Auf den ersten Blick wirkt häufig alles ganz einfach: Der deutsche Manager sitzt am Verhandlungstisch ausländischen Geschäftspartnern gegenüber, die hervorragend Englisch sprechen, beruflich viel im Ausland unterwegs sind und einen sympathischen Eindruck machen. Die Vorgespräche sind entsprechend gut verlaufen. Doch nach einiger Zeit geraten die Verhandlungen ins Stocken, die Kluft zwischen den Verhandlungsparteien weitet sich – und schließlich trennt man sich, ohne dass ein Geschäft zustande gekommen ist.
Warum sind die Verhandlungen gescheitert? Woran hat es gehakt? Ab welchem Zeitpunkt ist es aus dem Ruder gelaufen? Meist sind es unterschiedliche Erwartungshaltungen, wie eine Verhandlung geführt werden soll, die zu letztendlich unüberbrückbaren Differenzen führen. Beide Partner gehen mit festen, in der eigenen Geschäftskultur geprägten, Überzeugungen in die Gespräche hinein und interpretieren das Verhalten ihres Geschäftspartners aus der eigenen Sicht. Die Folge sind kapitale Missverständnisse.
Eine Businesssprache, viele Kulturen
Globale Kommunikationsstrukturen vermitteln immer wieder den Eindruck eines einzigen, weltweiten Marktes, einer einheitlichen internationalen Geschäftskultur. Wir trinken in allen Kontinenten die gleiche Brause und fahren die gleichen Autos, die Edelboutiquen in den Einkaufsstraßen der Metropolen sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Dabei gerät nur zu leicht in Vergessenheit, wie stark jeder einzelne von uns von seiner Heimatkultur geprägt ist und wie tief die Unterschiede tatsächlich reichen. Auch die weltweite Businesssprache Englisch täuscht oft eine gemeinsame Basis vor, die faktisch nicht existiert. Das gilt vor allem für den Umgang im geschäftlichen Alltag. Wer den eigenen Meeting- oder Verhandlungsstil verinnerlicht hat, kann sich kaum vorstellen, dass sein Verhalten beim Gegenüber auf massive Irritationen stößt. Welche Punkte führen immer wieder zu Missverständnissen? Eine allgemeine Übersicht hilft bei der ersten Orientierung:
Sachorientierung oder Beziehungspflege?
Im deutschsprachigen Raum und in den angelsächsisch geprägten Ländern werden Meetings, Präsentationen und Verhandlungen sachorientiert geführt. Das Verhandlungsziel steht im Vordergrund und wird in Gesprächen schnell thematisiert, man kommt gleich „zur Sache“. In anderen Kulturen, beispielsweise in Südeuropa, Südamerika oder Asien, wird dagegen zunächst auf einen guten persönlichen Draht miteinander Wert gelegt. Geschäfte macht man hier nur mit Freunden. Man unterhält sich, sucht nach Gemeinsamkeiten. Erst, wenn die persönliche Beziehung stimmt, kann das Geschäftliche angegangen werden. Und das kostet Zeit. Nicht selten sind zwei, drei Vorgespräche nötig, bevor das Sachthema überhaupt angeschnitten wird.
Entsprechend unterschiedlich fallen die Reaktionen aus, wenn Verhandlungen ins Stocken geraten. Während der deutsche Manager versucht, das Verhandlungstempo wieder zu beschleunigen, in dem er immer mehr Fakten und Argumente auf den Tisch bringt, empfindet sein ausländischer Verhandlungspartner die Beziehungsebene als gestört. Für einen Abschluss benötigt er aber eine solide Vertrauensbasis. Irritiert durch das deutsche Vorpreschen versucht er also, über Small Talk, Kaffeepausen und gemeinsame Essen etwas für die Verbesserung der Beziehungsebene zu tun, damit alles wieder ins Lot kommt. Das wird vom Deutschen als Ausweichen auf Nebensächlichkeiten gedeutet und mit Ignoranz gestraft. Es wird es nur schwer gelingen, diese unterschiedlichen Empfindungen zu überbrücken.
Daher gilt: In beziehungsorientierten Kulturen müssen Sie unbedingt ausreichend Zeit investieren, wenn Ihnen an einem längerfristigen Geschäftskontakt gelegen ist. Liegen die Dinge im Argen, gilt es, trotzdem miteinander im Gespräch zu bleiben. Bedenken Sie, dass Sie jeder gemeinsam getrunkene Kaffee einen Schritt näher zum Ziel bringt.
ZDF oder Selbstdarstellung?
Die Unterschiede in der Sach- oder Personenorientierung zeigen sich auch in den bevorzugten Rede- und Präsentationsstilen. Steht die Sache im Vordergrund, werden ZDF – Zahlen, Daten und Fakten – erwartet bzw. entsprechend klar und schnörkellos präsentiert. Geht es mehr um den persönlichen Kontakt, wird eher in wohlgefeilten Reden nach Gemeinsamkeiten gesucht, oder farbenfrohe Präsentationen sollen ein positives Image vermitteln. Es gilt also, sprachlich zu brillieren. Die Fakten sprechen nicht für sich, sondern Sie müssen als Person überzeugen.
Oft lässt sich auf Firmen-Websites oder in Unternehmensbroschüren schon ein erster Eindruck gewinnen. Wenn Sie nicht sicher sind, was von Ihnen erwartet wird, bietet sich eine Kombination beider Stile als goldener Mittelweg an. Gehen Sie in Ihrer Darstellung aber auf keinen Fall so sehr in die Tiefe wie Sie dies vor einem rein deutschen Kreis tun würden. Bringen Sie Detailinformationen besser in begleitenden Handouts unter, auf die je nach Bedarf zurückgegriffen werden kann.
Auf Augenhöhe
Deutsche Manager wirken durch ihren sachorientierten, oftmals sehr direkten Kommunikationsstil vielerorts überheblich und besserwisserisch. Achten Sie daher besonders darauf, Ihren Verhandlungspartnern nur Vorschläge zu unterbreiten und nicht etwa genau vorzugeben, was als nächstes zu tun ist. Vorsicht gilt auch bei Kritik und Ablehnung eines Verhandlungspunktes. Kritische Äußerungen sollten nur sehr sparsam erfolgen. Begnügen Sie sich mit einigen wenigen Andeutungen. Wenn Sie mit etwas gar nicht einverstanden sind, sollten Sie Ihre Ablehnung ohne ein direktes Nein kommunizieren, indem Sie beispielsweise einfach einen Gegenvorschlag unterbreiten.
Hierarchie und Lebenserfahrung
In Verhandlungssituationen sitzen sich auch in Deutschland idealerweise Partner in gleicher oder ähnlicher hierarchischer Position gegenüber. Dieser Punkt gewinnt in interkulturellen Begegnungen zusätzlich an Bedeutung. Ein hochrangiger asiatischer Geschäftspartner beispielsweise wird sich düpiert fühlen, wenn er den Eindruck hat, dass er mit einem „unerfahrenen Nachwuchsmanager“ verhandeln soll. Das Tückische dabei: Erfahrung und Rang werden oft am Lebensalter festgemacht. Dem reifen Manager traut man automatisch Können und Erfahrung zu, einem jüngeren Verhandlungspartner, der beispielsweise aufgrund seiner Produktexpertise ins Rennen geschickt wurde, kann es passieren, dass er nicht ernst genommen wird.
Um solche Situationen zu vermeiden, ist es hilfreich, bereits im Vorfeld zu betonen, dass der ausgewählte Verhandlungspartner über außergewöhnliches Know-how und Erfahrung in der Thematik verfügt und mit allen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wurde. Ansonsten erwarten die ausländischen Partner immer, dass sich am Ende doch noch der ranghöchste Chef einschalten wird, um die Verhandlungen zum Ende zu führen.
Unterschiede gibt es oft auch in den Möglichkeiten, die Ihrem Verhandlungspartner vorgegeben sind. Während man bei uns danach trachtet, im gemeinsamen Gespräch zu Kompromissen und Einigungen zu kommen, ist es in vielen Ländern üblich, dass im Gespräch nur Standpunkte ausgetauscht werden. Die wirklichen Entscheidungen werden dann hinter verschlossenen Türen gefällt. Es kann daher wichtig sein, über „Insider“ in Erfahrung zu bringen, wer letztlich die Entscheidungsbefugnis inne hat bzw. ob überhaupt entscheidungsbefugte Manager mit am Verhandlungstisch sitzen?
Gute Vorbereitung und Geduld
Trotz aller kulturellen Unterschiede gibt es zwischen internationalen Verhandlungspartnern immer auch eine große Gemeinsamkeit: das Interesse an einem guten Verhandlungsergebnis. Lediglich wie dieses erzielt wird, fällt in verschiedenen Geschäftskulturen weltweit sehr unterschiedlich aus.
Daher liegt es auf der Hand, dass es wenig sinnvoll ist, in einem internationalen Umfeld nur auf den eigenen, vertrauten Verhandlungsstil zu setzen. Diese Tipps helfen weiter:
Bereiten Sie sich auf die internationale Zusammenarbeit vor. Seminare zur „Cultural Awareness“ sensibilisieren allgemein für kulturelle Unterschiede und helfen dabei, die eigene kulturelle Prägung besser zu verstehen. Länderspezifische Trainings liefern Ihnen Grundlagenwissen zur Kultur Ihrer Geschäftspartner. Gehen Sie mit Geduld und realistischen Erwartungen in Meetings und Verhandlungen.
Das gilt vor allem auch für den Zeitrahmen: Fortschritte kommen oft schleppend. Planen Sie genügend Pufferzeit ein. Besprechen Sie dieses Thema auch rechtzeitig mit Ihren deutschen Vorgesetzten, damit Sie sich nicht unnötig unter Druck gesetzt fühlen.
Schaffen Sie zu jedem Zeitpunkt eine gute Gesprächsgrundlage. Suchen Sie nach Gemeinsamkeiten. Der berühmte „Smalltalk“ und gemeinsame Geschäftsessen helfen beim Aufbau einer tragfähigen persönlichen Beziehung.
Begegnen Sie Ihrem Gegenüber mit Interesse und Respekt.
Achten Sie auch auf nonverbale Signale wie Gesichtsaudruck und Körpersprache. Doch Vorsicht: Gesten können in unterschiedlichen Kulturen ganz unterschiedliche Bedeutung haben.
Statt Generalisierung: Das Individuum zählt!
Sehen Sie Ihren ausländischen Geschäftspartner aber auch als Persönlichkeit. Bemühen Sie sich, so viel wie möglich über seine Person zu erfahren, über seine Vorlieben, seine Art, seinen Kommunikationsstil. Dann können Sie ihn am Verhandlungstisch auch besser einschätzen. Denn der kürzeste Weg zur Überbrückung kultureller Unterschiede führt immer noch von Mensch zu Mensch.
Autorin: Brigitte Hild
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