Die gesellschaftliche Ordnung in Indonesien basiert sehr stark auf Loyalitäten, gegenseitigen Verpflichtungen und einer daraus resultierenden Ordnung, die für Außenstehende fast nie auf den ersten Blick erkennbar ist. Damit verbunden sind Führung und Unterordnung, die vor allem eines versprechen: Ruhe und Harmonie. Eine Missachtung der Autorität ist ein schwereres Vergehen, weil dadurch die Harmonie der Gruppe und die Loyalität zum Vorgesetzten gefährdet werden.
Loyalitätsbeziehung zum Vorgesetzten
Indonesische Kinder lernen schon früh, sich ihren älteren Geschwistern unterzuordnen. Als Gegenleistung dürfen sie von ihnen aber auch Schutz erwarten. Eine ähnliche Rolle kommt der Führungskraft in einem indonesischen Unternehmen zu, das von den Mitarbeitern als erweiterte Familie betrachtet wird. Der Vorgesetzte wird als Autorität mit hohem Wissen respektiert und seine Anordnungen werden grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Im Gegenzug muss sich der Vorgesetzte jedoch gut um seine Mitarbeiter kümmern. Das bedeutet, dass der Chef auch zu jeder Geburtstagsfeier kommt und über private Ereignisse im Leben seiner Mitarbeiter bestens Bescheid weiß. Gleichzeitig weiß er aber nicht immer, was im Unternehmen vor sich geht: Aus Sympathie neigen viele Mitarbeiter dazu, unangenehme Dinge des Tagesgeschäfts erst einmal von ihrem Vorgesetzten fernzuhalten. Meist erhält er in der Konsequenz geschönte Berichte, einfach um seine Nerven zu schonen. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, um als westliche Führungskraft in der indonesischen Tochtergesellschaft stets auf dem Laufenden zu sein.
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Versucht ein westlicher Vorgesetzter in einem indonesischen Unternehmen eine Projektgruppe zusammenzustellen, führt dies bei den Mitarbeitern leicht zu einem Loyalitätskonflikt. Denn die einzelnen Teammitglieder werden sich ihrer Abteilung oder ihrem Vorgesetzten sehr viel mehr zugehörig fühlen als dem neuen Team. Um erfolgreich ein Team zu bilden, sollte man zunächst einige verlässliche Mitarbeiter auswählen, die auch in Bezug auf die bestehenden sozialen Gruppen innerhalb des Betriebs eine führende Rolle einnehmen. Sie werden dann weitere Teammitglieder auswählen, so dass das neu gebildete Projektteam bereits auf bestehenden Loyalitätsbeziehungen aufbaut. Qualifikationen sind in diesem Fall erst einmal zweitrangig.
Auch bei der Teamführung spielt die Gruppenorientierung eine große Rolle. So legen beispielsweise viele Mitarbeiter besonderen Wert darauf, dass für alle der gleiche Standard gilt – z.B. in Form einer identischen Schreibtischausstattung – und man nicht aus der Gruppe hervorgehoben wird. Hat ein Mitarbeiter eine besondere Leistung erbracht, sollte die ausländische Führungskraft trotzdem immer das gesamte Team loben oder belohnen. Auch in dieser Situation wäre es dem Einzelnen sehr unangenehm, über die Gruppe gestellt zu werden.
Vorteile der Loyalitätsbeziehungen nutzen
Besonders zu respektieren sind zudem die Verbindungen der Mitarbeiter zu sozialen Gruppen außerhalb des Unternehmens. Um beispielsweise einem Verwandten in einer dringenden Angelegenheit zu helfen, wird ein Mitarbeiter ohne schlechtes Gewissen seine Arbeit einen Tag ‚ruhen’ lassen. Auch das Vermitteln eines Jobs für den Cousin eines Freundes aus dem gleichen Stadtviertel ist Teil eines als selbstverständlich erachteten Beziehungsgeflechts. Daraus resultiert, dass manche Arbeitsplätze doppelt und dreifach besetzt sind – anschaulichstes Beispiel ist das stets überbevölkerte Häuschen des Parkplatzwächters.
Diese Art der Vetternwirtschaft kann aber auch Vorteile bringen. So wird sich der ‚Verwandte’ eines guten Mitarbeiters meist schneller in die bestehenden Gruppenstrukturen des Unternehmens integrieren und einen guten Job machen, als ein ‚fremder’ Bewerber. Die Harmonie der internen Gruppen zählt in Indonesien zu den wichtigsten Faktoren für den Unternehmenserfolg – und liegt fast nie allein in der Hand der westlichen Führungskraft.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.
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