Kulturelle Unterschiede Schweden

iStock 000017383177XSmall 300x204 1

Die geografische Nähe zu Schweden verführt viele dazu, kulturelle Unterschiede zu unterschätzen. Schweden ist ein modernes westliches Land, eine Demokratie, marktwirtschaftlich und verfügt über viele international erfolgreiche Unternehmen. Da kann es doch eigentlich nicht so viele Unterschiede geben. Aber doch, es kann: Sowohl deutsche als auch schwedische Unternehmen sind international erfolgreich, aber ihr Weg zum Erfolg ist unterschiedlich. Denn bedingt durch verschiedene Lebensbedingungen in Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden sich Wertvorstellungen und Lösungsansätze in der Gesellschaft – und natürlich in den Unternehmen.

Andere Werte, andere Verhaltensweisen

Deutsche lernen zum Beispiel Werte wie Pünktlichkeit, Ordnung, Sauberkeit, Disziplin und Pflichtbewusstsein. Wir lernen einen höflichen Umgang und feste gesellschaftliche Normen, lernen uns zu behaupten und uns trotz harter Konkurrenz durchzusetzen. Ob Schule, berufliche Ausbildung, die deutsche Geschäftskultur oder die Gesellschaft insgesamt – überall gilt: der Beste gewinnt. Deutschland ist tendenziell eliteorientiert. Als Schutzmechanismus gegen diesen starken Leistungsdruck vermeiden Deutsche gerne Unsicherheit, etwa indem sie bis ins Detail planen und organisieren – dabei häufig den unternehmerischen Hierarchien folgend – alles schriftlich oder vertraglich fixieren.

Schweden lernen andere Dinge. Sie lernen zum Beispiel, dass jeder Mensch gleich (gut) ist. Schweden lernen, dass Demut auch in Ausbildung, Gesellschaft und Wirtschaft positiv ist. Sie lernen, dass es gut ist, umsichtig, rücksichtsvoll und wohlwollend miteinander umzugehen. Schweden wachsen unter einem geringeren Zeit- und Leistungsdruck auf. Vieles wird nicht verbissen, sondern stattdessen mit Gelassenheit gesehen.

Innere Haltung, Wertvorstellungen und gesellschaftliche Normen sind zwischen Deutschland und Schweden in Kernbereichen also nahezu gegensätzlich. Und natürlich hat dies Auswirkungen auf das Geschäftsleben.

Schwedische versus deutsche Führungskultur

Die unterschiedlichen Wertvorstellungen von Deutschen und Schweden werden im Arbeitsalltag zum Beispiel bei der Frage deutlich, was Aufgaben einer guten Führungskraft sind. Auch wenn in Deutschland ein kooperativer Führungsstil durchaus vorkommt, werden in Antworten auf diese Frage in aller Regel folgende Punkte genannt: Planung, Entscheidung, Aufgabenübertragung und Kontrolle. Mit guter Planung, klaren Entscheidungen und eindeutigen Zuständigkeiten fühlen sich hierarchisch geprägte Deutsche wohl. Sie helfen ihnen, Unsicherheit zu vermeiden. Eine entsprechende Vorgehensweise wird hierzulande als richtig und gut empfunden.

Da Schweden davon ausgehen, dass alle Menschen im Großen und Ganzen gleich sind und „Demut“ auch im Berufsleben positiv bewerten, kommen sie zu einer anderen Antwort auf die Frage, welche Aufgaben eine gute Führungskraft zu erfüllen hat. In Schweden sollten Führungskräfte eher Coach bzw. Moderator ihres Teams sein, Entscheidungen im und mit dem Team treffen und verankern, das Potenzial ihrer Teammitglieder erkennen und fördern, für gute Arbeitsbedingungen sorgen und darauf achten, dass sich alle im Team wohlfühlen.

Unterschiedliche Wege zur Entscheidungsfindung

Unter der Annahme, dass alle Menschen gleich (gut) sind, werden in Schweden Entscheidungen gemeinsam und im Konsens getroffen. Dazu wird in vergleichbar vielen Meetings viel gesprochen. Und da eine Entscheidung möglichst im Einverständnis getroffen werden sollte, kann dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn nötig, wird die Entscheidung vertagt und später noch einmal zu einem weiteren Meeting eingeladen.

Diese Vorgehensweise empfinden Deutsche am Verhandlungstisch mit Schweden in der Regel als ineffektiv. Das Vertagen einer Entscheidung wird sogar als Misslingen interpretiert. Da Deutsche eine sehr direkte Kommunikation, klar markierte Hierarchien und einen relativ autoritären Führungsstil gewohnt sind, werden Entscheidungen hier häufig auf höheren Ebenen getroffen und dann top-down mitgeteilt. Die Entscheidungsfindung scheint auf diese Weise schnell und effektiv zu funktionieren. Daher fällt es Deutschen schwer, die schwedischen Verhaltensweisen in Entscheidungsfindungsprozessen richtig zu deuten.

Schweden sehen in der gemeinsamen Entscheidungsfindung große Vorteile. Das gemeinsame Ziel wird auch im Team verankert und von allen akzeptiert. Jeder weiß, worum es geht, kann sich ganz einbringen. In Deutschland besteht hingegen das Risiko, dass die Entscheidung selbst und das mit ihr verbundene Ziel im Team tatsächlich unterschiedlich aufgefasst und nicht von allen mitgetragen werden. Es können unter Umständen sogar unterschiedliche (Unter-)Ziele verfolgt werden. Zeit, Energie und Ressourcen werden möglicherweise vergeudet.

Schwedisches Projektmanagement

Der schwedischen Führungskultur entsprechend läuft auch das Projektmanagement teamorientierter als in Deutschland. In Schweden ist die Initialisierungsphase eines Projekts für den Erfolg von entscheidender Bedeutung. Vorgabe für das erste Meeting eines neu aufgestellten Projektteams ist lediglich der Projektauftrag. Auf dieser Grundlage formuliert das Team gemeinsam die mit dem Auftrag verbundenen Ziele – oft in mehreren Meetings. Zwischen diesen Meetings stimmen sich die Teammitglieder sowohl mit den Stellen ab, von denen sie ins Projektteam entsandt worden sind, als auch mit allen Stellen, die gegebenenfalls von dem Projekt berührt werden und daher eine weiterführende Idee oder einen Beitrag liefern könnten.

Deutsche empfinden die schwedische Initialisierungsphase eines Projekts als langwierig, ineffektiv und nahezu als Fehlleistung, weil es „nicht voran zu gehen scheint“. Sie erkennen aufgrund ihrer eigenen kulturellen Prägung nicht, was die Schweden als Stärke in ihrer Vorgehensweise empfinden: Die Initialisierungsphase legt die Grundlage für eine zügige, flexible und reibungslose Umsetzungsphase. Und in der Tat haben Studien gezeigt, dass es in der Projektumsetzung so zu weniger Störungen, Nachbesserungen und nachträglichen Abstimmungen kommt.

In Deutschland präsentiert meist die Projektleitung Struktur, Aktivitäten, Zeitplan und Rollenverteilung. Natürlich kann im Projektteam dann noch diskutiert und feinjustiert werden. Aber der grobe Rahmen des Projekts steht bereits fest. Die schnelle, exakte und detaillierte Planung eines Projekts wird von den Deutschen als unabdingbar empfunden. Schweden fühlen sich in diesem Fall jedoch von der (deutschen) Projektleitung übergangen, weil sie die Einbeziehung in der Initialisierungsphase des Projekts erwarten. Sie identifizieren sich so nicht mit dem Ziel und tragen die von der Leitung getroffenen Entscheidungen daher oft nicht mit. Reibungen sind also vorprogrammiert.

Kulturelle Stärken in der Zusammenarbeit nutzen

Eine eindeutig und detailliert festgelegte Struktur, Zwischenziele, Zeitplan und Rollenverteilung: Was Deutsche priorisieren, ist für die erfolgreiche Umsetzung eines Projekts natürlich auch vorteilhaft und wird von schwedischen Teammitgliedern in der Regel akzeptiert – sofern sie denn in die Initialisierungsphase einbezogen wurden. Dann können schwedische Stärken wie der hohe Identifikationsgrad mit dem Projekt und die flexible Umsetzungsphase mit den deutschen Stärken einer detaillierten und exakten Planung erfolgreich miteinander kombiniert werden.

Autorin: Uta Schulz

Teilen Sie diesen Beitrag

Interessiert an weiteren Informationen oder Fragen zum Thema?

Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

Ähnliche Beiträge

Interessiert am crossculture Newsletter?

Sind Sie neugierig? Abonnieren Sie hier!

Subject Topics Newsletter GERMAN