Kulturelle Unterschiede Polen

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Im gesellschaftlichen wie im wirtschaftlichen Leben beherrscht in Polen die Beziehungsebene die Sachebene, d.h. einem harmonischen Miteinander wird oberste Priorität eingeräumt. Um zu seinen polnischen Geschäftspartnern diese für den Erfolg essentiellen persönlichen Beziehungen aufzubauen, sollten Sie es im Umgang miteinander nie an Erkundigungen nach der Familie, kleinen Geschenken und ausdrücklichen Dankesworten fehlen lassen. Auch gewisse Kenntnisse in der Landessprache oder der Kultur bringen hier mehr als anderswo auf der Welt echte Pluspunkte. Oberflächlicher Small Talk wird hingegen nicht so gerne geführt. Es geht wirklich mehr darum, den anderen auf einer privaten Ebene gut kennenzulernen, bevor man miteinander arbeitet. Einfach nur über das Wetter zu reden, hilft da nicht weiter.

Höflichkeit ist Teil der polnischen Mentalität

Gespräche mit Polen verlaufen prinzipiell sehr höflich und weniger direkt als in Deutschland. Verbale Auseinandersetzungen sollten daher vermieden werden, um die persönliche Beziehungsebene nicht zu gefährden. Denn bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten lässt sich aus polnischer Sicht die Sachebene kaum von der Beziehungsebene abkoppeln. Streitet man sich also mit einem Polen über ein geschäftliches Detail, trifft man ihn zwangsläufig auch persönlich. Rolle und Person lassen sich in der polnischen Geschäftskultur kaum voneinander trennen.

Folglich muss immer für eine harmonische Atmosphäre gesorgt sein, bevor man ein Problem offen ansprechen kann. Alles andere kann die gesamte persönliche und im Umkehrschluss auch gleich die geschäftliche Beziehung in Gefahr bringen. Schwierige Verhandlungen werden daher immer auch von persönlichen Gesprächen begleitet. Es gilt, immer wieder die möglichen Erfolge für beide Seiten herauszustellen, um die positive Grundstimmung zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung aufrecht zu erhalten.

Eine Zusammenarbeit oder ein Projekt wird in Deutschland in der Regel auf einer sachlichen Grundlage entwickelt und bewertet. In Polen sind Kooperationen bereits erfolgreich, wenn eine gute Geschäftsbeziehung erreicht worden ist. Das ist der Fall, wenn die Vorteile einer geschäftlichen Kooperation stets für beide Seiten im Gleichgewicht sind. Selbst wenn die Zahlen keinen echten Projekterfolg widerspiegeln, wird diese Beziehung langfristig geschätzt und gepflegt. Auch hier ist klar ersichtlich, welche Prioritäten in der Geschäftskultur dominieren.

Spielraum für Unvorhergesehenes

Polen zählt zu den polychronen Kulturen, was sich dadurch bemerkbar macht, dass in der Regel mehrere Dinge zur gleichen Zeit erledigt werden. Das auf diesem Zeitverständnis basierende Verhalten wird von Deutschen häufig als chaotisch und unübersichtlich interpretiert. Für polychrone Kulturen steht aber im Vordergrund, möglichst viel Spielraum für Unvorhergesehenes zu haben. Gleichzeitig fällt auf, dass sich in der polnischen Geschäftskultur der Blick auf die Gegenwart richtet und man nicht gerne in die Zukunft plant. So gibt es beispielsweise bei einem Meeting selten vorab eine Agenda, die anschließend Punkt für Punkt abgearbeitet wird. Statt dessen lässt man sich eher treiben. Gelangt man auf diese Weise von einem Thema zum anderen, werden spontan die entsprechenden Informationen gegeben.

Verhaltensregel Nr. 1: Signale beachten lernen

Während die Deutschen solche vereinzelt in den Raum gestreuten Informationen nicht wirklich registrieren, reicht Polen diese Art der Informationsverteilung vollkommen aus. Sie picken die nach und nach gegebenen Einzelinformationen auf und fügen sie zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Ihre deutschen Geschäftspartner hingegen warten vergeblich auf eine klärende Zusammenfassung. Ihr fehlender „Durchblick“, um sich ein Gesamtbild zu erschließen, kann deutschen Managern in Polen leicht Schwierigkeiten bereiten. Sie sind einfach nicht in der Lage, alles aufzunehmen, was um sie herum geschieht.

Das Prinzip der Holschuld

Grund für Auseinandersetzungen zwischen Polen und Deutschen liefert auch das Thema Pünktlichkeit. Zwar kommt man auch in Polen zu geschäftlichen Verabredungen in der Regel pünktlich. Termine, die in ferner Zukunft liegen, werden aber in der polnischen Kultur prinzipiell eher als grobe Richtlinien betrachtet. Man ist bemüht, den vorgegebenen Zeitrahmen einzuhalten, aber wenn die Umstände es erfordern, wird eine gegebene Frist nach eigenem Ermessen ausgedehnt. Der Geschäftspartner wird darüber nicht informiert, was bei Deutschen schnell zu Unmut führen kann.

Deutsche gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass bei auftauchenden Schwierigkeiten alle Betroffenen informiert werden. Es besteht eine Bringschuld. In der Geschäftskultur Polens dominiert das Prinzip der Holschuld, d.h. man ist für die fehlenden Informationen selbst verantwortlich und muss sich beispielsweise bei einer verspäteten Lieferung die entsprechende Erklärungen selbst abholen.

Paternalistische Unternehmensführung

Die Familie nimmt in der polnischen Kultur einen sehr hohen Stellenwert ein. Im Geschäftsleben fällt daher auf, dass sich trotz klar definierter Hierarchiestufen in einem Unternehmen, die Führungskräfte immer für das Wohlergehen ihrer untergeordneten Mitarbeiter verantwortlich fühlen. Ist beispielsweise ein Mitarbeiter erkrankt, wird sein Vorgesetzter regelmäßig bei ihm zu Hause anrufen, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Die in Deutschland als angemessen empfundene Trennung zwischen Beruflichem und Privatleben, insbesondere wenn sich die betroffenen Mitarbeiter auf unterschiedlichen Hierarchieebenen befinden, existiert hier nicht. Stattdessen sind die Loyalitätsbande insbesondere nach unten besonders stark ausgeprägt. Beruf und Privatleben lassen sich genauso wenig trennen wie Rolle und Person. Der Chef im Unternehmen ist auch der Chef auf privater Ebene und soll seiner höheren Verantwortung gerecht werden.

Westlicher Arbeitsstil wird angenommen

Insbesondere die jüngeren Erwerbstätigen in Polen haben bereits viel von der deutschen Geschäftskultur übernommen. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass viele von ihnen fließend Deutsch oder Englisch sprechen und bereits im deutschsprachigen Ausland gelebt haben. Für deutsche Geschäftsleute gilt dennoch, der polnischen Gastkultur mit Respekt und Toleranz zu begegnen und keinesfalls ein überhebliches Verhalten an den Tag zu legen. Wer insbesondere die bestehenden kulturellen Unterschiede im Kommunikationsverhalten und im Zeitverständnis akzeptiert und nicht demonstrativ kritisiert, wird in einem der gastfreundlichsten Länder Europas mit offenen Armen empfangen.

Katrin Koll Prakoonwit, Redaktion

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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