Projektarbeit mit Franzosen

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Aus französischer Sicht besteht die primäre Aufgabe in der binationalen Zusammenarbeit nicht in der Finalisierung des gemeinsamen Projekts, sondern in der Zufriedenheit der beteiligten Parteien. Das Abarbeiten einzelner Projektschritte wird diesem Anliegen untergeordnet. Während also die Deutschen hauptsächlich mit Daten und Fakten agieren, kümmern sich die Franzosen vornehmlich um die Ausgewogenheit der Beziehungsebene. Bleibt jedoch durch das konsequent sachorientierte Verhalten der Deutschen die Gestaltung der Beziehungen langfristig auf der Strecke, neigt sich ein deutsch-französisches Partnerprojekt sehr schnell seinem Ende zu. Denn Franzosen zögern im Extremfall nicht lange, ein Projekt einzig aus diesem Grund radikal abzubrechen.

Die französische Personenorientierung bringt es also mit sich, dass es bei weitem nicht genügt, das richtige Produkt oder die passende Dienstleistung anzubieten. Denn die persönliche Beziehung spielt eine weit größere Rolle. Und je kleiner das französische Partnerunternehmen ist, desto wichtiger wird der persönliche Draht zu den dortigen Ansprechpartnern. Gemessen an ihren eigenen Maßstäben müssen deutsche Manager also zusätzliche Zeit in den Aufbau ihrer Geschäftsbeziehungen nach Frankreich investieren.

Informationswege

Diese zeitintensive Beziehungspflege spielt auch in den stark hierarchisierten französischen Unternehmens selbst eine große Rolle. Informelle Verbindungen und gegenseitige Gefälligkeiten sind dem offiziellen Dienstweg entlang der Hierarchiestufen häufig vorgeschaltet. Bei der Projektarbeit sollten deutsche Geschäftspartner daher unbedingt Augen und Ohren offen halten, um die Funktionsweise der internen Strukturen ihres französischen Partnerunternehmens besser durchschauen zu können. Wichtig im Blick zu halten ist auch, dass zu erledigende Aufgaben nur nach direkten Anweisungen erfolgen. Bleiben diese aus, sollte man in Betracht ziehen, dass das gemeinsame Projekt zum Stillstand kommt.

Der Verantwortungsspielraum, der mit der Aufgabe delegiert wird, ist in Frankreich in der Regel geringer als in Deutschland. Das bringt mit sich, dass Franzogen viel mehr mit ihrem jeweiligen Vorgesetzten kommunizieren müssen. Das hat wiederum zur Konsequenz, dass deutsche Partnerunternehmen auf verschiedenen Ebenen Einfluss nehmen und eine persönliche Beziehung aufbauen müssen, um binationale Projekte zum Erfolg zu führen.

Französisches laissez-faire

Die Diskrepanz zwischen der deutschen Planungsgenauigkeit und dem laissez-faire der Franzosen resultiert zu einem gewissen Grad auch aus einem unterschiedlichen Zeitempfinden. Franzosen sind sehr viel mehr als ihre deutschen Nachbarn in der Lage, mehrere Handlungsstränge parallel zu verfolgen. Dadurch kann sich ihre Prioritätensetzung sehr schnell ändern, d.h. ihr Zeitplan wird immer wieder neu angepasst. Einmal festgesetzte Termine können somit aus französischer Sicht immer nur einen groben Orientierungsrahmen vorgeben. Er wird eingehalten, wenn der Alltag es erlaubt oder wenn Dringlichkeit und Wichtigkeit dies erfordern. Somit entsprechen von französischer Seite Vereinbarungen zwischen Geschäftspartnern in erster Linie einer gemeinsamen Absichtserklärung.

Flexibilität oder Beliebigkeit?

Diese parallele Organisation verschiedener Aufgaben und Tätigkeiten wird in der französischen Businesskultur als Flexibilität und Grundlage eines effektiven Arbeitens empfunden und nur von zeitplanliebenden Deutschen als Beliebigkeit oder sogar Chaos interpretiert. Denn Deutsche betrachten Arbeit nur dann als effizient, wenn sie eine Sache zu Ende führen und erst dann etwas neues bginnen. Für Franzosen besteht die optimale Nutzung der Zeit darin, möglichst viele Tätigkeiten gleichzeitig voran zu bringen.

Über die Beziehungsebene zur Fristeinhaltung

Wichtig zu beachten ist auch in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Beziehungsebene. Denn werden beispielsweise in einem französischen Unternehmen Aufträge für mehrere Kunden gleichzeitig ausgeführt, bestimmt letztlich die Stimmigkeit der Beziehungsebene mit den jeweiligen Geschäftspartnern, wessen Projekt oberste Priorität erhält. Spätestens aus diesem Grund sollten sich Deutsche regelmäßig und intensiv um die Pflege ihrer französischen Geschäftsbeziehungen bemühen und die ein oder andere zusätzliche Geschäftsreise nach Frankreich einplanen.

Wird also von französischer Seite nicht pünktlich geliefert, ist einzig empfehlenswert, wieder verstärkt an der Beziehungsebene zu arbeiten und in diesem Zug die Dringlichkeit und Wichtigkeit der Termineinhaltung zu betonen.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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