Messevorbereitung Indien: Wie ich lernte, dem Chaos zu vertrauen

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Indien-Trainerin Martina Maciejewski-Hofmann war bis Dezember 2011 als Projektleiterin der Messe München GmbH tätig, um in Mumbai die drink technology India zu organisieren.

Vorweg gesagt – was in Indien für sämtliche geschäftliche Kooperationen und Geschäfte aller Art gilt, ist beim Messegeschäft nicht anders: Lernen Sie Ihre Kollegen, Kunden und Partner vor Ort persönlich kennen. Scheuen Sie keine Reisekosten und fliegen Sie nach Indien, um mit den Beteiligten vor Ort das Konzept und die Abläufe Ihrer Messe durchzusprechen. Glauben Sie mir – hätte ich es bei meiner ersten Messe in Indien gewusst, wie sehr mir das nutzt, hätte ich einen „Homestay“ im Haus des Messestandbauers beantragt. Erst nachdem er mich als guten Freund identifiziert hatte, bekam ich rechtzeitig VOR Messebeginn Layouts der Beschilderungen bzw. Messestände zu Gesicht  – seither funktioniert die Zusammenarbeit reibungslos.

Als Mitarbeiterin einer deutschen, perfekt organisierten Messegesellschaft war ich geprägt von einem Messeaufbau, der nahezu reibungslos, einigermaßen sauber, mit isolierten Kabeln und ordentlich übereinander geschichteten Standwänden vonstattenging. Nicht so in Mumbai. Schon bei meiner ersten Fahrt zum dortigen Messegelände wurde mir schlagartig klar, dass ich hier viel dazulernen würde, vor allem an Gelassenheit und Flexibilität.

Dreimal mehr Messepersonal

Müllberge und herumstreunende Hunde hinter mir lassend erreichte ich die Messehalle, in der ich die nächsten zwei Tage zusammen mit Hunderten von Standbauern, Elektrikern, Reinigungskräften und dreimal mehr Messepersonal als in Deutschland eine Messe hochziehen sollte. Ehrlich gesagt, hat mich das Gefühl, dies in 48 Stunden nie und nimmer zu schaffen, erst verlassen, als die Ehrengäste zusammen mit unserem Geschäftsführer am ersten Messemorgen nach dem „Ribbon-Cutting“ die Messehallen beschritten. Ich atmete auf – es sah aus wie zu Hause in Deutschland: Die Stände blitzten und blinkten, die ausgestellten Maschinen schnurrten leise vor sich hin, die ersten Besucher ließen sich durch die Messegänge treiben und begannen geschäftige Gespräche mit den Ausstellern zu führen. Nur ganz hinten in der Ecke sah ich noch einen indischen Arbeiter den letzten Rest Teppich ausrollen, der fünf Minuten vorher noch in der halben Halle unbefestigt lag.

48-Stunden-rund-um-die-Uhr

Was ich zwei Tage lang erlebt hatte, wie sich der Angstschweiß zusätzlich mit dem mischte, der bei 45 Grad Hallentemperatur über einen kommt, das alles war vergessen. Es war nicht mehr zu erahnen, dass die Messehalle ursprünglich aus vier Wänden und einem Dach bestanden hatte und der Foodcourt, die VIP-Lounge, das Projektleitungsbüro und der Konferenzraum inklusive seiner Wände erst eingebaut werden mussten. Auch die Hostessen, die zuvor noch die falsch sortierten Ausstellerausweise mit Spinat (Überbleibsel der Mittagspause) verziert hatten, standen nun freundlich lächelnd an ihren Ständen. Der Vogel, der mit seinen nassen Füßen auf einem nicht-isolierten Stromkabel landend, einen Funkenschlag direkt über meinem Kopf verursachte hatte, hatte sich längst zu dem anderen Getier draußen vor der Halle gesellt. Die indischen Standbauer, die während eines 48-Stunden-rund-um-die-Uhr-Aufbaus ab und zu in den Gängen lagen, um sich eine kurze Ruhepause zu gönnen, waren längst daheim bei ihren Familien oder werkelten bereits an einer anderen Messe.

Die Klimaanlage läuft

Und vor allem: Ich konnte wieder atmen. Den Mundschutz, den ich vorsichtshalber in der Tasche und doch nie getragen hatte, konnte ich entsorgen. Denn Messeaufbau gleicht einer Schreinerei: Es wird gesägt, gebohrt und auch sonst auf jede erdenkliche Art Staub aufgewirbelt. Und genau dieser Staub ist es, der die Klimaanlage außer Gefecht setzen würde – deshalb war sie zum Messeaufbau vorsorglich ausgeschaltet worden.

Nur ab und zu kreisten noch ein paar wilde Vögel über den Köpfen der Messebeteiligten – diese kann auch nicht der erfahrenste Messebauer aus der Halle vertreiben – und erinnerten daran, dass wir doch nicht zu Hause in Deutschland sind, sondern in Indien, dem faszinierendsten und aufregendsten aller (Messe-)Länder.

Autorin: Martina Maciejewski-Hofmann – Martina Maciejewski-Hofmann hat Tourismusmanagement in München studiert und organisiert seit ihrem Abschluss internationale Messe, darunter auch zahlreiche Messeauftritte in Indien. Ihre Passion für die indische Kultur vermittelt sie Unternehmen in spannenden Trainings. Ein Schwerpunkt bildet auch die Durchführung von ausgesprochen interaktiven virtuellen Seminaren.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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