Das dänische Wohlbefinden wird allgemein als „hygge“ (eigentlich ein norwegisches Wort, das wie „hugge“ ausgesprochen wird) bezeichnet. Gemeint ist damit ein generelles Bedürfnis nach Zufriedenheit, Freundschaft und Gemütlichkeit. Man ist nett zueinander, aber auch zu sich selbst. Im privaten Umfeld ist hygge beispielsweise, alleine zu Hause oder auch gemeinsam mit Freunden in einer angenehmen Atmosphere unbeschwert Zeit zu verbringen. Man denke an Kaminfeuer, Kerzenschein, eine Tasse Tee und viele weiche Sofakissen. Der deutsche Begriff „Gemütlichkeit“ mag einem in diesem Zusammenhang einfallen. Aber die Dänen beharren darauf, dass es sich bei hygge nicht nur um Gemütlichkeit handelt, sondern vor allem auch um das rein seelische Wohlbefinden.
Hygge ist deshalb auch im Arbeitsleben stets präsent. Dazu zählen unter anderem die meist zahlreichen Angebote der Arbeitgeber für eine gute Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter: Von Fitnessstudio-Abos, flexiblen Arbeitszeiten und gemeinsamen Frezeitaktivitäten bis zu Annehmlichkeiten wie Aufenthaltsräume oder auch Handys und Laptops für familienfreundliche Homeoffice-Zeiten. Die Work-Life-Balance des Einzelnen wie auch ein höchst angenehmes Betriebsklima für alle haben in dänischen – wie auch schwedischen und norwegischen – Unternehmen höchste Priorität.
Denn in Dänemark arbeitet man, um zu leben. Nicht umgekehrt. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit, ein Meeting vorzeitig zu verlassen, um die Kinder aus der Schule abzuholen. Und der Konsenskultur ist es zu verdanken, dass stets alle Mitarbeiter gefragt und in den Eintscheidungsfindungsprozess einbezogen werden – bis harmonische Einigkeit erzielt ist. Dem Chef fällt also nie die alleinige Entscheidungsbefugnis zu, dafür aber die große Aufgabe, für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter und eine positive Stimmung im Team zu sorgen. Selten wird er die Leistungen seines Teams kritisch prüfen oder gar Zwischenergebnisse einzelner Mitarbeiter kontrollieren. Damit würden sich nämlich alle unwohl fühlen! Unter Mitarbeiterführung wird in Dänemark etwas anderes verstanden.
Schwedische Rücksichtnahme
Was den Dänen ihr hygge ist, ist den Schweden der „omtanke“. Das deutsche Wort „Rücksichtnahme“ kommt diesem Begriff wohl am nächsten. Gemeint ist, dass man sich darüber Gedanken macht, wie man anderen etwas Gutes tun kann. Das harmonische Miteinander hat in der schwedischen Kultur mit den höchsten Stellenwert überhaupt. Es gilt, dafür zu sogen, dass sich jeder immer und überall wohlfühlt. Im Arbeitsleben erscheinen Schweden daher generell entspannt. Man arbeitet entspannt, verhandelt entspannt und spricht entspannt.
Jeder ist außerdem dafür verantwortlich, dass keiner benachteiligt wird. Fairness wird hier großgeschrieben. Omtanke ist zudem Chefsache. Ein Teamleiter zählt es zu seinen Hauptaufgaben, dass alle Mitarbeiter gerecht behandelt werden, gute Arbeitsbedingungen, ein harmonisches Betriebsklima oder auch einen schönen Raum für gemeinsame Kaffeepausen vorfinden. Selbst für einen fairen Umgang mit Lieferanten oder einen aktiven Umweltschutz ist letztlich der allgemeine omtanke im Unternehmen verantwortlich.
Glaube nicht, dass du etwas Besseres bist
Die skandinavische Wohlfühlkultur für alle basiert letztlich auch auf der Wertvorstellung, dass alle Menschen gleich sind. Daraus resultiert eine gewisse Demut. Glaube nicht, dass du etwas Besseres bist! Dieser Leitgedanke ist auf das Gesetz von Jante (ein feststehender Begriff, der aus dem gesellschaftskritischen Roman „Ein Flüchtling kreuzt seine Spur“ des dänischen Autors Aksel Sandermose stammt) zurückzuführen: Niemand soll sich klüger, erfolgreicher oder wichtiger fühlen als die anderen und sich entsprechend hervorheben. Deshalb sind Schweden, Dänen und auch Norweger stets aufmerksam, dass hohe moralische Standards eingehalten werden. Der Gleichheitsgedanke wird aktiv gelebt, allen soll es gleichermaßen gutgehen – auch im Business!
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.