Die Schweiz belegt in Sachen Wettbewerbsfähigkeit Platz eins, wie der jüngste Global Competitiveness Report des Weltwirtschaftsforums zeigt. Innovation, Effizienz und ein hoher Arbeitsethos sind weitere Stützpfeiler. Die vor allem den deutschsprachigen Schweizern nachgesagten Eigenschaften wie Ordnungsliebe, Präzision und ein hohes Maß an Sicherheitsdenken prägen eine Geschäftskultur, die vor allem Pragmatik und Planung zu ihren Erfolgsfaktoren zählt. Deutsche fühlen sich mit ihrem ebenfalls sachlichen Arbeitsstil in der schweizerischen Geschäftswelt durchaus zu Hause. Dennoch hilft es, bei gemeinsamen geschäftlichen Vorhaben einige interkulturelle Unterschiede wahrzunehmen.
Informationen trumpfen
Bei ersten Geschäftsterminen erwarten Schweizer eine gut vorbereitete Präsentation, die ins Detail geht. Häufig werden zu einem sehr frühen Zeitpunkt bereits tiefgründige Fragen diskutiert und bewertet. Es ist daher wichtig, Vertreter mitzubringen, die eine hohe technische Kompetenz aufweisen und Fakten zu Produkten oder Projekten zufriedenstellend erklären können. Schweizer gehen ungern Risiken ein, daher sichern sie sich vor allem durch umfassende Informationen ab, bevor ein gemeinsames Geschäft in Erwägung gezogen wird.
Harmonische Meetings und Verhandlungen
In nachfolgenden Meetings und Verhandlungen streben Schweizer vor allem nach Harmonie. Ihr Verhandlungsstil ist methodisch-analytisch. Vorausgesetzt werden daher sachliche und konfrontationsfreie Diskussionen. In der Konsequenz sind Schweizer daher eher dazu geneigt, bei unterschiedlichen Ansichten einen Kompromiss zu suchen als eine Position bis zum Ende durchzufechten. Die Teilnehmer eines Meetings oder einer Verhandlung zeichnen sich meist durch ein hohes Fachwissen aus. Daher werden durchaus auch mehrere Personen allein wegen ihrer Expertenfunktion für einzelne Fragestellungen mit eingeladen. Ein Generalvertreter, der alle Verhandlungen alleine führt, ist selten.
Trotz einer generell hohen Kompetenz zeigen sich Schweizer in Meetings und Verhandlungen bescheiden und nehmen ihre eigene Person nicht allzu wichtig. Statusdenken ist hier fast unbekannt. Understatement und Zurückhaltung sollten sie auch von ihren deutschen Geschäftspartnern erwarten dürfen, die sich dadurch angenehm von einem in der Schweiz herrschenden Stereotyp der überheblichen Deutschen unterscheiden.
Entscheidungsfindung innerhalb des Unternehmens
Ähnlich wie im Schweizer Staatssystem mit seinen vergleichsweise unabhängigen Kantonen und diversen Bürgerentscheiden wird auch in Unternehmen eine starke Dezentralisierung praktiziert. Die Hierarchien sind flach und die Basis verfügt über relativ hohe Entscheidungskompetenzen. In der Regel besteht eine Vielzahl operativer Einheiten. Jede trägt für bestimmte Aufgaben die Verantwortung. Bei der Entscheidungsfindung besteht ein tendenziell egalitäres Prinzip mit Konsensfindung. Entscheidungen werden daher zwar von der obersten Managementebene finalisiert, aber von mehreren Vertretern verschiedener Fachbereiche gemeinsam getroffen. Dieser Prozess der Einigung kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Einmal verabschiedete Entscheidungen werden jedoch von allen engagiert umgesetzt und ein Geschäft, das lange auf sich hat warten lassen, erfährt eine schnelle Anlaufphase.
Deutsch-Schweizer Projektkooperationen
Die Uhren mögen in der Schweiz langsamer gehen als in Deutschland. Nichtsdestotrotz sollten Deutsche immer pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk zu Meetings erscheinen und Fristen sehr genau einhalten. Termine werden generell lange im Voraus festgesetzt und ungern verschoben. Auch von einmal erstellten Projektplänen weichen Schweizer nur unfreiwillig ab. Gewünschte Änderungen müssen daher genau begründet werden. Dabei gilt es, genug Zeit zu gewähren, damit alle beteiligten operativen Einheiten umfassend informiert werden und angemessen reagieren können.
Teamwork ist in der Projektarbeit Schweizer Unternehmen eine gern gewählte Arbeitsform. Allerdings agieren die Teammitglieder in ihren jeweiligen Fachgebieten meist trotz der Teambildung relativ eigenständig und unabhängig. Auch hier ist der Schweizer Dezentralismus erkennbar. Für die deutschen Projektpartner heißt das, sich für offene Fragen immer auch an den fachlichen Ansprechpartnern direkt zu wenden.
Deutsch-Schweizerische Kooperationen sind vor allem dann von Erfolg gekrönt, wenn sich beide Seiten auf bestehende interkulturelle Unterschiede besinnen – und nicht wegen der gemeinsamen Sprache vorschnell davon ausgehen, dass sich alle problemlos verstehen. Die gemeinsame Vorliebe für Planung, Absicherung und Verlässlichkeit stellt jedoch die beste Voraussetzung dar, auf einer sachlichen Ebene harmonisch alle Ziele zu erreichen.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.
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