Gutes Leadership ist eine Frage der Kultur

Was Führungsqualitäten sind, wird in jedem Land anders betrachtet. So gelten in Deutschland durchsetzungsstarke, entscheidungsfreudige Chefs als die geborenen Führungspersönlichkeiten. In ostasiatischen Ländern hingegen wird der Weg nach oben erst frei, wenn man sich darin bewiesen hat, im Unternehmen Konsens herzustellen. Auch britische Vorgesetzte haben eher die Aufgabe, durch Überzeugungskraft und Überredungskünste ihre Mitarbeiter in die gewünschte Richtung zu bewegen. Skandinavier, und unter ihnen vor allem die Schweden, betrachten den Vorgesetzten wiederum als guten Teamorganisator, der die Aufgaben gerecht verteilt und für alle eine gute Arbeitsatmosphäre herstellt. Aber er ist immer auch Mitglied im Team wie alle anderen. In Russland wird zu viel Nähe zum Team dem eigenen Ansehen schaden. Hier, wie auch in vielen anderen Ländern mit eher hierarchischen Unternehmensstrukturen und wenig Delegation, wird es klar als Führungsschwäche angesehen, wenn der Chef die Mitglieder seines Teams nach ihrer Meinung fragt. Entscheidungen hat er alleine zu treffen.

Führung muss Erwartungen entsprechen

Verschiedene Führungsstile, die sich in der Arbeitspsychologie entweder zwischen einem autoritären Führungsstil auf der einen und einem kooperativ-partizipativen Führungsstil auf der anderen Seite, oder auch zwischen einem sachorientierten und einem personenorientierten Ansatz bewegen, werden in verschiedenen Ländern, je nach der kulturellen und gesellschaftlichen Prägung der Mitarbeiter, unterschiedlich bewertet. Ein Führungsstil funktioniert daher in einem Land nur, wenn er den Erwartungen der dortigen Mitarbeiter entspricht.

So ist in Spanien ein eher autoritärer Führungsstil von Vorteil. Denn hier erwarten Mitarbeiter, genau gesagt zu bekommen, was sie zu tun haben. Sie wünschen sich einen starken Chef mit Charisma. Franzosen sehen den Chef vor allem als Kontrollinstanz. Gleichermaßen werden chinesische oder russische Mitarbeiter die regelmäßige und detaillierte Kontrolle ihrer Arbeitsfortschritte nicht als negativ empfinden, sondern darin das wohlwollende Interesse und teils auch die Wertschätzung ihres Chefs erkennen. Während nordeuropäische Mitarbeiter gerne selbstverantwortlich arbeiten und einen ausreichenden Entscheidungs- und Handlungsspielraum haben möchten, ist dies für Angestellte in der östlichen Welt gar nicht besonders erstrebenswert. So wird mit Handlungsspielraum immer auch die Gefahr gesehen, Fehler zu machen.

Persönlichkeit ist Trumpf

In osteuropäischen und ostasiatischen Ländern spielt die persönliche Ebene bei der Führung von Mitarbeitern eine bedeutende Rolle: Für nahezu alle Mitarbeiter eines Unternehmens ist die Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten für ihre Arbeitszufriedenheit mitentscheidend. So wird in diesen Ländern mit einer vor allem paternalistischen Führungskultur verlangt, dass sich der Chef auch um die privaten Belange seiner Angestellten ausreichend kümmert. Es sollte sich dafür interessieren, wie seine Sekretärin einen Kindergartenplatz für ihren Sohn findet und wie sein Werksleiter nach dem Umzug morgens am besten zur Arbeit kommt. Genauso wichtig ist, dass der Vorgesetzte auch nach Büroschluss an gemeinsamen After-Work-Aktivitäten teilnimmt und sich auf der Geburtstags- oder Hochzeitsfeier seines Mitarbeiters als Ehrengast zeigt. Ein kumpelhaftes Verhalten ist dabei aber nicht der Schlüssel zum Erfolg, eher ein väterliches, umsorgendes Auftreten. Diese Fürsorge wird ihm im Unternehmen durch Respekt und Loyalität zurückbezahlt.

Job-Hopping entgegenwirken

In ähnlicher Weise kann auch die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen kulturell beeinflusst sein: Während sich die Mitarbeiter in westeuropäischen Ländern eher stark mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, kann in anderen Regionen der Welt die Bereitschaft, spontan den Job zu wechseln, ungewohnt hoch ausfallen. So werden sich in vielen asiatischen Ländern – je nach Lage am Arbeitsmarkt – Mitarbeiter ihre persönliche Unzufriedenheit nicht groß anmerken lassen, sondern sich einfach in einem anderen Unternehmen bessere Arbeitsbedingungen suchen. Ist die Befriedigung der Grundbedürfnisse in einem Land noch relativ unsicher, wird auch eine höhere Bezahlung immer Grund genug sein, schnell den Job zu wechseln. Ein Arbeitgeber ist dann nur ein kurzer Zwischenstopp. Leadership und Motivation müssen diesem Verhalten entgegenwirken, wenn Know-how-Träger langfristig im Unternehmen gehalten werden sollen. Regelmäßige Gehaltserhöhungen können das A und O sein, während anderenorts weitaus mehr zählt, wenn sich der Chef für seine Mitarbeiter mehr Zeit nimmt, sich deutlich personenorientierter verhält und einfach die gewünschte Persönlichkeit zeigt.

Fazit: Flexibilität statt Stil

Ein Führungsstil lässt sich nicht in allen Ländern gleichermaßen erfolgreich umsetzen. Daher muss sich jede Führungskraft darüber im Klaren sein, dass ihr möglicherweise über Jahre bewährtes Leadership im Ausland bzw. in einem multikulturellen Team plötzlich nicht mehr funktioniert. In einem Unternehmen etablierte Führungsleitlinien und Führungsinstrumente müssen bei einer grenzüberschreitenden Expansion dem kulturellen Kontext der jeweiligen Tochtergesellschaften angepasst werden. Nur wer bereit ist, den gewohnten und erprobten Führungsstil aufzugeben und sich an vorhandene Strukturen flexibel anzupassen, wird sich auch im Ausland als gute Führungskraft beweisen.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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