Der deutsche Kopf und die russische Seele

Die deutschen Geschäftsleute gelten aus der Sicht der russischen, personenorientierten Gesellschaft als kühl und distanziert. Sie sind auf eine Sache, ein Projekt, konkrete Vertragsbedingungen und Zahlen fixiert. Sie verhandeln mit einem Unternehmen und nicht mit einer Person; auch wenn sie es natürlich begrüßen, wenn sich die persönlichen Arbeitsbeziehungen positiv gestalten.

Deutsche trennen persönliche Befindlichkeiten von sachbezogenen Arbeits- und Lebensaspekten. Der beruflichen Pflicht kommt man in der Regel durch Selbstdisziplin und Selbstkontrolle nach. Das Privatleben wird vom Arbeitsalltag ferngehalten, die besten Freunde stammen meist nicht aus der Arbeitsgruppe. „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ ist eine häufig zitierte Lebensweisheit.

Russland gehört zu den Ländern, in denen sich das Individuum als Teil einer Gruppe identifiziert. Dies äußert sich in einer starken Bindung innerhalb der Familie, einem Klassenverband, einer Arbeitsgruppe, einem Freundeskreis, einem sozialen und beruflichen Netzwerk. Dieser Gruppe der „Eigenen“, denen man vertraut, steht die Gruppe der „Fremden“ gegenüber, zu denen man sich weniger loyal verhalten darf.

Dieses private Netzwerk war über Jahrhunderte überlebenswichtig, da es keine funktionierende Dienstleistungssphäre gab und versachlichte Beziehungen zwischen Dienstleistern und Kunden schlecht funktionierten. Das private Netzwerkprinzip hat dabei auf das Geschäftsleben abgefärbt, das häufig auf persönlichen Kontakten, gegenseitigen Dienstleistungen und manchmal auch auf und versteckten oder offenen Zuwendungen aufbaut. Was in den Augen der Deutschen schon als Korruption erscheinen mag, ist für viele Russen nur ein System von Hilfsangeboten und gegenseitigen Verpflichtungen.


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Empfehlung aus der Praxis

Erfolgreiche Geschäftsbeziehungen lassen sich in Russland vor allem über einen persönlichen Kontakt anbahnen. Man muss den Partner kennen und auch als Mensch akzeptieren können. Solche Kontakte bekommt man auf Messen und Ausstellungen, auf Wirtschaftstagen und Kooperationsbörsen, auf Konferenzen oder Unternehmerreisen. Letztere ermöglichen nicht nur Kontakt zu russischen Firmen und Institutionen, sondern meistens auch den so wichtigen Zugang zu Entscheidungsträgern in Behörden.

Jedoch der schnellste und wirksamste Weg, in Russland Verbindungen zu potenziellen Geschäftspartnern herzustellen, ist der über bereits geknüpfte Netzwerke. Persönliche Empfehlungen können einem nicht nur aufwendiges Suchen abnehmen, sondern auch wichtige Türen öffnen. Anonyme telefonische oder postalische Kontakte haben meist weniger Erfolg. Gelingt die Kontaktanbahnung, wird der russische Partner Zeit und Energie investieren, um den Deutschen als Mensch und möglichen Geschäftspartner kennen zu lernen, wobei das gemeinsame Projekt oft noch ausgeklammert bleibt. Kenntnisse des deutschen Gesprächspartners zu Russland, seiner Geschichte, Kultur oder minimale Sprachkenntnisse bedeuten einen großen Sympathiegewinn! Hier trifft der deutsche Kopf auf die russische Seele.

Wirkliche Stabilität erlangt das russische Business dadurch, dass ständige Partner oft zu persönlichen Freunden werden. Und einen Freund zu betrügen, ist in der Regel undenkbar. Ihm hält man sogar bei schlechteren Konditionen die Treue – denn die Beziehung steht über dem Geschäft. Deswegen empfiehlt es sich nicht, bei Projekten und Verhandlungen mit beziehungsorientierten Russen, die zuständigen Ansprechpartner oft auszutauschen.

In einer deutschen Niederlassung mit russischen Mitarbeitern sollte viel Wert auf die Ausgestaltung der sozialen Beziehungsebene gelegt werden (Ausflüge, Geburtstage, Feste organisieren). Dabei ist es wichtig, die russischen Traditionen zu respektieren, aber auch Grenzen zu setzen und ein gewisses Maß an Distanz zu wahren, da sich für Russen die Grenze zwischen Berufsalltag und Privatleben leicht verwischt.

Ein Beispiel:

In einer kleinen Marketingfirma in Deutschland, die für Russland arbeitet, sind sowohl deutsche als auch russische Mitarbeiterinnen angestellt. Am 08. März stellen die russischen Mitarbeiterinnen nach kurzer Zeit und etwas verunsichert ihre Tätigkeit ein, um einen selbst zubereiteten Imbiss aufzubauen. Sie möchten feiern, die deutschen Mitarbeiterinnen setzen unschlüssig ihre Arbeit fort. Da der deutsche Direktor die russischen Feste und Traditionen kennt und weiß, dass der Frauentag am 08. März in Russland ein wichtiger Feiertag ist, der gemeinsam am Arbeitsplatz begangen wird, ordnet er an, dass sämtliche Mitarbeiter nur bis 14.00 Uhr arbeiten und danach alle gemeinsam feiern werden. Er spendiert Blumen, Torte und Sekt.

„In unserer globalisierten und konkurrenzbestimmten Welt sind nicht nur Fachkompetenz und hochwertige Produkte entscheidend für den Erfolg. Die gegenseitige Sympathie ist beim Umgang mit russischen Geschäftspartnern genauso wichtig. Sie stellt sich am ehesten ein, wenn man sich schon im Vorfeld mit politischen und kulturellen Hintergründen des ausländischen Partners vertraut macht und anderen Sitten und Mentalitäten mit Kenntnis, Toleranz und Respekt begegnet.“ (Handelsblatt am 19.07. 2008)

Autorin: Dr. Heidrun Igra – Russlandexpertin Dr. Heidrun Igra bietet interkulturelles Training für multinationale Unternehmen und Behörden, wie beispielsweise das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, an. In ihren Seminaren bringt sie die russische Unternehmenskultur näher.


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