Falsch gefühlt, falsch bewertet

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Haben Sie sich schon mal über einen laschen Händedruck geärgert? Ja? Damit sind Sie nicht allein! Wir wissen für gewöhnlich sehr genau, wie man „richtig“ die Hand gibt. Aber warum ist das so?

„Jetzt gib dem Opa doch ordentlich die Hand, was ist das denn für ein Händedruck?“ Sätze wie diesen dürften Sie – zumindest, wenn Sie in Deutschland aufgewachsen sind – als Kind das ein oder andere Mal gehört haben. Diese Information – lascher Händedruck = schlecht = Kritik und fester Händedruck = gut = Lob – ist Ihnen im Laufe Ihrer Kindheit im wörtlichen Sinn in Fleisch und Blut übergegangen. Und nahtlos in Ihr Wertesystem integriert worden.

Wir schließen von Körpererfahrungen auf Charakterzüge

Als Erwachsener meinen Sie nun ganz genau zu wissen, wie der Charakter einer Person ist, bei der sich der Händedruck wie ein toter Fisch anfühlt, oder? Spätestens, wenn Sie in eine andere Kultur kommen, greift dummerweise dieses Kriterium nicht mehr als Anhaltspunkt – sofern es das denn je getan hat. Während man sich beispielsweise in Japan traditionell verbeugt und ein Händedruck eine zum Teil noch ungewohnte Sitte ist, pflegt man im Nahen und Mittleren Osten einen sehr ausdauernden und von glückwünschenden Floskeln begleiteten – gefühlt niemals enden wollenden – Händedruck.

Der „richtige“ Abstand

Nicht nur der Händedruck ist für uns maßgeblich. Auch der physische Abstand, den mein Gegenüber zu mir hält, kann sich falsch anfühlen. Wenn Sie das nächste Mal eine Rolltreppe benutzen, dann lassen Sie mal nicht wie gewohnt eine Stufe zum Vordermann frei. Wie fühlt sich das an? Und viel interessanter noch: Wo fühlen Sie was? Wird Ihr Brustkorb enger? Ziehen Sie Ihre Schultern hoch? Gehen Sie automatisch mit dem Oberkörper eine Spur nach hinten? Drücken Sie Ihre Knie durch? Falls Sie das schon identifizieren können, dann Gratulation! Sie haben Ihre physischen Stressmarker kennengelernt. Falls nicht: Das macht gar nichts, das ist einfach Übungssache.

Andere Länder, andere Gewohnheiten

Andere Länder, andere Sitten, das ist klar. Aber was macht das mit Ihnen? Achten Sie einmal drauf, wie viele Gewohnheiten im Laufe Ihres Lebens „in Fleisch und Blut übergegangen“ sind und Sie nun dazu veranlassen, vermeintlich rationale Urteile zu fällen, die aber eigentlich auf ungewohnte oder sogar unangenehme Körpererfahrungen zurückgehen!

Tischmanieren fallen oft auch in diese Kategorien. Vielleicht denken Sie daran, wenn Sie sich das nächste Mal in China gruseln, wenn jemand neben Ihnen am Tisch laut schmatzt, schlürft und rülpst. Einen Chinesen wird es übrigens ähnlich ekeln, wenn Sie in Ihr Tempo schneuzen.

Bild: 123rf.com/Kaspars Grinvalds

Rike Pätzold

Rike Pätzold ist in Europa verwurzelt – um sich in Asien zuhause zu fühlen. Lange hat sie in Taiwan gelebt und gearbeitet. Sie teilt ihre Erfahrungen in fünf Sprachen mit ihren Kunden in den Bereichen Führungskräftetrainings, Entsendungsvorbereitung und Coaching. Sogar der Ort, an dem sie lebt, ist „interkulturell“ – auf einem Segelboot unterwegs wirft sie im Mittelmeer den Anker aus.

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