Meetings und Präsentationen in Polen

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Weil sie die Möglichkeit des persönlichen Kontaktes bieten, sind Meetings in Polen sehr beliebt. Die Ziele eines Meetings werden jedoch häufig erst kurz vor Schluss unter Zeitdruck erreicht, da es keine strikte Strukturierung gibt, wie etwa das im deutschsprachigen Raum typische Vorgehen nach Agendapunkten. Stattdessen springt man von Thema zu Thema und nicht alle Entscheidungen werden schriftlich festgehalten. Viele interne Besprechungen finden auch ad hoc, ganz ohne Agenda statt. Auch kurzfristige Terminverschiebungen sind normal.

Lockeres Plaudern als Einstieg

Zu Beginn eines Meetings in einem polnischen Unternehmen findet immer Small Talk statt. Sofort zur Sache zu kommen, wäre ein Fauxpas und würde von Respektlosigkeit zeugen. Sie werden also gefragt, wie Ihre Reise war, ob mit der Unterkunft alles in Ordnung ist, wie Ihnen die Stadt gefallt, woher Sie gerade gekommen sind, und ob Sie bereits zuvor in Polen waren? All diese Fragen dienen dazu, Sie als Person besser kennenzulernen. Nutzen Sie die Gunst der Stunde und loben Sie alles, was Ihnen positiv aufgefallen ist. Ihre polnischen Geschäftspartner wissen nur zu gut, dass Sie höchstwahrscheinlich während der Rushhour im Stau gestanden sind oder die Infrastruktur viel zu wünschen übrig lässt. Ihr Versuch, ein paar Worte auf Polnisch zu sagen, wird ebenso hochgeschätzt.

Multitasking auch beim Meeting

Stellen Sie sich darauf ein, dass Ihre polnischen Geschäftspartner während des Meetings Telefonate annehmen, SMS oder kurze E-Mails schreiben. Multitasking wird in Polen großgeschrieben. Viele Polen verfügen nur über einen Mobilnetzanschluss und sind somit nicht nur geschäftlich, sondern auch privat per Handy stets erreichbar. Da sich Privat- und Berufsleben durchaus vermischen, haben die polnischen Kollegen Verständnis für solche Unterbrechungen.

Bei formellen Meetings wundert es auch keinen, dass die Teilnehmer nicht stets anwesend sind. Zwischendurch den Raum zu verlassen, um sich schnell einer anderen Sache zu widmen, ist ein gängiges Verhalten. Es ist zudem üblich, vor allem bei kritischen Themen, lieber ein Gespräch unter vier Augen zu suchen, anstatt die Angelegenheit während des Meetings zu besprechen. Das kritische Thema könnte die positive Atmosphäre gefährden.

Besonders wichtig ist das Follow-up nach einem Meeting. Dabei wird von Ihnen erwartet, dass Sie nicht nur formal regelmäßig nach dem Stand der Dinge fragen, sondern auch in einem informelleren Rahmen Interesse an der Umsetzung der Entscheidungen zeigen. Auf diesem Weg demonstrieren Sie Ihren Geschäftspartnern, dass die Ergebnisse einen hohen Stellenwert genießen.

Agenda und Protokoll

In den meisten polnischen Unternehmen hält man sich bei einem Meeting nur vage an die Agenda. Dies bedeutet nicht, dass nicht alle Punkte besprochen werden. Aber die Reihenfolge wird häufig geändert. Man springt zwischen einzelnen Themen hin und her. Die Agenda gehört zu den offiziellen Informationskanälen und darf deshalb nicht überschätzt werden. Der informelle Austausch ist in Polen genauso wichtig wie die offiziellen Meetings und die dazugehörigen Dokumente. Umso entscheidender ist es, dann die relevanten Informationen herauszuhören. Viele verschiedene Mosaiksteinchen ergeben ein besseres Bild der Situation.

Ähnlich verhält es sich mit einem Protokoll. Auch wenn es im Meeting geschrieben wird, wird dem Dokument nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie es in den deutschsprachigen Ländern der Fall wäre. „Papier ist geduldig“, während die mündliche Kommunikation bindend ist, da sie Vertrauen und eine gute Beziehung voraussetzt.

Ihre polnischen Geschäftspartner verfolgen in Meetings genauso wie Sie ganz konkrete Ziele, allerdings lassen sie sich auf Geschäfte und Projekte nur ein, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis stimmt und die Geschäftsbeziehung gut funktioniert. Aus diesem Grund ist es ratsam, nicht auf langen Protokollen zu beharren, sondern eher Gesprächsnotizen zu machen. Diese Form können Sie auch von Ihren polnischen Geschäftspartnern erwarten – kurz und auf den Punkt gebracht. Wenn Sie Ihre Notizen per E-Mail übersenden, sollten sie allerdings von einem sehr höflichen Anschreiben begleitet werden.

Erfolgreiche Präsentationen vor polnischem Publikum

Der polnische Präsentationsstil ist dem deutschsprachigen sehr ähnlich: Daten und Fakten stehen im Vordergrund, Anekdoten sowie icebreaker, wie sie im englischsprachigen Raum, vor allem in den USA, üblich sind, werden in Polen eher negativ aufgenommen. Um stets eine gute Atmosphäre zu wahren, gilt die goldene Regel: WIE etwas gesagt wird, ist viel wichtiger, als WAS kommuniziert wird. Die Inhalte der Präsentation sollten also nicht nur auf der Sachebene, sondern auch auf der Beziehungsebene stimmig sein.

So kann Ihnen ein gelungener Anfang Ihrer Präsentation Pluspunkte bringen, indem Sie beispielsweise Ihr Publikum auf Polnisch willkommen heißen oder Namen und Titel Ihrer Geschäftspartner richtig aussprechen. Hierarchien spielen in Polen eine bedeutende Rolle. Daher ist es wichtig zu wissen, wer in der Runde über Entscheidungskompetenz verfügt und wer in organisatorischen Angelegenheiten das Sagen hat. Berücksichtigen Sie diese Informationen bei der Begrüßung Ihrer Zuhörer.

Da das Gesagte wichtiger ist als das Geschriebene, sollten Sie einen overload an Informationen auf den Präsentationsfolien unbedingt vermeiden. Allerdings sollten Sie berücksichtigen, dass in polnischen Präsentationen mehr Bildmaterial eingesetzt wird.

Lassen Sie während Ihrer Präsentation Zwischenfragen zu, damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, welche Punkte ausführlicher besprochen werden sollten. Es kann jedoch auch sein, dass Sie erst nach der Präsentation, in einem informelleren Rahmen, zu unterschiedlichen Aspekten Ihrer Präsentation befragt werden. Nehmen Sie sich dafür ausreichend Zeit.

Autorin: Johanna Sell – Johanna Sell stammt aus Polen und ist interkulturelle Trainerin. Sie ist spezialisiert auf die interkulturelle Sensibilisierung im europäischen Raum. Darüber hinaus ist sie Autorin und gibt Vorlesungen an der Leibniz Universität in Hannover und Hildesheim.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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