Geschäftstermine mit Argentiniern sind meist geprägt von großer Höflichkeit, Respekt und Hochachtung. Gleichzeitig wird man Ihnen jedoch auch sehr herzlich begegnen, denn Argentinier sind beziehungsorientiert. Sie trennen nicht zwischen einer persönlichen und einer sachlichen oder beruflichen Ebene. Argentinier halten wenig Distanz: Das Privatleben spielt ins Berufsleben mit rein und man wird ganz selbstverständlich auch über private Themen sprechen oder Sie werden nach Hause zum großen asado, dem typisch argentinischen Grillfest, eingeladen.
Kommt man neu nach Argentinien, so empfindet man diese spontane Herzlichkeit meist als sehr positiv. Sie werden sich in Argentinien von Anfang an sehr willkommen fühlen. Es kann aber auch sein, dass Ihnen der sehr persönliche Umgang der Argentinier bald ein bisschen zu weit geht. Versuchen Sie trotzdem, locker und offen zu bleiben.
Denn für Ihren geschäftlichen Erfolg ist es von größter Wichtigkeit, dass Sie sich auf die persönliche Beziehungsebene der Argentinier einlassen. Man möchte Sie als Menschen kennenlernen, bevor man mit Ihnen Geschäfte macht. In Argentinien funktionieren Geschäftsbeziehungen nur, wenn auch die persönlichen Beziehungen stimmen! Verträge und Absprachen hingegen gelten mehr als grobe Richtlinien. Was wirklich zählt, ist der gute zwischenmenschliche Kontakt.
Gegenseitiges Einordnen
Daneben ist in Argentinien die soziale Stellung sehr wichtig, denn das Klassenbewusstsein ist stark ausgeprägt. Argentinier haben ein feines Gespür dafür, zu welcher Schicht jemand gehört, also zum Beispiel ob zur oberen oder zur unteren Mittelschicht. Es kommt darauf an, auf welchen Schulen man war, welchen Sport man treibt, welchen Clubs man angehört. Ihnen werden sich diese feinen Unterschiede vermutlich erst erschließen, wenn Sie eine gewisse Zeit im Land verbracht haben. Dennoch sollten Sie bereits bei Ihrem ersten Kontakt beachten, dass gesellschaftliche Hierarchien im argentinischen Geschäftsleben eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
Simpatía – gegenseitige Wertschätzung
Vor diesem Hintergrund sollten Sie in den ersten Gesprächen mit Ihren argentinischen Geschäftspartnern zwei Grundkonzepte beachten: simpatía und buena presencia.
Simpatía ist die gegenseitige Wertschätzung, und umfasst den sehr persönlichen und herzlichen Umgang miteinander – und zwar sowohl mit Freunden als auch mit Geschäftspartnern. Argentinier streben ein harmonisches Miteinander an und vermeiden Konflikte, so gut es geht. Besonders im Berufsleben gehen sie daher mit Kritik sehr zurückhaltend um. Es gilt, auch in strittigen Angelegenheiten sein Gegenüber vor einem Gesichtsverlust zu bewahren, um die simpatía nicht zu gefährden. Argentinier legen sehr viel Wert auf Lob und Anerkennung, sagen Sie es also ruhig, wenn Ihnen etwas besonders gut gefällt. Damit kommen Sie dem Harmoniebedürfnis der Argentinier sehr entgegen.
Buena presencia – persönliches Erscheinungsbild
Die buena presencia bezeichnet das persönliche Erscheinungsbild und das angemessene Auftreten, vor allem im Berufsleben. Zu einer buena presencia, also einem guten Auftritt, gehört in erster Linie eine eher konservative, sehr korrekte Kleidung mit blank geputzten Schuhen. Männer tragen einen teuren Anzug mit Krawatte, Frauen kleiden sich im Business elegant und weiblich. Durch die buena presencía möchte man seinen sozialen Status unterstreichen, aber auch simpatía hervorrufen – und so einen rundum gelungenen Eindruck hinterlassen.
Und der Machismo?
Ein dritter Begriff, der für das Verständnis der argentinischen Geschäftskultur hilfreich ist, ist der sogenannte machismo. Ein machohaftes Verhalten ist in Deutschland sehr negativ belegt. In Argentinienbezeichnet machismo aber eigentlich die Wertschätzung der Frau. Man könnte sagen, dass sich argentinische Männer Frauen gegenüber als Gentlemen sehen. Dass die Gleichstellung der Frau in Argentinien generell noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in anderen Ländern, sieht man allerdings daran, dass es zum Beispiel viel weniger Frauen in Führungspositionen gibt und dass die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau nach wie vor eher konservativ ist.
Wenn Sie als Geschäftsfrau nach Argentinien reisen, werden Sie feststellen, dass man Ihnen gerne die Tür aufhält, Ihnen einen freien Platz anbietet oder Ihnen schwere Gegenstände abnimmt. Auch würde Sie ein Argentinier nie auf der der Straße zugewandten Seite des Gehwegs laufen lassen. Sie als Frau dürfen immer innen gehen, damit Ihnen der Straßenverkehr nichts anhaben kann. Auch wenn Ihnen diese Sonderbehandlung unangenehm ist, versuchen Sie trotzdem, die kleinen Aufmerksamkeiten anzunehmen. Wenn Sie in Argentinien zu sehr auf Emanzipation pochen, gefährdet das in jedem Fall die simpatía und Sie stoßen Ihre neuen argentinischen Geschäftspartner vor den Kopf.
Achten Sie bei Ihren Geschäftsterminen in Argentinien also unbedingt auf simpatía und buena presencia und verstehen Sie auch den machismo richtig. Lassen Sie sich auf das ausführliche gegenseitige Kennenlernen ein und machen Sie eine gute Figur. Dies wird sich bei der weiteren Geschäftsanbahnung in Argentinien mit Sicherheit auszahlen!
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.