Strategeme chinesischer Verhandlungstaktik

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Chinesische BWL-Studenten lernen auf der Universität, Geschäfte auf Basis der „36 Strategeme“ zum Erfolg zu führen. Dabei handelt es sich um eine Kriegskunst aus dem 15. Jahrhundert. Denn Täuschungsmanöver, List und Raffinessen gelten in China als angesehene Mittel, um den Verhandlungspartner zu meist unbewussten Zugeständnissen zu bewegen. Deutsche Manager, die feststellen, dass ihre chinesischen Geschäftspartner nur unter Anwendunge einer List ihr Ziel erreicht haben, fühlen sich meist hinters Licht geführt. Wir bewerten listiges Vorgehen als negativ. Listige Geschäftspartner meiden wir lieber. In China hat die Anwendung von List überhaupt kein negatives Image. Systematische Tricks und Kniffe, deren Anwendung geplant oder auch intuitiv erfolgt, zeichnen einen guten Manager aus.

Deutsche Geschäftsleute, die sich etwas mit diesen 36 Strategemenen beschäftigt haben, können in Verhandlungen mit chinesischen Geschäftspartnern auf den ersten Blick eigentümlich erscheinende Verhaltensweisen leichter identifizieren und zuordnen. Gleichzeitig gewinnen sie bei ihren Geschäftspartnern an „Gesicht“, denn das Durchschauen einer List wird in China ebenfalls hoch geachtet.

Die 36 Strategeme lauten:

1) Den Kaiser täuschen und das Meer überqueren
2) (Die ungeschützte Stadt) Wei belagern um (den Bündnispartner) Zhao zu retten (ein wichtiges Ziel des Gegners angreifen, um von den eigenen Zielen abzulenken)
3) Mit dem Messer eines anderen töten (auch Stellvertreterkrieg)
4) Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten
5) Ein Feuer für einen Raub ausnützen
6) Im Osten lärmen, im Westen angreifen
7) Etwas aus einem Nichts erzeugen (aus einer Mücke einen Elefanten machen)
8) (Sichtbar etwas tun und dabei) Heimlich nach Chencang marschieren
9) (Scheinbar unbeteiligt) Das Feuer am gegenüberliegenden Ufer beobachten (nichts tun, bis sich die Lage zum eigenen Vorteil entwickelt hat)
10) Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen
11) Der Pflaumenbaum verdorrt anstelle des Pfirsichbaums (Bauernopfer)
12) Mit leichter Hand das (einem unerwartet über den Weg laufende) Schaf wegführen (Gelegenheiten am Schopfe packen)
13) Auf das Gras schlagen, um die Schlange aufzuscheuchen (den Gegner aus der Reserve locken)
14) Für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen (Einschüchterung)
15) Den Tiger vom Berg in die Ebene locken (jemanden aus seinem vertrauten Terrain locken)
16) Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen
17) Einen Backstein hinwerfen, um Jade zu erlangen (Trojanisches Pferd; jemanden auf eine falsche Fährt führen)
18) Den Gegner durch Gefangennahme des Anführers unschädlich machen
19) Das Brennholz heimlich unter dem Kessel wegnehmen (dem Gegner die Ressourcen wegnehmen)
20) Das Wasser trüben, um die (dann orientierungslosen) Fische zu fangen
21) Die Zikade wirft ihre goldglänzende Haut ab (das eigentliche Geschehen spielt sich irgendwo anders ab.)
22) Die Türe schließen, um den Dieb zu fangen
23) Sich mit dem fernen Feind verbünden, um Nachbarn anzugreifen (der Feind meines Feindes ist mein Freund)
24) Einen Weg für einen Angriff gegen Guo ausleihen. (Hilfe gegen einen Feind erbitten und dann den Helfer überlisten)
25) Die Balken stehlen und gegen morsche Stützen austauschen (ohne Veränderung der Fassade die Stützpfosten stehlen; z. B. Spitzenmanager abwerben)
26) Die Akazie schelten, dabei aber auf den Maulbeerbaum zeigen (einen Sündenbock suchen)
27) Verrücktheit mimen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren (sich dumm stellen)
28) Auf das Dach locken, um dann die Leiter wegzuziehen
29) Dürre Bäume mit künstlichen Blüten schmücken (Stärke vortäuschen; Mogelpackung)
30) Die Rolle des Gastes in die des Gastgebers umkehren (vom Jäger zum Gejagten werden)
31) Die List der schönen Frau (Korrumpierung)
32) Die List der offenen Stadttore (einen Hinterhalt vortäuschen)
33) Die List des Zwietrachtsäens (zwei gegeneinander ausspielen)
34) Die List der Selbstverstümmelung (sich selbst verletzen, um Mitleid zu erregen)
35) Die Ketten-Strategie (mehrere Strategien miteinander verknüpfen)
36) Weglaufen ist die beste Methode (rechtzeitig weglaufen, wenn etwas aussichtslos erscheint)

Hier einige Beispiele zum besseren Verständnis:

Strategem Nummer 6: “Im Osten lärmen, im Westen angreifen”

Bei diesem Strategem zielen Verhandlungsführer darauf ab, durch ein „Scheingefecht“ den Verhandlungspartner so abzulenken, dass er an anderer Stelle unaufmerksam wird und einen Angriff nicht bemerkt. Es wird also bei einem relativ unwichtigen Verhandlungsthema viel Lärm um nichts gemacht. Durch anscheinend schmerzhafte Eingeständnisse wird der anderen Seite ein Verhandlungserfolg vorgegaukelt, der diese wiederum dazu veranlasst, an anderer, wichtigerer Stelle im Gegenzug nachzugeben.

Strategem Nummer 8: “(Sichtbar etwas tun und dabei) heimlich nach Chencang marschieren”

Unter diesem Strategem werden beispielsweise Verhandlungen unnötig in die Länge gezogen und schließlich abgebrochen. Ziel war einzig, über diesen Umweg etwas ganz anderes zu erreichen, z. B. interne Informationen zu Produkten oder Herstellungsmethoden zu gewinnen.

Strategem Nummer 13: “Auf das Gras schlagen, um die Schlange aufzuscheuchen (Den Gegner aus der Reserve locken)”

Die Anwendung dieses Strategems kann darin bestehen, gezielt Signale auszusenden, um eine Reaktion der Gegenseite zu provozieren. Zum Beispiel werden absichtlich falsche Informationen gestreut.

Strategem Nummer 17: „Einen Backstein hinwerfen, um Jade zu erlangen“

Ein gutes Beispiel wäre ein Lockangebot. Im Kleingedruckten finden sich jedoch Vereinbarungen, die der anderen Seite große Vorteile bringen.

Strategem Nummer 20: “Das Wasser trüben, um die orientierungslosen Fische zu fangen”

Dieses Strategem äußert sich in Verhandlungen meist dadurch, dass die Verhandlungsführer eigentlich simple Sachverhalte verkomplizieren oder Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, vermischen. Aussagen der Geschäftspartner werden bewusst missverstanden. Ziel ist es, den Verhandlungspartner damit beschäftigt zu halten, nach Klarheit zu suchen. Gelingt es, seine Konzentration über die Zeit ausreichend zu beeinträchtigen, kann sich dies zu einem klaren Verhandlungsvorteil entwickeln.

Strategem 25: Die Balken stehlen und gegen morsche Stützen austauschen (ohne Veränderung der Fassade die Stützpfosten stehlen)

Ein Fallbeispiel für dieses Strategem wäre, dem Verhandlungspartner durch einen Kooperationsvertrag entscheidendes technisches Know-how abzuluchsen und anschließend weitere Vereinbarungen zu ignorieren oder die Kooperation schlicht im Sande verlaufen zu lassen. Auch jegliche Formen des Etikettenschwindels fallen unter dieses Strategem.

Strategeme jederzeit und überall

Die 36 Strategeme kommen jederzeit und überall zum Einsatz: in der Wirtschaft, in der Politik, beim Sport und auch im Privatleben. Einige Strategeme können sowohl konstruktiv als auch destruktiv angewendet werden. So hören Chinesen von kleinauf Geschichten, sehen Comics oder Fernsehfilme, in denen die Strategeme auf verschiedenste Weisen spielerisch zum Einsatz kommen. Wie bereits erwähnt, werden später an der Universität die Kenntnisse der Strategeme für die Anwendung im Business erweitert.

Deutsche Kaufmannstugenden versus chinesische Kriegskunst

Sicherlich kennen auch westliche Manager in Verhandlungen einige Tricks und Kniffe, um ihren Verhandlungspartner zu Zugeständnissen zu bewegen. Dennoch überwiegt bei ihnen meist die moralische Grundhaltung des „ehrbaren Kaufmannes“. Die Auseinandersetzung mit den 36 Strategemen bringt deutsche Unternehmen daher mit einem chinesischen Denkmuster in Berührung, nach dem List und Täuschungsmanöver zu einem guten Verhandlungsstil einfach dazugehören und weder als unerhlich noch als unmoralisch bewertet werden.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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