„Blitzschnell“ Fremdsprachen lernen – Der Widerspruch zwischen Versprechen und Wirklichkeit

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  • „Lernen Sie Englisch in nur drei Wochen“
  • „Lernen im Schlaf – Fremdsprachen lernen wie ein Profi“
  • „Englisch lernen – kostenlos und kinderleicht“
  • „Sprachen im Schlaf akzentfrei lernen“
  • „Unbegrenzt Sprachen Lernen – Blitzschnell, Kinderleicht, zum kleinen Preis“

Dies sind alles „Verheißungen“ die im Internet zirkulieren. Aber, entsprechen diese Versprechen wirklich der Wahrheit? Oder sind sie lediglich „fantasievolles Marketing“?

Wenn Behauptungen wie „kinderleicht“ oder „blitzschnell“ im Kontext „Sprachenlernen“ bewusst hinterfragt werden, besonders noch im Zusammenhang mit „kostenlos“ oder „zum kleinen Preis“, dann sollte der eigene, gesunde Menschenverstand regelrecht Alarm schlagen. Denn, wenn es doch tatsächlich so „kinderleicht“ wäre, eine Fremdsprache zu meistern, warum ist dieser Prozess für so viele Menschen dann so mühsam? Warum haben solche „Wundermittel“ denn nicht schon lange jedem Menschen alle möglichen Sprachen „eingetrichtert“? Schauen wir uns doch einmal die verschiedenen Faktoren an, die das Sprachenlernen beeinflussen:

Faktor 1: Zeit

Zahlreiche Studien weisen nach, dass der Erwerb von Sprache ca. ab dem 6. Lebensmonat anfängt. Ebenfalls belegt ist, dass Kinder üblicherweise ihre Muttersprache(n) im Alter zwischen zwei und vier Jahren mit ausreichendem Wortschatz und richtiger Grammatik anwenden können.

Diverse weitere Studien legen nahe, dass ein akzentfreies Erlernen einer Sprache nur im Kindesalter möglich ist. Abhängig von den jeweiligen Studienergebnissen werden verschiedene kindliche Altersstufen als Grenze eines akzentfreien Sprachenlernens angeführt. Grundsätzlich akzeptiert ist, dass ein akzentfreier Spracherwerb nach dem 12. Lebensjahr unwahrscheinlich ist.

Unstrittig ist, dass die ersten sechs Lebensjahre eines Menschen die lernfähigsten seines Lebens sind.

In Bezug auf die Wunderangebote stellt sich dann die Frage, wie es denn sein kann, dass ein Mensch in der lernfähigsten Phase seines Lebens, ein, zwei oder drei Jahre benötigt, um eine (oder mehrere) Sprache(n) zu lernen, ein erwachsener Mensch, der dem Kindesalter schon lange entwachsen ist, dagegen die identische Aufgabe „blitzschnell“, „im Schlaf“, „in nur zwei Wochen“ und am besten noch „akzentfrei“ leisten soll?

Faktor 2: Lernmethoden

Aufschlussreich ist hier ein weiterer Blick auf die ersten, kindlichen Sprech- und Sprachversuche. Kinder erlernen eine oder mehrere Sprache(n) durch Nachahmung. Deswegen spricht ein Kind z. B. den Dialekt seiner Umgebung. Ein Kind lernt von seinem sprachlichen Umfeld, durch Ausprobieren und auch durch „sprachliche Fehler“. Je mehr es spricht, desto rascher und gewandter wird ein Kind eine Sprache anwenden.

Dieses Wissen lässt sich ausgezeichnet auf das Erlernen von Fremdsprachen übertragen. Und das unabhängig vom Alter eines Menschen! Auch nach dem Kindesalter lernt man eine neue Sprache am schnellsten, am besten und am effektivsten, indem man diese Sprache möglichst viel anwendet. Nicht durch das Führen von Selbstgesprächen, sondern indem man mit anderen Menschen spricht!

Was heißt das im Hinblick auf Lehrmethodik? Auf das Lernen selbst?

Zusammenfassend kann man schlussfolgern, dass aktive Lern- bzw. Lehrmethoden, d. h. die Lehrmethodik, die eine Kommunikation mit anderen Menschen beinhalten, bei weitem effektiver sind als solche, die keine Kommunikation (z. B. Lernprogramme, Apps, Bücher) oder nur eine einseitige Kommunikation (z. B. Spracherkennungsprogramme) als Basis haben. Einseitige Kommunikation ist letztlich nichts anderes als das Führen von Selbstgesprächen.

Um als Lernender durch aktive, sprich kommunikative Lernmethoden erfolgreich zu lernen, sind eine Menge Kompetenzen in Puncto Lehrmethodik und Didaktik notwendig. Es ist daher absolut erforderlich, dass eine menschliche Lehrkraft, die über diese notwendigen Kompetenzen verfügt, den Lernprozess gestaltet.

Faktor 3: Kosten

Auf den Punkt bringt es das rheinische Sprichwort: „Von nix kütt nix! („Von nichts kommt nichts!“). Warum würde sich ein gut ausgebildeter Profi, ein Experte, eine Koryphäe so billig „verhökern“, dass ein kostenloses bzw. „billiges“ Lernen möglich ist? Wie kann eine App oder ein Programm, das Höchstleistungen verspricht, „kostenlos“ oder „zum kleinen Preis“ erhältlich sein?

Die einzig einleuchtende Schlussfolgerung auf diese Art Angebot kann doch nur sein, dass Apps, Experten oder Programme, die sich so vermarkten, weder Profis noch Koryphäen sind – oder, dass diese Werbung bzw. die dort enthaltenen Versprechen schlicht und ergreifend nicht wahr sind.

In höchstem Maße unglaubwürdig ist, dass ein kompetentes Sprachtraining (von Profis durchgeführt) zu einem Preis stattfinden kann, bei dem die dort eingesetzten „Koryphäen“ für Honorare im Bereich des Mindestlohns arbeiten. Als Kunde zu erwarten, dass solche Lehrkräfte erfahrene, gut ausgebildete Profis sind, entbehrt jeglicher Logik.

Logischerweise funktionieren Billighonorare nur bei Sprachtrainern mit schlechter oder keiner Ausbildung (wie „Work & Travel Student“, Muttersprachler ohne Trainerausbildung o.ä.). Die oft durch Werbung provozierte Erwartung, dass die eingesetzten Sprachtrainer einen Uniabschluss haben, dazu noch als Sprachtrainer zertifiziert sind und darüber hinaus auch noch über jahrelange Erfahrung verfügen – aber für € 10,00, € 14,00 oder € 18,00 pro Stunde arbeiten, kann doch nicht ernst genommen werden.

„Einfach“ und „billig“ stehen im absoluten Widerspruch zu „kompetent“ und „effektiv“. Daher können einfache, billige Lösungen nicht zum Ziel führen. Logisch, oder?

Fazit

„Wunderheiler“ gab es schon immer. Quacksalber, die einfache Lösungen für komplexe Herausforderungen anboten. Die angeblich alle Krankheiten mit einem „Wunderpulver“ heilten. Ein solches Wundermittel im 19. Jahrhundert war z. B. das hochgiftige Blei-Acetat. Es galt als eine Arznei, die alle möglichen Krankheiten heilte und war jahrzehntelang in Gebrauch. Aber Blei-Acetat ist hochgiftig! Geheilt hat es wahrscheinlich niemanden! Im Gegenteil, es kann durchaus als ein Wunder bezeichnet werden, dass irgendjemand die Anwendung dieses Wundermittels überlebte. Dennoch schworen viele Menschen auf seine Wirksamkeit!

Genauso wenig wie ein Pulver das Allheilmittel gegen alle Erkrankungen sein kann, so kann auch kein Softwareprogramm, keine bestimmte Lehr- oder Lernmethode und schon gar nicht eine App das Wundermittel zum Sprachenlernen sein. Ein bedauerliches Ergebnis dieser Versprechen von irgendwelchen Wundermethoden ist die Schlussfolgerung, zu der viele Teilnehmer kommen, nämlich, dass diese Art Vorgehensweise der normale Ablauf eines Sprachtrainings ist. Vielen Menschen wird gar nicht bewusst, dass Lernfortschritte fehlen, dass es dem Training an Effektivität mangelt. Falls es ihnen auffällt, sind sie oft vertraglich gebunden und das bezahlte Geld ist vergeudet. Auch wenn man „wenig“ bezahlt, ist es dennoch kostspielig, wenn dieses „Wenige“ mehr oder weniger zum Fenster hinausgeworfen wird. „Billig“ sind die „Wunderangebote“ meistens, man bekommt sie häufig für wenig Geld. Aber, wer sich darauf einlässt, der bekommt genau das, wofür er bezahlt – nämlich schlechte Leistung.

Es gibt keine Wundermittel, keine magische Eingebung, kein „blitzschnelles Lernen im Schlaf“, kein Abrakadabra. Eine neue Sprache zu erlernen benötigt Zeit, Arbeit, Ausdauer und kompetente, fachgerechte Unterstützung.

Autorin: Die gebürtige Kanadierin hat ihre eigenen Erfahrungen mit dem Lernen von Sprachen in ihre zweite Karriere fließen lassen: Nachdem sie verschiedene Führungspositionen in der Finanz- und IT-Industrie bekleidete, leitet sie heute ihre eigene Sprachschule, die den Spracherwerb mit dem Eintauchen in die neue Kultur verknüpft.

Patricia Hinsen-Rind 

Quellen: http://linguistlist.org/ask-ling/lang-acq.cfm, Pecchi, Jean Stillwell. 1994. Child Language. London: Routedge, Bongaerts, T. (2005). Introduction: Ultimate attainment and the critical period hypothesis for second language acquisition. International Review of Applied Linguistics in Language Teaching

Bild: 123rf.com/Maksym Yemelyanov

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