Kulturelle Unterschiede Kroatien

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Etwa 90 Prozent der heutigen Bevölkerung Kroatiens zählen zur ethnischen Gruppe der Kroaten, sind dem katholischen Glauben zugehörig und sprechen Kroatisch. Vier bis fünf Prozent sind Serben, die der Orthodoxen Kirche angehören und Serbisch sprechen. Weitere fünf Prozent sind anderer ethnischer Herkunft, wie Bosnier, Ungarn, Slowenen, Tschechen und Roma.

Seit dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien und der Unabhängigkeit Kroatiens 1991, legen Kroaten, Serben und Bosnier großen Wert auf die feinen Unterschiede ihrer ansonsten sehr ähnlichen Sprachen und sind generell sehr stolz auf ihre jeweilige Kultur, ihre ethnische Herkunft und ihre Religion. Die ethnische Zugehörigkeit bestimmt in der heutigen kroatischen Gesellschaft oft den Status einer Person mit, wobei bekannte kroatische Familiennamen, eine städtische Herkunft und Ausbildung am angesehensten sind.

Solche kulturellen Unterscheidungsmerkmale sollten Sie als Ausländer im Kontakt mit Kroaten, Serben oder Bosnier in Kroatien unbedingt berücksichtigen. Vermeiden Sie ungenaue oder falsche Begriffe, wie etwa „Jugoslawien“ statt „Kroatien“, und verwechseln Sie keinesfalls Bosnier und Serben. Denn Kroaten und Bosnier pflegen insgesamt ein harmonischeres Verhältnis zueinander als etwa Kroaten und Serben. Auch Vergleiche mit Serbien oder Bosnien werden nicht gerne gehört, genauso wenig wie der verallgemeinernde Ausdruck „Balkan“.

Umschiffen Sie jegliche Themen, die das Nationalgefühl der Kroaten oder einer dort ansässigen ethnischen Gruppe beleidigen könnten und behalten Sie im Hinterkopf, dass die ethnischen Gruppen jeweils eine unterschiedliche historische Wahrheit bezüglich des Jugoslawienkrieges und seiner Vorgeschichte hochhalten. Stellen Sie zumindest sicher, dass Sie gut informiert sind, bevor Sie sich zu einem kritischen Thema äußern.

Begrüßung, Vorstellung und Anrede

Bei einer ersten geschäftlichen Zusammenkunft geben sich Kroaten tendenziell formal und distanziert. Ein Handschlag mit Augenkontakt ist die übliche Begrüßungsform, begleitet von einem freundlichen „Dobro jutro“ (Guten Morgen) oder „Dobar dan“ (Guten Tag). Bei späteren Zusammenkünften wird man sich ebenfalls die Hand geben, es reicht dann aber oft ein einfaches „Zdravo“ (Hallo) aus, wobei „Bok” (Hallo) die noch etwas informellere Begrüßungsformel ist.

Prinzipiell grüßt der Jüngere den Älteren zuerst, was dem in Kroatien vorherrschenden Senioritätsprinzip geschuldet und als Ausdruck von Respekt zu verstehen ist. Werden Personen einander vorgestellt, werden zuerst die Namen der anwesenden Frauen und dann die der Männer genannt und zwar in nach dem Alter absteigender Reihenfolge.

Bei der gegenseitigen Anrede kommen akademische wie auch berufliche Titel (Doktor, Ingenieur etc.) plus Familienname zur Anwendung. Gibt es keinen Titel, heißt es einfach „Gospodin Müller“ (Herr Müller), „Gospođa Müller“ (Frau Müller) oder auch „Gospođice Müller“ (Fräulein Müller). Der Gebrauch von Vornamen bleibt eher engen Freunden und Kollegen vorbehalten, wobei junge bzw. international agierende Unternehmen hier oft eine Ausnahme bilden.

Kollektivistische Beziehungsorientierung

Kroaten haben eine hohe Beziehungs- und Gruppenorientierung, die sich vor allem in einer uneingeschränkten Loyalität gegenüber der Familie, Freunden und anderen engen Kontakten ausdrückt. Man vertraut vor allem der Gruppe der Eigenen, entweder Blutsverwandten oder eben langjährigen Kontakten aus dem eigenen Netzwerk.

Bestes Beispiel hierfür bietet die Stellenbesetzung: Nicht selten werden Stellenausschreibungen zuerst im Freundes- und Bekanntenkreis des Arbeitgebers weitergereicht, bevor eine öffentliche Publikation in Zeitung und Online-Portalen erfolgt. Gleichermaßen werden sich Bewerber eher auf ihrem „internen“ Stellenmarkt umsehen, ehe sie sich auf eine offiziell ausgeschriebene Stelle bewerben, die oft bereits auf anderen Wegen vergeben worden ist. Gleiches lässt sich vielerorts beispielsweise auf die Auftragsvergabe übertragen.

Möchten Sie daher als „Außenseiter“ Geschäfte in Kroatien anbahnen, müssen Sie sich erst einmal als vertrauenswürdig erweisen. Kroaten wollen erst einmal wissen, mit wem sie es genau zu tun haben, ehe man zur geschäftlichen Sache kommt. Dazu gehören viele Kennenlerngespräche, bei denen es noch lange nicht ums Geschäftliche geht, sondern oft vornehmlich um aus deutscher Sicht eher private Dinge. Kroaten zielen dabei vor allem auf eine gute, entspannte Atmosphäre zwischen den Gesprächspartnern ab. Erst wenn sie sich mit ihren neuen Geschäftspartnern im Einklang fühlen, werden sie bereit sein, gemeinsame Vorhaben in Erwägung zu ziehen.

Aber Achtung, die Kennenlerngespräche dürfen keinesfalls zu persönlich werden, denn dies könnte den im Geschäftsleben gleichermaßen wichtigen gegenseitigen Respekt beeinträchtigen. Sprechen Sie beispielsweise über Ihre Familie, aber keinesfalls über familiäre Probleme. Auch ein zu kumpelhaftes Verhalten wird nicht geschätzt und steht den kroatischen Erwartungen an ein professionelles Auftreten entgegen.

Meetings mit loser Agenda

Erste Meetings mit kroatischen Geschäftspartnern fallen also in der Regel länger aus, da man die Zusammenkunft vor allem dazu nutzt, sich in persönlichen Gesprächen besser kennenzulernen. Oft überlassen kroatische Unternehmenschef diese Aufgabe auch einem Vertreter des mittleren Managements und sind selbst erst anwesend, wenn dieser grünes Licht gibt. Aber auch wenn die Geschäftsbeziehung schon weiter fortgeschritten ist und die Entscheidungsträger mit am Tisch sitzen, werden Kroaten es sich nicht nehmen lassen, erst mit etwas Small Talk die richtige Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Gleich auf Geschäftliches zu sprechen zu kommen, gilt in der kroatischen Geschäftskultur immer als unhöflich.

Auch Kroaten erstellen vor wichtigen Meetings eine Agenda, man wird ihr aber nicht so recht folgen. Spätestens ab dem zweiten Agendapunkt werden in einem Meeting Themen spontan aufkommen und besprochen werden. Betrachten Sie eine Agenda daher immer nur als grobe Richtschnur und planen Sie für ein Meeting ausreichend Pufferzeit ein.

Entscheidungen hinsichtlich neuer Projektideen oder Vorhaben können sowohl spontan im Meeting fallen als auch später hinter verschlossenen Türen, sofern kroatische Entscheidungsträger erst ihr Team mit einbeziehen möchten.

Starke Führung mit Konsensstreben

Denn der hohen kroatischen Gruppenorientierung ist auch zuzuordnen, dass man in vielen jüngeren Unternehmen tendenziell nach Konsens strebt. Zwar bestehen auch hier meist mehrstufige Hierarchien, nach denen jeder seinen Arbeitsplatz mit genau abgegrenztem Tätigkeitsfeld erhält. Aber der Chef wird sich nicht so einfach über seine qualifizierten Mitarbeiter oder Führungskräfte der mittleren Ebene hinwegsetzen und auf seinem Willen bestehen. Gleichheit und Solidarität spielen trotz Hierarchien eine Rolle in Kroatien, also wird er die verschiedenen Meinungen einholen und versuchen, einen Konsens zu erzielen.

Als idealer Chef gilt in Kroatien der charismatische, gütige Autokrat, der seine Mitarbeiter gut führt, beschützt, immer ein offenes Ohr hat und alle respektvoll behandelt. Seinen Status als Chef und Autoritätsperson hat er durch Wissen und langjährige Erfahrung erlangt. Daher schadet es seinem Ansehen auch nicht, wenn er sich mit seinen Mitarbeitern austauscht.

Nichtsdestotrotz sind kroatische Mitarbeiter im Vergleich zu deutschen weniger partizipativ und erwarten dementsprechend weniger Entscheidungs- und Handlungsspielraum. Vier Jahrzehnte totalitäre Herrschaft und die kriegerischen Auseinandersetzungen in den 90er Jahren haben dazu geführt, dass sich eine Selbständigkeit im Denken und Handeln nur allmählich herausbildet. Man verlässt sich lieber auf genaue Arbeitsanweisungen und macht seinen Job ohne groß aufzufallen. Auf der anderen Seite ist in der kroatischen Kultur jedoch das ständige Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit fest verankert, so dass kroatische Mitarbeiter Neuerungen im Führungsstil, der ihnen mehr Eigenständigkeit zuspricht, offen gegenüberstehen dürften.

Hohe Regelorientierung

Ein weiteres Charakteristikum der kroatischen Kultur, die mit dem starken Gruppenfokus einhergeht, ist eine stark ausgeprägte Regelorientierung. Regeln werden geschätzt und deshalb weitestgehend eingehalten. Es besteht eine starke soziale Normierung, die die Harmonie und das Wohlergehen der Gruppe schützt.

In der Konsequenz zeigen Kroaten im geschäftlichen Umgang miteinander eine hohe Professionalität und Verlässlichkeit, was Deutschen sehr entgegenkommt. Sie können sich beispielsweise darauf verlassen, dass geschlossene Verträge weitestgehend eingehalten werden.

Lebhafte Kommunikation

Kroatien ist eine High-Context-Kultur, d.h. man bezieht in der Kommunikation den gesamten Kontext und non-verbale Signale mit ein, während verbalen Aussagen nicht die höchste Priorität beigemessen wird. Kroaten sprechen also weniger Klartext im deutschen Sinne, sondern drücken sich diplomatisch aus oder machen je nach Situation nur vorsichtige Andeutungen. Es ist also von großer Wichtigkeit, auf Mimik und Gestik zu achten und auch zwischen den Zeilen zu lesen.

Davon abgesehen, reden Kroaten jedoch gerne, viel und mit großer Expressivität. Es wird nicht als unhöflich angesehen, wenn der eine dem anderen ins Wort fällt. Jeder soll gehört werden. Alles wird lebhaft, bisweilen auch laut, diskutiert, denn nur so kann ein Konsens gefunden werden. Auch Konflikte werden dadurch beigelegt, dass nach einer emotionalen Diskussion schließlich ein Kompromiss angestrebt wird, mit dem alle leben können. Generell werden Kroaten ihre Meinung sagen, allerdings stets auf eine vergleichsweise diplomatische Weise, um das Gegenüber nicht vor den Kopf zu stoßen. Denn das würde der über allem stehenden Beziehungs- und Gruppenorientierung widersprechen.

Sich in Gesprächen oder Diskussionen jedoch zu zurückhaltend zu geben, werden Kroaten nicht unbedingt wertschätzen, sondern eher als mangelndes Selbstbewusstsein oder auch Desinteresse interpretieren.

Kritik richtet schnell Schaden an

Gleichermaßen negativ gilt direkte Kritik, die aus kroatischer Sicht letztlich nur Schaden anrichtet und den im Geschäftsleben so wichtigen gegenseitigen Respekt ruiniert. Kritik darf zwar vorgebracht werden, aber mehr in Form eines positiv formulierten Vorschlags oder Rats. Auch höfliches Nachfragen, wie denn die Dinge stehen oder ob der andere ebenfalls denkt, dass etwas nicht so gut läuft, ist eine gute Methode, um Kritik indirekt zu platzieren. Abgesehen davon sind viele Kroaten sehr stolz und werden daher eher nicht bereit sein, Kritik anzunehmen.

Positive Haltung in Verhandlungen

Auch für wichtige Verhandlungsgespräche gilt, dass stets eine harmonische, vertrauensvolle Atmosphäre aufrechterhalten werden sollte, um letztlich zu einer Einigung zu gelangen. Folglich verlaufen Verhandlungen in Kroatien eher informell und freundlich ab. Eine Win-Win-Situation ist das, was beide Seiten vornehmlich anstreben sollten. Alles andere würde die persönliche Beziehungsebene belasten und sich daher negativ auf die langfristigen geschäftlichen Vorhaben auswirken.

Achtung vor non-verbalen Missverständnissen!

Obwohl Kroaten lebhaft kommunizieren, meiden Sie es doch, den anderen im Gespräch zu berühren. Der Abstand zwischen Gesprächspartnern beträgt ungefähr eine Armlänge. Kroaten werden also expressiv Gestikulieren – besonders im Süden des Landes –, Ihnen aber nicht zu nah auf die Pelle rücken, was für Deutsche in vielen anderen südeuropäischen Ländern oft eine persönliche Herausforderung darstellt.

Schwierig kann es aber werden, wenn es zu erkennen gilt, ob Kroaten etwas Ernst meinen oder nicht. Kroaten sind nämlich Meister des schwarzen Humors. Allerdings werden sie bei entsprechenden Kommentaren keine Miene verziehen und auch ihre Stimme kaum verändern. Dies stellt Deutsche häufig vor ein Rätsel – und wenn sie dann im Augenblick größter Verwirrung den Witz Ihres kroatischen Gegenübers verpassen, bedienen sie nur einmal mehr das Vorurteil, dass Deutsche nun mal keinen Humor haben.

Vorsicht sei auch mit Handgesten für Zahlen geboten! Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger hochzustrecken, etwa für die Zahl Drei, entspricht dem serbischen Drei-Finger-Gruß, auch serbischer Eid genannt, und wird von Kroaten als grobe Beleidigung aufgefasst. Zeige- und Mittelfinger hochzuhalten, wie beim Victory-Zeichen, ist wiederum die Geste der kroatischen Nationalisten. Verzichten Sie am besten ganz darauf, Zahlen durch Handzeichen wiederzugeben.

Flexibilität und Präzision

Bei der Arbeit sind Kroaten flexibel, und zwar auf eine äußerst professionelle Art und Weise. Man passt sich kontinuierlich an die Rahmenbedingungen an, auch wenn diese sich mehrfach ändern. Alles hängt von der jeweiligen Situation ab. Und auch wenn die Lage einmal schwierig sein sollte, werden Kroaten eine hohe Ausdauer an den Tag legen, um zum anvisierten Termin das gewünschte Ergebnis doch noch zu erreichen. Das kroatische Motto lautet dann: „“Relax, we still have time.“ Man bleibt gelassen und pragmatisch, macht aber keine Abstriche hinsichtlich Qualität, Präzision oder Zielerreichung.

Mit dem hohen Grad an Organisation, Planung und Struktur der Deutschen können Kroaten jedoch oft wenig anfangen, denn diese stehen einfach ihrer hohen Flexibilität und ihrem ausgeprägten Improvisationstalent entgegen. Wie kann man nur so weit in die Zukunft planen und alles genau durchorganisieren, wenn sich die Dinge doch täglich ändern?

Sie sollten Ihre kroatischen Projektpartner daher nicht zu sehr mit genauen Zeitplänen, unumstößlichen Fristen und detaillierten Prozessabläufen in die Enge treiben, sondern lieber darauf vertrauen, dass sie am Ende doch alles im Griff haben.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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