„Germans are so rude“, höre ich immer wieder von Menschen aus anderen Ländern und Kulturen. Woher kommt diese weitverbreitete Meinung? Was verursacht diese – oft unbegründete – Schlussfolgerung?
Ein Aspekt ist sicher die sehr direkte Ansprache, die in der deutschen Kultur gebräuchlich ist. Wenn Deutsche etwas nicht wollen, dann sagen sie oft unverblümt „Nein“. Diese Wortwahl ist im internationalen Umfeld sehr unglücklich, stößt – leider – viele Menschen aus anderen Kulturkreisen vor den Kopf. Das unbeschönigte „Nein“ ist in vielerlei Hinsicht dafür verantwortlich, dass Deutsche als unhöflich, abrupt oder gar unverschämt empfunden werden.
Nein lässt sich weicher ausdrücken
Ein Mensch mit anderem kulturellen Hintergrund, wie etwa ein Angelsachse, wird die direkte Verneinung möglichst vermeiden, sie nur bei zwingendem Grund verwenden, liegt dem harten „no“ doch eher ein befehlerischer Ton zugrunde. Ein „no“ hört zum Beispiel das Kind, das Regeln bricht oder der Mensch, der Grenzen überschreitet.
Natürlich ist in diesem Zusammenhang nicht die Ablehnung eines Angebotes, z.B. eines Getränkes, gemeint. Wenn ich keinen Kaffee trinken möchte, dann ist ein „No, thanks“ absolut in Ordnung. Ich spreche vom „no“ als Zurückweisung. In diesen Situationen wird in angelsächsischen Kulturkreisen das „Nein“ viel weicher ausgedrückt, manchmal so weich, dass ein Deutscher das „Nein“ gar nicht als solches wahrnimmt. „I’d rather not“, „I don’t think so“, „Sorry, that’s not possible“, „That isn’t going to work“, bedeuten alle „Nein“, und zwar ohne wenn und aber.
Nicht nur das gesprochene Nein zählt
Solche sprachlichen Nuancen in einer geschäftlichen Kommunikation nicht richtig zu verstehen, resultiert oft in gefährlichen Fehlschlüssen, in teuren Missverständnissen. Wenn die eigene Sprachkompetenz für die geforderte Aufgabe nicht ausreicht, dann ist man meistens mit dem Verstehen einzelner Vokabeln so intensiv beschäftigt, dass man die Kommunikation als solche nur teilweise oder gar nicht mehr wahrnimmt. Und das ist hochgefährlich! Denn konzentriert man sich nur auf das gesprochene Wort, wird ein sanft formuliertes „Nein“ des ausländischen Geschäftspartners nicht erkannt und weiter in die falsche Richtung geprescht. Oder Körpersprache, die eine gesprochene Aussage negiert oder gar ins Gegenteil verkehrt, wird schlichtweg nicht wahrgenommen. Wenn ein Brite ein Angebot mit „That’s a good idea“ kommentiert, kann das z.B. das genaue Gegenteil der gesprochenen Worte bedeuten. Hier ist die Körpersprache, der Ton, das gesamte kommunikative „Drumherum“ von enormer Bedeutung.
So betrachtet ist es nicht verwunderlich, wenn ein Mensch aus einer Kultur, die ein direktes „Nein“ möglichst vermeidet, dessen häufigem Gebrauch in der deutschen Kommunikation mit Befremden gegenübersteht. Im Umkehrschluss ist es für Deutsche ebenfalls eine Herausforderung, das auf internationaler Ebene oft versteckte „Nein“ als solches herauszuhören.
Autorin: Patricia Hinsen-Rind – Die gebürtige Kanadierin hat ihre eigenen Erfahrungen mit dem Lernen von Sprachen in ihre zweite Karriere fließen lassen: Nachdem sie verschiedene Führungspositionen in der Finanz- und IT-Industrie bekleidete, leitet sie heute ihre eigene Sprachschule, die den Spracherwerb mit dem Eintauchen in die neue Kultur verknüpft.