Ohne Umschweife sagen wir deutlich Ja und Nein. Auch unsere Körpersprache ist eindeutig. Bei einem Ja nicken wir bestätigend, bei einem Nein schütteln wir den Kopf. In Indien funktioniert unser Muster nicht. Wir können Ja und Nein nicht eindeutig dechiffrieren. Unsicherheit stellt sich ein. Besonders schwer fällt es uns, ein indisches Nein überhaupt als solches zu erkennen.
Den Code knacken
Warum? Wir kommunizieren direkt, Inder hingegen indirekt. In unserem Kulturkreis ist es möglich, Ablehnung mit einem Nein zum Ausdruck zu bringen, ohne dass dies als unhöflich gilt. Wir lieben den Diskurs, ringen um Standpunkte und lehnen den einen oder anderen ab, ohne die Person, die diesen vorbringt, abzulehnen. Inder assoziieren mit einem Nein zu einer Sache auch ein Nein gegenüber der Person. Ein direktes Nein ist ihrem Verständnis nach ein Schlag ins Gesicht. Inder mögen weder unfreundlich, noch harsch oder unverschämt sein und reden unserem Empfinden nach um den heißen Brei herum.
Ebenso kommt dazu, dass die für uns vertrauten Signale des Nickens und Kopfschüttelns in Indien nicht angesagt sind. Auch das für viele Regionen Indiens typische Kopfwackeln ist kein Nein.
Hier ein paar Tipps, wie Sie den Code knacken können und ein indisches Nein als Nein verstehen:
Signale
Wenn Inder Ihnen auf Ihre Frage keine Antwort geben oder beharrlich ausweichend reagieren, das Thema wechseln, vor der Antwort zögern oder nur im Konditional sprechen, können Sie dies als ein Nein interpretieren. Sätze wie „Ich werde mein Bestes versuchen“ oder „ich werde es mit meinem Team besprechen und wieder auf Sie zukommen“, heißen Nein.
Im direkten Gespräch haben Sie einen Vorteil und können das Nein zudem aus der Körpersprache herauslesen. Die Gesten sind unserem Empfinden nach eher ein Ausdruck der Verlegenheit: Wegschauen, den Blick im Raum schweifen lassen, unsicher von einem Bein auf das andere wechseln, sich räuspern, hüsteln, Hände reiben, am Ohr zupfen etc.
Rettungsanker
Ein indisches Nein als Nein zu verstehen, ist zugegebenermaßen schwierig. Es braucht Übung, den Code zu knacken. Sie können nachfragen, ob Sie die Antwort richtig verstanden haben, indem Sie eine kurze Zusammenfassung bieten und diese z.B. einleiten mit: „Did I get you right …?“ oder „Just for my understanding …“
Indern gegenüber Nein sagen
Ein Ja ist ein Ja und ein Nein ein Nein. So heißt es bei uns. Klar und direkt. Wir denken überhaupt nicht daran, dass unser Nein in der Sache jemanden persönlich beleidigen könnte. Denn wir trennen zwischen Person und Sache. In der Sache können wir unterschiedlicher Meinung sein, sogar einen heftigen Disput haben und trotzdem gut miteinander auskommen.
Ok, Sie haben recht: es gibt die, die sich persönlich angegriffen fühlen. Modelltyp: “beleidigte Leberwurst”. Alles persönlich zu nehmen, ist unserem
Verständnis nach kein Helden-Konzept!
Harvard empfiehlt die Trennung zwischen Person und Sache als konfliktpräventives Tool. Diese Einsicht ist jedoch viel älter und hat mit dem Christentum zu tun, das unser Denken prägt. Danach gibt es eine strikte Unterscheidung zwischen Sünder und Sünde. Die Formel heißt: Den Sünder lieben wir, seine schlechte Tat verabscheuen wir.
Typisch indisch: Verletzt sein und immer noch lächeln
In Indien sind wir damit konfrontiert, dass unser direktes Nein als persönliche Ablehnung verstanden wird. Um es bildhaft zu sagen: Tendenziell sind Inder mehr der Typ beleidigte Leberwurst. Aber mit dem Unterschied: Sie lächeln immer noch. Das hat zur Folge, dass es uns nicht in den Sinn kommt, unser Gegenüber durch unsere Direktheit verletzt zu haben.
Wenn Sie NEIN sagen möchten, geht das am besten mit der Sandwich-Methode! Verbinden Sie Ihr Nein mit etwas Positiven und stellen dann zum Schluss heraus, dass die Ablehnung nur der Sache, nicht der Person gilt. Sie können z.B. die Punkte bekräftigen, denen Sie zustimmen, um dann zu sagen, dass Sie an einem ganz speziellen Punkt Nein sagen müssen. Begründen Sie Ihr Nein sehr sachlich und unterstreichen Sie, dass Sie niemandem persönlich mit ihrer abschlägigen Antwort auf die Füße treten.
So geht es in drei Schritten:
1. Ja (Positives herausstellen und Übereinstimmung beschreiben) –
2. NEIN (deutliches Nein mit Angabe von Gründen) –
3. Verdeutlichung, dass Ablehnung nur der Sache gilt und nichts Persönliches ist.
Erfolgreich ist diese Methode unter der Bedingung, dass Sie wirklich konsequent und ausnahmslos zwischen Person und Sache trennen und nicht selbst zur beleidigten Leberwurst werden.
Prof. Dr. Simone Rappel
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