Interkulturell kompetent kommunizieren

Auf Grund im persönlichen regionalen Umfeld erworbenen Annahmen und Vorstellungen kann es bei Begegnungen von Menschen aus zwei Kulturkreisen leicht zu Verständnisschwierigkeiten kommen. Mit Hilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Bereich der interkulturellen Kommunikation sollen Menschen lernen, sich über diese möglichen Unterschiede bewusst zu werden. Von Bedeutung ist dabei, dass es zur menschlichen Natur gehört, Stereotypen zu bilden und dem Fremden mit Vorurteilen zu begegnen. Ein Großteil der Bilder über andere Kulturen, die in den Köpfen vieler Menschen vorherrschen, wurde über die Medien oder durch Berichte anderer erworben. Begegnet man nun einer Person aus einem bestimmten Kulturkreis, so wird diese zunächst zum Träger all der Eigenschaften, die wir dieser Kultur zuordnen. Dabei setzen wir unsere eigene Kultur als Maßstab an. Trotz größter Bemühungen werden wir alle nie völlig vorurteilsfrei durchs Leben gehen können. Gerade über diese Tatsache sollte sich jeder immer im Klaren sein und aktiv versuchen, die hartnäckig bestehenden Bilder im Kopf beiseite zu schieben.

Dimensionen einer Landeskultur

Nachfolgend werden in Anlehnung an Gerhard Maletzkes Standardwerk „Interkulturelle Kommunikation“ acht Merkmale beschrieben, anhand derer sich Landeskulturen voneinander unterscheiden können. So weiß man, welchen Dingen man bei einer interkulturellen Begegnung besondere Beachtung schenken sollte. Dabei geht es nicht darum, bestimmte Verhaltensregeln zu erlernen, sondern lediglich die Aufmerksamkeit für die möglichen Unterschiede zu schulen.

Wahrnehmung:

Menschen nehmen nur einen engen Ausschnitt der Wirklichkeit wahr, der ihrer eigenen Interpretation unterliegt. Die Wahrnehmung kann also von Kultur zu Kultur – aber auch von Mensch zu Mensch – stark variieren. Eskimos kennen beispielsweise hunderte verschiedener Worte für Schnee, denn sie unterscheiden diverse Beschaffenheiten und Farbschattierungen. Die Bewohner Mikronesiens hingegen haben die Fähigkeit, minimale Veränderungen der Wasseroberfläche zu erkennen, so dass sie sich ohne nautische Hilfsmittel zwischen 5.000 Inseln zurechtfinden.

Zeiterleben:

In den einzelnen Kulturen herrschen unterschiedliche Zeitkonzepte. So gibt es beispielsweise Kulturkreise, in denen das Vergangene eine besondere Rolle einnimmt, was beispielsweise durch die Ahnenverehrung zum Ausdruck kommt. Am deutlichsten fällt die Unterscheidung zwischen monochronistischen und polychronistischen Kulturen ins Gewicht. Im Monochronismus ist Zeit linear und wird in gleich große Abschnitte geteilt. Die Menschen machen eine Sache nach der anderen und ihr Tagesablauf wird meist von der Uhr bestimmt. Im Polychronismus hingegen wird die Zeit als zirkulär angesehen. Hier steht die Person im Vordergrund, die oft mehrere Sachen gleichzeitig macht und die Zeit dem Tun unterordnet. Der Glaube an Wiedergeburt beruht beispielsweise auf dem Verständnis, dass die Zeit und das Leben einen Kreislauf bilden. Alles kehrt wieder.

Raumerleben:

Wie Menschen einen Raum wahrnehmen, ist ebenfalls ein kulturspezifisches Merkmal. Bestes Beispiel ist die Empfindung der sozialen Distanz. Stehen sich zwei Gesprächspartner gegenüber, empfinden sie den Abstand zueinander je nach Gewohnheit anders. Während in Deutschland in der Regel eine Armlänge als angenehm empfunden wird, ist dieser Abstand in Südamerika oder im arabischen Raum deutlich geringer. Rückt nun beispielsweise der brasilianische Gesprächspartner dem Deutschen immer näher „auf die Pelle“, kann sich dieser sehr schnell unwohl fühlen. Interessant ist auch die Orientierungsfähigkeit in einer Großstadt. Im Westen dominiert das digitale Prinzip, d.h. man löst die Umgebung in Eindimensionalität auf. Der Raum wird in Straßennamen und Hausnummern geteilt, die auf einem Stadtplan durch Linien dargestellt werden. In Japan beispielsweise wird eine Stadt in diverse Subräume unterteilt. Es gibt Bezirke, Unterbezirke und viele weitere kleine räumliche Einheiten. Die Häuser innerhalb der kleinsten Raumeinheit werden in der Reihenfolge ihrer Entstehung nummeriert. Als Adresse erhält man nur eine Kombination von Bezirksnummern. Ein gut funktionierendes System, in dem sich allerdings westliche Ausländer nur schwer zurechtfinden.

Sprachliche Verständigung:

Nicht nur zwischen Menschen mit unterschiedlicher Muttersprache entstehen kommunikative Missverständnisse, wie uns Schulz von Thun in seinem kommunikationswissenschaftlichen Klassiker „Miteinander reden“ dargelegt hat. Leider zu oft stimmen das Gemeinte und das Verstandene trotz gleicher Sprache nicht miteinander überein. Denn der Empfänger entschlüsselt eine Botschaft nach seinen eigenen Maßstäben. Bei einer interkulturellen Begegnung kommt nun erschwerend hinzu, dass viele der im Gespräch verwendeten Begriffe oder Symbole nicht von beiden Seiten identisch definiert werden. Ein Beispiel wäre das bei uns negativ besetzte Wort „Schatten“. In Deutschland sprechen wir von „überschatteten Ereignissen“ , „den Schattenseiten des Lebens“ oder einfach nur einem „dunklen Schatten“. In heißen tropischen Ländern wie Indonesien ist Schatten jedoch etwas Wunderbares und Wohltuendes. Daher wird das Wort im Sprachgebrauch auch mit einem positiven Symbolgehalt verwendet.

Nonverbale Kommunikation:

Gesten, Mimik und Blickkontakte können je nach kulturellem Umfeld eine gegensätzliche Bedeutung haben. Während wir beispielsweise einen direkten Blickkontakt mit Offenheit und Sympathie gleichsetzen, würde dieser in vielen anderen Ländern als Affront angesehen. Auch Gesten haben keine universale Gültigkeit. Bildet man beispielsweise mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis, heißt das in Deutschland „super, alles o.k.“, in Japan „Geld“ und in Australien kommt dieses Zeichen einer sehr groben Beleidigung gleich. Also Vorsicht!

Auch die paralinguistischen Aspekte gehören in den Bereich der nonverbalen Kommunikation. Intonation, Expressivität und Lautstärke sind in jeder Sprache anders. Folglich kann das, was in einem Gespräch mitschwingt, immer anders interpretiert werden. Ähnliches gilt für den Sprachstil. In der westlichen Welt wird ein klarer, eher rationaler Sprachstil verwendet, während in vielen asiatischen oder arabischen Ländern ein indirekter, oft auch blumiger Sprachstil, vorherrscht. Auch das gegenseitige Ablösen der Sprecher in einem Dialog kann sehr unterschiedlich ausfallen. Während es in Südeuropa normal ist, seinem Gesprächspartner ins Wort zu fallen und noch ein Stück weit parallel zu reden, werden in Kulturen mit einer zurückhaltenderen Mentalität sogar kleine Höflichkeitspausen eingelegt, ehe der nächste zu reden beginnt.

Wertorientierungen:

Durch die Sozialisierung in ihrem kulturellen Umfeld nehmen Menschen eine bestimmte Wertorientierung an. Jede Kultur hält andere Dinge für besonders erstrebenswert und bestimmt so, welches Wertesystem eingehalten wird oder auch welche Rolle Statusunterschiede spielen. Vorschriften und Regeln lassen sich beispielsweise frei oder auch sehr pragmatisch auslegen. Ein sehr korrekter und strenger Vorgesetzter kann je nach kulturellem Blickwinkel als arbeitsam und führungsstark oder als übereifrig und herzlos erscheinen.

Verhaltensmuster:

Kulturspezifische Verhaltenmuster umfassen Sitten, Normen, Bräuche und Rollen, die im jeweiligen Kontext zu betrachten sind. Missverständnisse kommen dann auf, wenn man seine eigenen Verhaltensmuster in einer fremden Umgebung durchzusetzen versucht. Auch wenn man sich über eine typische Verhaltensart der lokalen Bevölkerung wundern mag, man selbst dürfte in den Augen der anderen mindestens genauso merkwürdig erscheinen…

Soziale Beziehungen:

In vielen Ländern sind soziale Hierarchien von unumgänglicher Wichtigkeit. Dies wirkt sich auch auf die Gestaltung geschäftlicher Beziehungen aus. Während Deutsche oder Amerikaner bei Geschäftsverhandlungen eher abschlussorientiert vorgehen, d.h. nach einem kurzen Small Talk „zur Sache kommen“ wollen, muss man in einigen asiatischen Ländern sehr viel Zeit mitbringen. Denn hier wird zuerst eine persönliche freundschaftliche Beziehung zum neuen Geschäftspartner aufgebaut, ehe man sich der eigentlichen Sache zuwendet.

High- und Low-Context-Kulturen

Im Hinblick auf das Kommunikationsverhalten und die Bedeutung der sozialen Beziehungen unterscheidet der interkulturelle Forscher E.T. Hall zwischen High- und Low-Context-Cultures. In High-Context-Kulturen stehen alle Kommunikationskanäle offen, da auch die indirekte Kommunikation wesentlich zum Informationsfluss beiträgt. Auf das Geschäftsleben bezogen, spielen zudem gemeinsame Kontakte und ein ähnlicher sozialer Status eine bedeutende Rolle. In Low-Context-Kulturen dominiert die direkte Kommunikation durch klare Worte. Alle Informationen müssen ausgesprochen werden. Die Sache steht immer im Vordergrund, folglich kann man auch mit Unbekannten, also ohne soziale Beziehung, problemlos Geschäfte abwickeln. Eine hohe Dichte weisen beispielsweise Frankreich, Japan und China auf. Deutschland ist hingegen eine typische Low-Context-Kultur. Dabei kann es aber nicht nur zu Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den beiden Extremwerten auf der Skala Low- oder High-Context-Culture kommen. Auch Länder, die vergleichsweise nah beieinander liegen, weisen bereits erhebliche Unterschiede im geschäftlichen Umgang auf. Die Professorin Marlene Djursaa von der Kopenhagener School of Business hat beispielsweise herausgefunden, dass Dänen schneller zum Geschäftlichen übergehen als Briten, aber langsamer als die Deutschen. Das bedeutet, dass nicht nur die Meister der indirekten Kommunikation, die Chinesen, sondern auch Dänen und Briten Schwierigkeiten mit dem direkten Stil der Deutschen haben können.

Interkulturelle Kompetenzen

Auch wenn die Welt immer näher zusammenrückt, behält doch jede Kultur glücklicherweise ihre charakteristischen Eigenschaften bei. Die Fähigkeit, Abweichendes nicht abzulehnen und jedem Menschen mit Respekt und Toleranz zu begegnen, ist wohl das, was man in erster Linie unter interkultureller Kompetenz verstehen sollte. So lange wir uns vor Augen halten, dass wir durch unsere kulturelle Prägung in unserem Denken und Wahrnehmen beeinflusst werden, können wir auch akzeptieren, dass andere die Welt oder eine bestimmte Situation auf ihre Weise sehen und interpretieren. Dies mag zwar im ersten Moment fremd erscheinen, aber letztlich ist es nicht besser oder schlechter, sondern eben einfach nur anders.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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