Wie „Essen ohne Würze“, ein „Garten ohne Blumen“, der „Himmel ohne Sterne“, das „Meer ohne Fische“ und ein „Vogel mit nur einem Flügel“ sei die indische Geschäftswelt ohne Frauen. Diese bildreichen Vergleiche stammen von Frauen, die es unter die Top 30 der einflussreichsten Businessfrauen Indiens geschafft haben. Sie alle drücken das Gefühl aus, dass ohne Frauen etwas fehlt. Es sind Defizitanzeigen in zweifachem Sinne: Ohne Frauen läuft die Wirtschaft nicht rund und gleichzeitig sind zu wenig Frauen in den Führungsetagen indischer Konzerne präsent.
Die Standard Chartered Bank stellt in ihrem Bericht „Women on Corporate Boards in India 2010“ heraus, dass von den besten 100 Aktiengesellschaften, die an der Börse in Mumbai (BSE) gelistet sind, nur in fünf Frauen die Position der Vorstandsvorsitzenden innehaben. Von den 240 größten Unternehmen Indiens haben laut einer Studie von EMA Partners nur 11 Prozent eine Frau als CEO. Das World Economic Forum ratet Indien auf Platz 128 von 134, wenn es darum geht, Frauen gleiche Chancen auf Führungspositionen in der Wirtschaft einzuräumen.
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Obwohl diese Zahlen nicht gerade für eine Gendergerechtigkeit in der indischen Wirtschaft sprechen, setzen sich viele Konzerne für mehr „Diversity“ ein und betreiben neuerdings eine sehr gezielte Frauenförderung – sowohl bei ihrer Einstellungspolitik als auch bei der innerbetrieblichen Qualifikation. Mahindra & Mahindra hat beispielsweise den Frauenanteil auf 14,5 Prozent erhöht und strebt nach einer Steigerung auf 50 Prozent. Maruti hat in den Jahren 2007 bis 2010 die Zahl der weiblichen Beschäftigten verdoppelt. Was im Automobilsektor Schule macht, zieht auch in anderen Branchen: 22 Prozent aller Angestellten beim Kekshersteller Britannia sind Frauen. Angezielt ist der systematische Ausbau auf 50 Prozent. Bei den 250 Anwälten, die für AZB & Partners arbeiten, ist fifty-fifty schon heute die Genderquote.
Auch wenn die Vergleiche plausibel erscheinen, die die einflussreichsten Businessfrauen Indiens auf die Frage danach wählten, wie die Arbeitswelt ohne Frauen aussähe: Es ist keinesfalls selbstverständlich, dass Frauen im Business aktiv sind und in Führungspositionen aufsteigen. Nach wie vor ist die indische Geschäftswelt von Männern geprägt, die es gewöhnt sind, sich in einer männerdominierten Welt zu bewegen und durchzusetzen. Frauen sehen sie eher in der Rolle der Mitarbeiterin denn als Chefin.
Frauen in Spitzenpositionen haben es schwer
Dass Business in Indien präferentiell Männersache ist, hat mit der kulturellen Prägung zu tun. Traditionell ist die Rolle der Frau auf Ehefrau und Mutter festgelegt, die sich um das Wohl der Familie und ein glückliches Zuhause kümmert, während der Mann das Geld verdient. Hinzu kommt die gesellschaftlich normierte Sohnespräferenz, die dazu führt, dass Männer in allen Bereichen bevorzugt und Mädchen tendenziell eher benachteiligt werden, zum Beispiel in der Ausbildung. Das hat Konsequenzen. Wer keine gute Ausbildung hat, hat schlechte Aussichten auf einen guten Beruf und wenig Aufstiegsmöglichkeiten.
Frauen in Spitzenpositionen der indischen Wirtschaft sind auch im globalen Vergleich immer noch die Ausnahme. Wer es dorthin geschafft hat, hat einen langen und meist sehr steinigen Weg hinter sich. Kompetenz, Qualifikation und das Bessersein als die Männer gehört für sie im Höchstmaß dazu. Auch die Frauen, die aus einer Unternehmensdynastie stammen und in der eigenen Firma führende Positionen bekleiden, müssen ihr Können dauerhaft unter Beweis stellen. Den richtigen Familiennamen zu tragen und Erbin zu sein, reicht allein nicht aus.
Bankwesen, Pharma, Medizin, Medien und Lebensmittel
Schaut man auf das Ranking der Top- Businessfrauen, das das Wirtschaftsmagazin Business Today durchführt, fällt auf, dass überproportional viele der Frauen in Spitzenpositionen im Bankgeschäft – vor allem im Investment Banking – tätig sind. Aber auch die Sparten Pharma und Medizin, Medien und Lebensmittel sind vertreten. Die weibliche Elite ist überwiegend 40plus mit ganz wenigen Ausnahmen in der Reihe der Dreißigjährigen. Fast alle Businessfrauen sind verheiratet und haben Kinder. Sie geben an, dass es ihnen sehr wichtig ist, nicht nur Karriere zu machen, sondern eine ausgewogene Work-Life-Balance zu haben, wobei die eigene Familie Mittelpunkt und Stütze ist. Viele Biografien erzählen davon, dass es ein einsamer Karriereweg war. Umso wichtiger ist es den Frauen heute, aus ihrer Position heraus jüngere Frauen zu fördern und ihnen insbesondere über Mentoring-Programme Karrierechancen zu eröffnen.
Indische Verhandlungsführerinnen
Es gibt sie also die Businessfrauen in Indien. Und wer im Finanzsektor unterwegs ist, hat gute Chancen, den Top-Performerinnen der indischen Wirtschaft als Verhandlungspartnerinnen zu begegnen. Dass hier höchste Kompetenz, Seriosität und zurückhaltende Stilsicherheit zählen, ist selbstverständlich. Angemessene Themen für eine gepflegte informelle Konversation, die nicht unwesentlich für den Geschäftserfolg in Indien ist, könnten zum Beispiel Kunst und Kultur, Architektur, die gute indische Küche, die Rezeption von Yoga und Ayurveda in Deutschland, aber auch die Ausbildung der Kinder sowie der Austausch über die besten Schulen und Universitäten sein. Oft engagieren sich indische Geschäftsfrauen ehrenamtlich und fördern Initiativen des sozialen Unternehmertums. Auch das ist ein Anknüpfungspunkt für ein Gespräch über unternehmerische Verantwortung. Wer sich als deutscher Geschäftsmann auf diesem Top-level bewegt, kann davon ausgehen, dass indische Businessfrauen international versierte, leistungs- und zielorientierte Managerinnen mit viel Leadership-Erfahrung sind. Sie strahlen gelassene Souveränität aus und warten nicht darauf, wegen ihres Seidensaris Komplimente zu erhalten.
Das mittlere Management orientiert sich an der Businesselite, so dass hier die gleichen Regeln gelten. Geschäftsessen gehören zu Verhandlungen dazu. Es herrscht aber auch in diesem Rahmen ein konservativ-gehobener Kommunikationsstil, zu dem eine ausgelassene, feucht-fröhliche Partystimmung nicht passt. Auch dann nicht, wenn ein Geschäftserfolg zu feiern ist. Anzüglichkeiten und Aufdringlichkeiten aller Art verbieten sich von selbst. Deutsche Manager sollten sich im Klaren darüber sein, dass die indische Kultur auch heute noch die Trennung von Frau und Mann in der Öffentlichkeit kennt und der Austausch von Zuneigung und Nähe tabu sind.
Autorin: Prof. Dr. Simone Rappel – Seit 1995 ist die Theologin und Religionswissenschaftlerin in der internationalen Zusammenarbeit tätig und hat über 20 Jahre Erfahrung als Führungskraft und im Bereich Projektmanagement. Heute arbeitet sie u. a. als interkulturelle Trainerin mit Schwerpunkt auf indisch-deutsche Zusammenarbeit.
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