Auslandsentsendung – Ein Projekt für die ganze Familie

Eine Entsendung ins Ausland bringt für jedes Familienmitglied eine Veränderung der persönlichen Lebenssituation mit sich. Für den Expat selbst steht meist die neue berufliche Herausforderung im Vordergrund. Die mitausreisende Partnerin – in rund 90 Prozent aller Entsendungen sind es die Frauen, die ihre Männer begleiten – verspricht sich vom Leben im Ausland einerseits eine spannende Abwechslung vom Alltag. Andererseits muss sie vielleicht ihre eigene Berufstätigkeit aufgeben und sich ins Expat-Familienleben zurückziehen. Die Kinder reagieren je nach Altersstufe unterschiedlich auf den Auslandsumzug. Sind sie bereits in der Schule, fällt ihnen der Abschied von Freunden und Klassenkameraden meist sehr schwer und die Ängste vor einem Schulwechsel sind häufig größer als gedacht. Diese unterschiedlichen Empfindungen der einzelnen Familienmitglieder hinsichtlich des neuen Lebens im Ausland können sehr schnell zu unausgesprochenen Problemen führen, vor allem dann, wenn durch den Umzugsstress und die schwierige Eingewöhnungszeit jeder in erster Linie mit sich selbst beschäftigt ist.

Stärkere Arbeitsbelastung für den Expat

Die meisten Expats empfinden in den ersten Wochen nach ihrer Ankunft im Ausland vor allem einen hohen Leistungsdruck – und nicht selten auch Zweifel, der neuen Aufgabe wirklich gewachsen zu sein. Im neuen beruflichen Umfeld müssen sie häufig mit Anpassungsschwierigkeiten, Sprachproblemen und interkulturellen Unterschieden im Arbeitsstil kämpfen. Gleichzeitig sollen sie neue Geschäftskontakte aufbauen und an zahlreichen Abendveranstaltungen teilnehmen. Aufgrund der dementsprechend hohen täglichen Arbeitsbelastung investieren die meisten Expats daher ihre ganze Energie zunächst einmal in den neuen Job und hoffen einfach, dass zu Hause schon alles irgendwie läuft.

Eine Frau für alle Fälle – die mitausreisende Partnerin

Dass zu Hause wirklich alles läuft, schreiben sich meist die Partnerinnen auf die Fahne. Insbesondere wenn sie selbst erstmals ohne Job sind, entwickeln sie schnell den Anspruch, zumindest Haushalt und Familienleben perfekt auf die Reihe zu bekommen. Dabei müssen sie jedoch erst einmal mit den Gegebenheiten im Gastland klar kommen – was nicht immer ganz einfach ist. Denn während sich ihre Männer im Unternehmen in bestehenden Strukturen bewegen und vielleicht sogar von landeserfahrenen Kollegen an die Hand genommen werden, sind die Frauen im Alltag meist ganz auf sich alleine gestellt und müssen sich erst selbst ihr  soziales Netzwerk aufbauen. Das Einkaufen in lokalen Geschäften wird aufgrund der Sprachbarriere schnell zum Spießrutenlauf und alles, was früher so leicht von der Hand ging, ist plötzlich mit ungekannten Schwierigkeiten verbunden: Wo findet man einen Klempner, der zumindest Englisch spricht? Wie werden grenzüberschreitende Bankgeschäfte erledigt? Wie gibt man auf der Post ein Paket nach Deutschland auf? Wo kann man bestimmte Dinge kaufen, die im Gastland gänzlich unbekannt zu sein scheinen? Wo findet man gute Ärzte? Das Gefühl, nicht wirklich voranzukommen, nagt sehr schnell am Selbstbewusstsein, insbesondere wenn die Frauen früher im Job erfolgreich und an Bestätigung und Anerkennung gewohnt waren.

Sind mit der Zeit die Hürden des Alltags genommen, bleibt vielen mitausgereisten Frauen sehr viel freie Zeit. Der Partner arbeitet bis spät abends, die Kinder sind vielleicht in einer Ganztagesschule und kommen erst nach 17 oder 18 Uhr nach Hause. Vielleicht ist es im Gastland sogar üblich, Hauspersonal zu beschäftigen, sodass wirklich kaum noch etwas zu tun bleibt. Manche Frauen genießen den Freiraum und verfolgen ihre eigenen Interessen und Hobbys. Aber viele Partnerinnen vermissen mit der Zeit ihre Berufstätigkeit schmerzlich. Zudem sehen sie sich oft mit einer plötzlich doch sehr tradierten Rollenverteilung konfrontiert: Der Job des Mannes steht absolut im Vordergrund, denn davon scheint im neuen Umfeld das Wohlergehen der gesamten Familie abzuhängen. Ihr bleiben Haushalt und Kinder – und plötzlich ist sie nur noch die Frau von Herrn XY, Manager der Firma YZ.

Auf einsamem Posten

Abgenabelt von ihrem gesamten früheren sozialen Netzwerk, oft den ganzen Tag alleine zu Hause, trifft die mitausreisenden Partnerinnen das Heimweh meist am stärksten. Auch der Versuch, für sich selbst und die Familie ein neues Leben mit vielen Freizeitaktivitäten aufzubauen, kann sich im Ausland schwierig darstellen. Kontakte zu Nachbarn oder anderen Einheimischen scheinen oft ein Ding der Unmöglichkeit. Die tägliche Kommunikation wird in der Folge auf ein Minimum beschränkt. Lediglich andere Ausländer können hier ein guter Ansprechpartner sein, aber auch dann wird häufig nur Englisch gesprochen, was ebenfalls eine Einschränkung des gegenseitigen Austausches bedeuten kann. In einer Expat-Community Freundschaften zu schließen, kann auch dann sehr schwer fallen, wenn der Personenkreis recht klein ist. Findet sich niemand, der auf Anhieb sympathisch ist, fühlen sich viele Frauen dort sehr schnell auf einsamem Posten – insbesondere dann, wenn bereits eine eingeschworene Expat-Gemeinschaft besteht. Häufig erfahren neu ankommende Expat-Partnerinnen bei der Suche nach Kontakten auch wenig Unterstützung von ihrem Mann, da er meist ohnehin ständig neue Leute kennenlernen muss und am Wochenende vielleicht gar keine große Lust mehr auf weitere Begegnungen verspürt.

Kleine Expats mit großen Sorgen

Kinder gewöhnen sich meist am schnellsten an das neue Umfeld, dennoch plagen sie in der Zeit des Auslandsumzugs häufig viele Ungewissheiten: Freunde, Klassenkameraden und Verwandte müssen zurückgelassen werden. Manche Kinder werden das erste Mal in ihrem Leben mit Abschiednehmen konfrontiert. Zwar heißt es zurecht, dass Kinder leicht eine neue Sprache lernen, Freundschaften schließen und sich sehr schnell anpassen können. Aber ein Leben in neuer Umgebung erzeugt auch bei ihnen erst einmal Stress und Ängste, die je nach Persönlichkeit leicht oder weniger leicht überwunden werden. Und auch Kinder erfahren interkulturelle Missverständnisse, die sie sich kaum erklären können. Viele ziehen sich dann erst einmal zurück, weil sie meinen, am neuen Ort alles falsch zu machen.

Die Sorge um einen Schulwechsel steht sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern mit an erster Stelle – allerdings machen sich Eltern und Kinder meist ganz unterschiedliche Gedanken. Während die Eltern grübeln, ob die Schulbildung im Ausland gut genug ist und die späteren Berufschancen nicht gefährdet, stellen sich die Kinder für sie elementare Fragen: „Mögen mich die anderen Kinder?“ „Wie verbringe ich die Pause, wenn mich keiner versteht?“ „Was mache ich, wenn ich im Unterricht nicht mitkomme?“

Gegenseitige Unterstützung

Im Ausland sollten Sie sich alle gegenseitig unterstützen! Als Paar ist es mit am wesentlichsten, miteinander im Gespräch zu bleiben. Das Auslandsleben bietet für beide Partner häufig ein äußerst unterschiedliches Bild. Damit Sie nicht in zwei verschiedenen Welten leben, müssen Sie einander von Ihren Erfahrungen erzählen. Versuchen Sie dann, die Situation auch mit den Augen Ihres Partners zu betrachten: Lange Arbeitstage machen nicht unbedingt Spaß, Haushalt und Alltag in einer asiatischen Metropole oder einer amerikanischen Kleinstadt sind kein Urlaub. Reservieren Sie sich außerdem regelmäßig Zeit füreinander. Gehen Sie aus und genießen Sie das Gastland auch bewusst gemeinsam. Schöne Erlebnisse verbinden und geben Halt. Räumen Sie Ihrem Partner immer Priorität ein: Gerade der mitausgereisten Frau, die sich oft einsam fühlt, hilft es ungemein zu wissen, dass die Partnerschaft im Ernstfall immer an erster Stelle steht.

Auch für Ihre Kinder ist Kommunikation alles. Auf den ersten Blick erscheint es ratsam, Kinder so gut es geht von den eigenen Belastungen des Auslandslebens abzuschirmen. Aber das Vorspielen einer heilen Welt wirkt auf sie häufig noch bedrohlicher, wenn sie doch genau spüren, dass nicht alles im Lot ist. Außerdem fühlen sie sich mit ihren persönlichen Problemen meist noch einsamer, wenn um sie herum alles eitler Sonnenschein zu sein scheint. Finden Sie in regelmäßigen Gesprächen heraus, mit welchen Themen sich Ihre Kinder gerade beschäftigen. Nehmen Sie außerdem ihre Sorgen wirklich ernst. „Aber natürlich wirst du bald Freunde finden“, ist leicht gesagt und entspricht wahrscheinlich auch letztlich der Wahrheit. Aber als Antwort hilft es Kindern erst einmal nicht weiter.

Gemeinsame Zeit

Auch Rituale wie gemeinsame Mahlzeiten oder die Gute-Nacht-Geschichte sollten in der Familie unbedingt beibehalten werden. Denn Routine und Kontinuität geben in der Fremde Sicherheit und bilden den Gegenpol zu den vielen neuen Eindrücken – das gilt für Kinder und Erwachsene gleichermaßen! Nehmen Sie sich auch wieder Zeit für Familienaktivitäten – sie dürfen trotz vollem Terminkalender keinesfalls dem Rotstift zum Opfer. Jedes Familienmitglied empfindet derzeit Stress, dagegen hilft nur Entspannung!

Jeder reagiert auf Veränderungen anders, jede Familie funktioniert anders. Finden Sie gemeinsam in Ihrem neuen Auslandsleben Ihr Gleichgewicht. Danach werden Sie mit Stolz beobachten können, wie Sie sich alle in der fremden Umgebung und der anderen Kultur zurechtfinden. Blicken Sie zuversichtlich in die Zukunft, auch wenn es manchmal schwer fällt: Natürlich wird nicht immer alles einfach sein, aber mit der Zeit doch immer besser klappen.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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