegnungen: Sprechen Sie darüber und vereinbaren Sie eine gemeinsame Vorgehensweise.

Einstieg ins Meeting

Bulgaren beginnen Meetings mit einer längeren Einleitung. Bei unbekannten Teilnehmern dient diese Phase dem gegenseitigen Kennenlernen und dem so wichtigen Vertrauensaufbau. So wird die Basis für die geschäftliche Beziehung geschaffen. Wenn man sich hingegen bereits kennt, wird die Einführung zur Kontaktpflege genutzt. Man tauscht Informationen über die Familie und gemeinsame Bekannte aus. Lustige Geschichten und Witze schaffen eine vertrauensvolle Atmosphäre. Auch die jüngsten Fußballergebnisse und die aktuellen politischen Ereignisse werden fachmännisch kommentiert. Jeder Bulgare ist ein ›Profi‹, was Fußball und Politik betrifft. Die lange Einführungsphase bietet aber auch einen Zeitpuffer für die unpünktlichen Teilnehmer. Nachdem die menschlichen Beziehungen aufgebaut oder gepflegt worden sind, gehen die Bulgaren zum Geschäftlichen über.

Multitasking im Meeting

Allerdings werden Meetings oft unterbrochen. Bulgaren schalten ihre Mobiltelefone fast nie aus. Als Multitasking-Künstler sind sie in der Lage, während einer Besprechung zu telefonieren und SMS oder E-Mails zu verschicken. Die Sekretärin und Kollegen kommen mit Themen in den Besprechungsraum hinein, die ›dringend‹ erledigt werden müssen. Durch das Multitasking werden mehrere Sachen gleichzeitig erledigt und man ist produktiver ‒ so denken die Bulgaren. Für sie ist die parallele Erledigung anderer Tätigkeiten kein Ausdruck von Respektlosigkeit gegenüber den Gesprächspartnern und darf so auch nicht von Ihnen gedeutet werden. Bitten Sie gegebenenfalls die Teilnehmer am Anfang der Besprechung, ihre Mobiltelefone auszuschalten. Organisieren Sie Termine außerhalb der Firma. Dadurch reduzieren Sie die potenziellen Störfaktoren.


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Leidenschaftliche Diskussionen

Bei Streitfragen können Bulgaren auch einmal laut werden und ihre These leidenschaftlich verteidigen, untermauert mit lebendiger Gestik. Dieses Verhalten ist für sie im Geschäftsleben durchaus legitim und sollte nicht als unprofessionell betrachtet werden. Positive Gefühle, wie Freude und Zufriedenheit, werden in Meetings ebenfalls offen ausgelebt. Es wirkt sympathisch, wenn Sie Ihr sachliches Auftreten etwas lockern und ebenfalls ein paar Emotionen zeigen können.

Protokolle in abgespeckter Form

Die Ergebnisse einer Besprechung werden selten in Protokollen zusammengefasst. Bulgaren verlassen sich auf das gegebene Wort. Und wie schon erwähnt, sprechen sie lieber, als dass sie schreiben. Schicken Sie Ihren bulgarischen Geschäftspartnern deshalb eine abgespeckte Fassung der im deutschsprachigen Raum üblichen Niederschrift.
Unterschiedliche Zuhörgewohnheiten

Die deutschsprechenden Nationen gehören zu den besten Zuhörern der Welt. Zum größten Teil liegt dies an der deutschen Grammatik: Die Endsatzstruktur kann nur verstanden werden, wenn man das Verb am Ende gehört hat. Aufmerksames Zuhören ist unabdingbar. Zusammengesetzte Wörter und mehrere ineinander verflochtene Nebensätze ermöglichen und verleiten zudem zu einer komplizierten Darstellung auch einfacher Sachverhalte. Dadurch beweist der Sprecher seine Fachkompetenz. Die Verwendung von Kalkulationen, Diagrammen, Tabellen und Grafiken demonstriert im deutschen Sprachraum das Know-how des Fachmanns.

Bulgaren sind dagegen keine guten Zuhörer und fühlen sich von zu vielen Daten und Fakten schnell erschlagen. Ihre Aufmerksamkeitsspanne beträgt weniger als eine Stunde. Daher sind sie keine Anhänger von langen Meetings. Planen Sie ausreichende Pausen ein. Ein gemeinsames Essen im Anschluss bietet eine gute Möglichkeit, um umfangreichere Sachverhalte zu besprechen.

Vom Konferenzraum ins Restaurant

Bedingt durch die bulgarischen Sitten dauern Geschäftsessen mehrere Stunden. Hören Sie also weiterhin aufmerksam zu, der geschäftliche Teil des Meetings ist im Restaurant nicht zu Ende! Oft werden in solch einer ungezwungenen Atmosphäre wichtige Entscheidungen getroffen. Für Bulgaren gibt es keinen Feierabend. Sie sind immer im Dienst, da das persönliche und das berufliche Leben miteinander verschmelzen.

Präsentationen, die Emotionen wecken

Wenn Sie in Bulgarien unterwegs sind, werden Sie mit Bildern und Farben überschüttet. Billboards an jeder Ecke werben für Produkte und Personen, die Schaufenster der Geschäfte sind mit bunten Plakaten geschmückt. Bulgaren denken in Bildern. Die bulgarische Sprache ist eine blumige Sprache.

Bulgaren sind leidenschaftlich und zeigen ihre Gefühle ohne Hemmungen. Sie erwarten daher von einer Präsentation, dass sie Emotionen weckt. Eine sehr sachliche Vorstellung, belegt mit Zahlen und Fakten, kann trocken rüberkommen und wirkungslos verpuffen. Bulgaren wollen unterhalten werden.

Menschen stehen im Vordergrund

In Firmenpräsentationen sollten die Menschen im Vordergrund stehen. Wenn Sie ein Familienbetrieb sind, erzählen Sie Ihre Geschichte. Mit einer Prise Humor können Sie Ihre Darbietung auflockern und einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Bringen Sie die Vorteile und Leistungen Ihrer Firma ruhig in Superlativen hervor. Betonen sie Ihre Position am Markt oder gar als Weltmarktführer, wenn Sie einer sind. Bulgaren wollen mit den Besten zusammenarbeiten. Im bulgarischen Fernsehen werden Produkte oft mit Slogans, wie ›Die Nummer 1 in Deutschland‹, beworben. Westliche Provenienz garantiert gute Qualität.

Mehr Bilder als Zahlen

Bulgarische Präsentationen werden nicht so aufwendig vorbereitet, wie Sie es gewöhnt sind. Wird PowerPoint benutzt, werden vorwiegend Bilder gezeigt und nur wenige Zahlen und Statistiken. Trends und Entwicklungsdiagramme kommen selten vor. Eine solche Vorstellung kann für Geschäftsleute aus dem deutschen Sprachraum schnell unprofessionell und unseriös wirken.

Urteilen Sie bitte nicht nach westlichen Maßstäben. Es ist möglich, dass auf bulgarischer Seite die Erfahrung in solchen Dingen fehlt. Andererseits, wie schon erwähnt, stehen für die Bulgaren die Menschen im Vordergrund. Wenn sich die Partner gut verstehen und sympathisch finden, sind das Produkt und damit auch die Produktpräsentation zweitrangig. Geschäfte werden mit Menschen gemacht.

Für deutschsprachige Manager ist es häufig schwierig, aus einer bulgarischen Präsentation die notwendigen Sachinformationen herauszufiltern. Das Sammeln von Daten kann eine richtige Herausforderung darstellen. Bereiten Sie eine Liste vor und fragen Sie diese während der Besprechung ab oder schicken Sie sie im Nachhinein an Ihre bulgarischen Geschäftspartner. Man wird sich bemühen, Ihre Fragen zu beantworten.

Autorin: Eugeniya Weber: Diplom-Ökonomin Eugeniya Weber ist in Bulgarien geboren und aufgewachsen. Nicht nur die enge Beziehung zu ihrem Heimatland macht sie zu einer ausgezeichneten Trainerin. Ihre Seminare bietet Eugeniya Weber in drei verschiedenen Sprachen an: Deutsch, Bulgarisch und Englisch. Sie unterstützt ihre Kunden mit verschiedensten systemischen Coaching-Methoden.

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