Sowohl für Führungskräfte als auch Angestellte können Mitarbeitergespräche ein leidiges Thema sein. Denn neben Lob und Anerkennung müssen nicht selten auch kritische Worte fallen, etwa um ein nicht erreichtes Ziel oder ein nicht ausgeschöpftes Potenzial anzumahnen. Viele Mitarbeiter tun sich sehr schwer damit, ein Feedback zu akzeptieren, das ihre Arbeitsleistung kritisiert, was wiederum den Vorgesetzten in die umso schwierigere Lage versetzt, es auszusprechen.
Die Gesprächsführung wird für Führungskräfte jedoch zu einer noch viel größeren Herausforderung, wenn die Mitarbeiter aus einem Kulturkreis stammen, in dem andere Kommunikationsmuster als in vorherrschen. Schon allein im Hinblick auf die Direktheit der Aussagen existiert eine große Kluft zwischen Deutschland und so ziemlich dem Rest der Welt.
Kommunikationsmuster kennen
Deutschland ist eine Low-Context-Kultur, in der mit klaren Aussagen kommuniziert wird. Die Dinge werden beim Namen genannt, nichts wird beschönigt. Kritische Worte sollen konstruktiv dazu beitragen, dass künftig alles besser wird. In den meisten asiatischen Ländern ist hingegen High-Context die Regel. Das bedeutet, dass Informationen sehr viel indirekter und aus dem Gespräch heraus, also eben im Kontext, vermittelt werden. Dabei spielen auch weitere Kommunikationskanäle, wie etwa Mimik und Gestik, eine besondere Rolle, die, wenn sie und richtig interpretiert werden, die Informationsübermittlung unterstützen.
Während es also hierzulande üblich ist, direkte Aussagen zu treffen, werden in den meisten asiatischen Ländern viele Gedanken auf höfliche, sensible und indirekte Art und Weise, aber trotzdem absolut verständlich weitergegeben. Dieser kontextbezogene Kommunikationsstil führt dazu, dass asiatische Mitarbeiter meistens irritiert sind, wenn ihre deutschen Vorgesetzten versuchen, Arbeitsleistung und Zielerreichung detailliert zu besprechen. Sie wissen einfach nicht, wie sie mit derart direkten Aussagen ihres Chefs umgehen und diese auf sich persönlich beziehen sollen.
Auf zwei Dinge kommt es an
Doch worauf lässt sich die indirekte Kommunikationsweise in Asien zurückführen? In Ländern wie China, Japan, Indien und in Südostasien gibt es zwei Werte, auf die bei zwischenmenschlichen Kontakten sehr geachtet wird: das Gesicht wahren und nach Harmonie streben. Es ist von besonderer Bedeutung, wie etwas gesagt wird, um den anderen nicht vor den Kopf zu stoßen oder ihn gar bloßzustellen.
Zwischen Sach- und Beziehungsebene wird daher in der Kommunikation kaum unterschieden. Es ist somit auch nicht möglich, rein sachlich zu kritisieren. Direkte negative Äußerungen einer anderen Person gegenüber stellen zudem eine persönliche Charakterschwäche dar. Derjenige, der die negativen Worte ausspricht, scheint nicht in der Lage zu sein, mit kritischen Situationen angemessen umzugehen.
Übt also ein deutscher Vorgesetzter direkte Kritik, die sich vielleicht sogar nur auf eine bestimmte Sache bezieht, wird diese von seinen asiatischen Mitarbeitern nicht nur sehr persönlich genommen und als Beleidigung aufgefasst werden. Zudem verliert er selbst sein Gesicht, da es ihm aus Sicht der Asiaten offensichtlich an gutem Benehmen fehlt. Das kann in einem Team sehr demotivierend wirken und die Loyalität dem Chef gegenüber maßgeblich beeinträchtigen.
Das Sandwich als Werkzeug
Doch wie kann man als Vorgesetzter in einem Mitarbeitergespräch mit Asiaten kritische Punkte ansprechen? Auf jeden Fall kultursensibel: Kritische Punkte sollten erst nach einem großen Lob über die sonstige Arbeitsleistung vorsichtig angeführt werden. Daneben wird die Kritik in Form von Verbesserungsvorschlägen ausgesprochen und anschließend mit weiteren lobenden Worten abgeschlossen. Eine positive Wortwahl muss ebenfalls immer beachtet werden.
Für Deutsche klingt das wohl kaum nach klaren Aussagen, sondern vielmehr danach, dass einfach nur um den heißen Brei herumgeredet wird. Doch asiatische Mitarbeiter sind eine derart indirekte Kommunikation gewöhnt und werden in einem Mitarbeitergespräch ganz genau heraushören, was gemeint ist.
Alles für das Team
Ein weiterer kultureller Unterschied besteht darin, dass Asiaten sehr gruppenorientiert sind. Der Ehrgeiz des Einzelnen, selbst erfolgreich zu sein, ist bei Weitem nicht so groß, wie das Streben danach, das gesamte Team voranzubringen. Es zählt das Ergebnis, das man gemeinsam erzielt, und deshalb betrachtet auch der asiatische Vorgesetzte nicht die Leistungen des Einzelnen, sondern die des Teams.
Mitarbeiter aus solchen Kulturkreisen sind daher weniger Einzelgespräche, sondern vielmehr Teambesprechungen gewohnt, in denen die Dinge aus einer Wir-Perspektive heraus betrachtet werden. Wenn sich unsere Klienten auf ihre neue Führungsrolle in Asien vorbereiten, raten wir ihnen immer, diese Gruppenorientierung in Einzelgesprächen zu berücksichtigen. Deutsche Chefs in Asien sollten einfach öfters mal von ‚wir‘ sprechen, selbst wenn es eine klare Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Teammitgliedern gibt.
Das Privatleben gehört dazu
Ebenso kann es vorkommen, dass Asiaten in Mitarbeitergesprächen persönliche Themen zur Sprache bringen. Das mag ein deutscher Chef unangebracht finden, nicht weil es ihm an Menschlichkeit fehlt, sondern weil in Deutschland sehr stark zwischen beruflicher und privater Ebene getrennt wird.
Doch in einem Vier-Augen-Gespräch, etwa mit einem indischen Mitarbeiter, kann es durchaus passieren, dass dieser anfängt, von seinen Konflikten im Privatleben zu erzählen, und gewisse Beeinträchtigungen seiner Arbeit damit begründet. Der deutsche Vorgesetzte sollte diese Hintergründe nicht völlig ignorieren. Denn neben dem autoritären Führungsstil, der in vielen asiatischen Unternehmen vorherrscht, gibt es oft zusätzlich eine paternalistische Komponente. Aus seiner Fürsorgepflicht heraus berücksichtigt der Chef die privaten Belange seiner Mitarbeiter und schreitet bei Bedarf sogar ein.
Ohne Ziele keine Leistung
Doch Mitarbeitergespräche darüber, ob gewünschten Leistungen nun erbracht wurden oder nicht, machen erst dann richtig Sinn, wenn zuvor klare Zielvereinbarungen getroffen wurden. Hierfür sollte die gegenseitige Erwartungshaltung genau betrachtet werden, denn diese wird ebenfalls sehr stark von kulturellen Hintergründen geprägt.
Erwartet etwa die deutsche Führungskraft von ihren Mitarbeitern Selbstständigkeit und Urteilsvermögen, so sollte sie dies auch kommunizieren. Denn in den meisten asiatischen Kulturen ist das nicht die Norm. Besonders in familiengeführten oder staatlichen Unternehmen sind es Mitarbeiter gewöhnt, dass die gesamte Macht beim Chef liegt, der alle Entscheidungen selbst trifft, über Arbeitsabläufe bestimmt und anschließend seinen Mitarbeitern klare Anweisungen zur Ausführung erteilt. Außerdem kontrolliert er regelmäßig die Arbeitsergebnisse.
Hierzulande wäre das ein Zeichen dafür, dass der Vorgesetzte einem Mitarbeiter eine zugeteilte Aufgabe nicht ganz zutraut. Doch in asiatischen Unternehmen wird Kontrolle gerne gesehen und wirkt motivierend. Denn je wichtiger eine Aufgabe ist, desto mehr kontrolliert der Chef, und desto mehr Anerkennung und Wertschätzung empfindet der betroffene Mitarbeiter. Wird er nur wenig kontrolliert, kann seine Arbeit nicht so wichtig sein.
Diesen traditionellen Führungsstil schätzen asiatische Mitarbeiter sehr, denn aufgrund genauer Anweisungen und Kontrollen können sie für ihr Tun nicht unbedingt kritisiert werden. Daher tun sie sich sehr schwer, wenn plötzlich die Übernahme von Verantwortung erwartet wird.
In Mitarbeitergesprächen sollten deshalb beim Thema Zielvereinbarung die gegenseitigen Erwartungen zwischen deutschen Vorgesetzten und asiatischen Mitarbeitern – und wenn nötig auch die genauen Vorgehensweisen zur Erledigung einer übertragenen Aufgabe – besonders klar abgesprochen werden. Denn Ziele können nur erreicht werden, wenn sie bekannt sind.
Autorin: Panagiota Gomes da -Costa – Die Diplom-Volkswirtin Panagiota Gomes da Costa war für Marketing und Public Relations bei der crossculture academy zuständig. Heute arbeite sie an der AKAD University in Stuttgart in der Marketingabteilung.