Kulturelle Unterschiede Baltische Staaten

Baltische Staaten

Gemeinsam sind den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen vor allem eine russische Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg und eine rund 40-jährige sozialistische Regierung. Mittlerweile ist jedoch nicht mehr zu übersehen, dass sich die drei baltischen Republiken bewusst voneinander distanzieren und in ihrer Eigenständigkeit wahrgenommen werden möchten.

Esten sind eher schweigsam

Die Esten werden von Deutschen als eher schweigsam und verschlossen wahrgenommen. Befinden sich Deutsche mit Esten in Verhandlungen, sollten sie sich daher zurücknehmen, indem sie entstehende Gesprächspausen nicht sofort zu füllen oder einen bedächtig und langsam sprechenden Esten nicht immer wieder zu unterbrechen versuchen. Esten empfinden die Deutschen durch diese Verhaltensweisen nicht nur als unhöflich, sondern sie stufen sie auch schnell als besserwisserisch und ungeduldig ein. Besser ist es, wenn Deutsche die vielen schweigsamen Momente zu „ertragen“ lernen und für einen ruhigen Gesprächsverlauf sorgen. Zu viel Small Talk, häufiges Nachfragen oder eine sehr extrovertierte Körpersprache werden in Estland als unangenehmen empfunden.

Darüber hinaus sind in der Geschäftskultur Estlands immer Höflichkeit und Respekt geboten. Wichtig ist darüber hinaus das äußere Erscheinungsbild eines neuen Geschäftspartners, das sie genauso intensiv studieren wie die mitgebrachten Projektpläne oder Verträge. Sie selbst begegnen ihren deutschen Gästen mit einem gehobenen Understatement und bieten ihr eigenes Know-how eher bescheiden an. Visitenkarten mit hochtrabenden Titeln oder zu aufwändig gestaltete Präsentationen werden schnell als angeberisch empfunden. Stattdessen schätzen Esten an ihren deutschen Geschäftspartnern ein stringentes Vorgehen, stichhaltige Argumentationen und klare Darstellungen. Daneben werden Zuverlässigkeit und Korrektheit sowie Pünktlichkeit erwartet.

Stolze Letten

Die Letten ähneln in ihrer Mentalität eher den Deutschen. Sie werden jedoch vor allem ihre skandinavischen Wurzeln hervorheben. Deutsche Expats berichten, dass sie in der lettischen Geschäftskultur stets ein altmodisches, konservatives Verhalten beobachten. Auch der Nationalstolz wird immer wieder spürbar. Mit ihrer Metropole Riga sehen sich die Letten zudem gerne als das Zentrum des Baltikums. Deutsche Geschäftspartner tun daher gut daran, ihren lettischen Gastgebern respektvoll auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und ein wirkliches, umfassendes Interesse entgegen zu bringen.

Wie auch die Skandinavier haben Letten einen stark ausgeprägten Familiensinn, der sich im gesamten gesellschaftlichen Gefüge widerspiegelt. In der Geschäftswelt erwartet man daher, mit ausländischen Partnern erst einmal Freundschaft zu schließen, ehe man sich auf ein gemeinsames Projekt einlässt. Viel Small Talk über Kunst und Kultur kann hilfreich sein, um den Aufbau einer guten persönlichen Beziehung zu fördern. Allerdings sind auch die Letten eher ein ruhiges Volk, so dass ein zu engagiertes, aktives Auftreten hier genauso fehl am Platze ist wie in Estland. In geschäftlichen Verhandlungen sollten daher Sachlichkeit sowie ein lösungsorientiertes Vorgehen vorherrschen.

Osteuropäische Orientierung in Litauen

Im täglichen Umgang mit litauischen Geschäftspartnern wird häufig die starke emotionale Bindung zu Polen und Russland spürbar. Daneben spielt hier die katholische Kirche eine wichtige gesellschaftliche Rolle, was nicht nur die Distanz zu den baltischen Nachbarländern vergrößert, sondern auch die vorherrschenden Grundwerte bestimmt.

Für erfolgreiche geschäftliche Verhandlungen ist auch in Litauen der Aufbau einer starken persönlichen Beziehung die Grundvoraussetzung. Der enge Kontakt zum Geschäftspartner nimmt hier oft solch einen hohen Stellenwert ein, dass Verträge weitaus weniger zählen als ein persönlicher Handschlag. Deutsche in Litauen berichten immer wieder, dass litauische Geschäftspartner gerne Dinge, die eigentlich bereits als beschlossen gelten, noch einmal nachverhandeln. Ein finalisiertes Schriftstück hält sie nicht davon ab, alles noch einmal in Frage zu stellen. Dabei ist ihre große Freude am heftigen Diskutieren schnell zu spüren, wodurch sie sich maßgeblich von ihren ruhigen Nachbarn in Estland und Lettland unterscheiden. Nach einem harten Verhandlungstag steht bei den Litauern dann aber wieder die gute persönliche Beziehung an erster Stelle und die deutschen Geschäftspartner werden zum gemeinsamen Essen und Feiern eingeladen. Kein Wunder, dass die Litauer mit ihrer durch und durch offenen und lebensfrohen Art auch gerne als die „Italiener des Baltikums“ bezeichnet werden.

Estland, Lettland und Litauen werden für Deutschland mehr und mehr zur Drehscheibe für die Märkte in Mittel- und Osteuropa. Alle drei bieten ihren deutschen Geschäftspartnern auf ihre individuelle Art und Weise Gastfreundschaft und Unterstützung. Daher verdienen sie es, von uns mit ihren charakteristischen Eigenschaften individuell wahrgenommen zu werden.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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