Kulturelle Unterschiede Ungarn

Interkulturelle Unterschiede in Ungarn

Für die erste Kontaktaufnahme mit potenziellen ungarischen Geschäftspartnern sollten Sie unbedingt zum Telefonhörer greifen. Der persönliche Kontakt wird in Ungarn sehr viel mehr geschätzt als ein Brief oder eine E-Mail. Noch besser kommt ein Besuch vor Ort an, der in erster Linie als Gelegenheit gesehen werden wird, sich persönlich kennenzulernen. Geschäftliche Themen werden daher zweitrangig behandelt. Nehmen Sie sich für einen Besuch also unbedingt genügend Zeit. Ungarn schätzen ein freundliches, offenes Miteinander. Achten Sie deshalb auf Ihren Gesichtsausdruck, wenn Sie den Raum betreten. Wir Deutschen neigen dazu, ein sehr ernstes Gesicht zu machen. Das wirkt auf Ungarn steif und unnahbar.

Guten Tag Herr Direktor

Sprechen Sie Ihre potenziellen Geschäftspartner zunächst mit Titel und ohne Nachnamen an. Ungarn sind sehr titelhörig, dies ist vermutlich ein Erbe der K. und K.-Monarchie. Begrüßen Sie einen Geschäftsführer also beispielsweise mit: „Guten Tag, Herr Direktor“. Dennoch wechselt man im ungarischen Geschäftsleben schnell zum vertrauteren „Du“, vorausgesetzt, man befindet sich auf derselben Hierarchieebene. Höherrangige Personen werden grundsätzlich mit „Sie“ angesprochen.

Small Talk ist wichtig!

Ungarn trennen Geschäftliches nicht von Privatem. Stellen Sie also ruhig persönliche Fragen nach der Familie, den Kindern oder dem beruflichen Werdegang. Natürlich müssen Sie bereit sein, ebenfalls persönliche Informationen beizusteuern. Loben Sie außerdem Land und Leute. Auch ein guter Humor ist in Ungarn wichtig. Je besser es Ihnen gelingt, zu Ihren ungarischen Geschäftspartnern eine persönliche Beziehung aufzubauen, desto reibungsloser werden später Ihre Verhandlungen und Geschäfte laufen. Der zusätzliche Zeitaufwand zahlt sich später aus.

Körperkontakt, der Vertrauen signalisiert

Ungarn legen generell mehr Wert auf Körperkontakt als Deutsche. Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihnen Ihr ungarischer Geschäftspartner den Arm um die Schulter legt oder Sie am Unterarm berührt. Sie werden oft das Gefühl haben, dass man Ihnen zu nahe auf die Pelle rückt. Vorsicht, wenn Sie zu offensichtlich wieder für mehr Abstand sorgen, könnte man das falsch verstehen. Vermeiden Sie außerdem alle Bewegungen „nach unten“, das wirkt auf Ungarn sehr abfällig. Bei schwierigen Themen sollten Sie beispielsweise nicht abwinken.

Zirkuläre Kommunikation

Wenn Sie in Ungarn langfristig erfolgreich Geschäfte machen wollen, dürfen Sie in der Kommunikation nicht geradeaus auf Ihr Ziel zumarschieren. Ungarn nähern sich einer Sache zirkulär. Man bespricht einen Punkt und kommt später erneut auf ihn zurück und vielleicht am nächsten Tag noch mal, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Bringen Sie etwas Geduld mit und seien Sie bereit, auch ein erneut aufgeworfenes Thema noch einmal zu besprechen. Vor diesem Hintergrund kann es außerdem ratsam sein, zu einem Vorhaben lieber mehrere kürzere Meetings abzuhalten als ein langes.

Praktizieren statt Präsentieren

Die zusätzliche Zeit, die Sie für die Kommunikation aufbringen müssen, können Sie bei der Vorbereitung einer Präsentation wieder einsparen. Ungarn legen wenig Wert auf eine aufwendige Power-Point-Präsentation. Viel sympathischer und flexibler wirken Sie, wenn Sie frei vortragen und mit dem Flipchart arbeiten. Zeichnungen sind ein beliebtes Mittel, um Sachverhalte zu erklären. Bieten Sie außerdem Handouts an und besprechen Sie so viele Dinge wie möglich konkret vor Ort, z. B. direkt in der Fabrikhalle. Ungarn wollen Dinge gerne in die Hand nehmen. Gehen Sie bei einer Präsentation nicht davon aus, dass Ihre ungarischen Zuhörer nachfragen, wenn etwas unklar ist. Achten Sie deshalb unbedingt auf das Verhalten der Teilnehmer. Stecken alle ungarischen Kollegen die Köpfe zusammen, ist das ein Zeichen für Klärungsbedarf. Dann gibt es nämlich Rückfragen, die die Ungarn versuchen, untereinander zu klären. Ihnen gegenüber wird man offene Fragen höchstens in einem Vier-Augen-Gespräch äußern. Sie sollten solche privaten Gespräche eventuell von vornherein einplanen.

Koordination und Zusammenarbeit

Wie bereits erwähnt, nähern sich Ungarn einer Sache zirkulär. Im beruflichen Alltag bedeutet das, dass sie sich nicht an feste Strukturen, Pläne oder eine Agenda halten, sondern vor und zurück springen. Sie verhalten sich generell eher unstrukturiert. Bleiben Sie flexibel. Ungarn betrachten Absprachen längst nicht so verbindlich wie die Deutschen. Gerade beim ersten Kontakt werden Ihnen unter Umständen viele Versprechungen gemacht, die einer genaueren Überprüfung nicht standhalten. Seien Sie wachsam und hinterfragen Sie Vereinbarungen.

Lösungsorientierung statt Kritik

Falls es Probleme gibt, sollten Sie es generell vermeiden, jemanden vor versammelter Mannschaft zu kritisieren. Auch hierfür bietet sich ein Vier-Augen-Gespräch an. Statt sich auf die Ursache des Problems zu konzentrieren, machen Sie es lieber wie die Ungarn und suchen Sie nach einer Lösung. Kreativität ist eine der Stärken der Ungarn! Sie denken gerne lösungsorientiert und sie sind sehr erfinderisch, wenn es darum geht, ein entstandenes Problem wieder zu beheben. Nennen Sie keine Namen, wenn etwas schief gelaufen ist. Versuchen Sie, bei allem Ärger die persönliche Beziehung nicht aufs Spiel zu setzten. Ungarn schätzen Loyalität.

Autorin: Katrin Koll PrakoonwitBevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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