Der ideale Chef aus indischer Sicht

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Allwissend, weise, entscheidungsstark, richtungsweisend, aufmerksam und fürsorglich – das sind die Mindestanforderungen, die ein idealer Chef in Indien mitbringen soll. Er ist eine Autorität, hierarchiebetont, statusorientiert, trägt gerne Verantwortung und gilt in seinem Tun als vorbildlich. In jedem Fall trifft er die Entscheidungen und sagt, wo es lang geht. So ist nach indischem Geschmack die perfekte Führungskraft.

Eine Klasse für sich: Benevolenter Paternalismus

Abgeschaut ist dieses Ideal aus der Familie. Hier steht der „pater familias“ an der Spitze. Seine Entscheidung ist Wegweisung. Dabei zeichnet sich dieser indische Paternalismus zugleich durch Strenge und Entschiedenheit wie auch durch Aufmerksamkeit für unterschiedliche Bedürfnisse und Fürsorge aus.

Die Vorbilder: Raj und Rishi

Für Inder ist dieses Profil einer Führungskraft stimmig. Autorität und Aufmerksamkeit, Führungsstärke und Fürsorge sind keine Gegensatzpaare. Vielmehr vereinigen sie zwei Führungstypen:

Einmal die Stärke des Königs „Raj“, der mutig und entschieden sein muss, richtig handelt und auch mal unbequeme Entscheidungen zum Wohle der Mehrheit trifft.

Das andere Modell ist „Rishi“, der Kluge und Weise, der sorgfältig abwägt und der Menschlichkeit den Vorzug gibt.

Die Managementliteratur bezeichnet den indischen Führungsstil als „benevolenten Paternalismus“.


Immer gilt: Top down

Das heißt: Angestellte wünschen sich einen entscheidungsstarken Chef, der die Richtung vorgibt und für sie ansprechbar ist. Sie vertrauen auf die Klugheit, Erfahrung und Entscheidung des Vorgesetzten und verlassen sich darauf, dass alles Wichtige von Oben angewiesen wird. Angestellte überlassen das Denken und Entscheiden gerne der Chefetage und warten auf Entscheidungen.

Das Urteil des Chefs infrage zu stellen, ihm Kritik vorzutragen oder ihn auf Fehler hinzuweisen, halten sie für unangebracht. Am liebsten möchten sie, dass ihnen der Chef täglich Aufmerksamkeit schenkt, indem er sich z.B. über den Projektstand erkundigt oder die nächsten Arbeitsschritte anweist. In Indien liegt es am Chef, sich zu informieren, ob alles gut läuft. Die Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, ihn mit Infos zu beliefern.

Wie selbst in Indien führen?

Inder übertragen diese Erwartungen automatisch auf die ausländische Führungskraft! So werden sich Führungspersönlichkeiten aus dem Ausland leichter tun, wenn sie hierarchiebewusst und statusorientiert sind, Entschiedenheit zeigen und Top-down kommunizieren. Wer aufmerksam nachfragt und so sein Interesse am Projektstand bekundet, punktet bei seinen Mitarbeitenden. Er kommt der Idee vom idealen Chef schon nahe.

Ein Tipp: Wenn Sie möchten, dass Ihre Mitarbeiter mehr Eigeninitiative zeigen und Sie von sich aus mit Infos versorgen, müssen Sie dies kommunizieren und verdeutlichen, warum Ihnen dies wichtig ist. Zeigen Sie die Vorteile auf und ermutigen Sie zu dieser Kommunikationskultur.

Einfach abwarten bis es die Inder endlich kapieren, ist keine Option. Sie müssen ins Tun kommen. Wie das geht, lernen Sie am besten bei einem interkulturellen Training.

Autorin: Prof. Dr. Simone Rappel –Seit 1995 ist die Theologin und Religionswissenschaftlerin in der internationalen Zusammenarbeit tätig und hat über 20 Jahre Erfahrung als Führungskraft und im Projektmanagement. Heute arbeitet sie u. a. als interkulturelle Trainerin mit Schwerpunkt auf indisch-deutsche Zusammenarbeit.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der Crossculture Academy

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