Indonesien hat ca. 240 Millionen Einwohner, bestehend aus mehr als 300 verschiedenen Ethnien, die wiederum mehr als 350 verschiedene Sprachen und wahrscheinlich doppelt so viele Dialekte sprechen. Das Land zählt zu den bevölkerungsreichsten Staaten der Welt und beheimatet die größte muslimische Bevölkerung. Allerdings lässt sich der hier praktizierte Islam nicht mit dem der Golfstaaten vergleichen. In Indonesien herrscht ein wesentlich gemäßigteres „leben und leben lassen“. Denn das Inselreich wurde auch durch vielerlei andere kulturelle Einflüsse – Naturreligionen, Hinduismus, holländische Kolonialmacht bis hin zu den jüngsten Entwicklungen in Politik und Gesellschaft – geprägt. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich Indonesien zu einer asiatischen Musterdemokratie entwickelt, in der das Volk den Präsidenten direkt wählt und das Schicksal des Landes mitbestimmt.
Etwas Sprache hilft
Bei der Vielfalt der Sprachen mag man zunächst davor zurückschrecken, sich in Indonesien verständigen zu wollen. Aber tatsächlich ist dies ein Plus für das Land. Denn gerade wegen der vielen Sprachen und Dialekte ist mittlerweile Englisch die allgemeine Geschäftssprache. Englisch wird den Kindern bereits in der Grundschule gelehrt und nimmt in Zeiten von Internet und Facebook einen zunehmend höheren Stellenwert ein. Auch der wirtschaftliche Einfluss Australiens und der USA hat dazu geführt, dass Englisch eine viel gesprochene oder zumindest verstandene Sprache ist.
Will man in Indonesien aber ab dem ersten Tag punkten und das Land wirklich verstehen lernen, dann ist es absolut sinnvoll, sich mit der Staatssprache zu beschäftigen. Bahasa Indonesia ist nicht, wie oft behauptet wird, eine Kunstsprache, sondern repräsentiert auf Basis des Malaiischen eine gelungene Vereinigung des Volkes durch eine gemeinsame Sprache. In den 30er Jahren wurde bei einem Jungendkongress das erste Mal eine eigene Nationalsprache gefordert, woraufhin man bei einem nationalen Sprachkongress im Jahr 1938 beschloss, das Malaiische als Basis für eine eigene Sprache zu verwenden. Mit der Unabhängigkeit wurde Bahasa Indonesia als offizielle Amtssprache eingeführt. Dabei ist die Sprache so strukturiert, dass man sich auch als Europäer relativ schnell Grundkenntnisse aneignen kann. Mit etwas Fleiß hat man schon nach wenigen Tagen die wichtigsten Wörter zusammen und kann zumindest den Taxifahrer in Jakarta darum bitten, den direkten Weg zum Hotel zu nehmen. Und die Menschen sind immer beeindruckt, wenn sich ein Weißer um ihre Sprache bemüht oder diese sogar spricht. Die erste Tür steht einem dann bereits offen. Bis hin zum perfekten Business Indonesisch ist es allerdings ein längerer Weg.
Geduld ist eine Tugend
Zeit wird in Indonesien anders wahrgenommen als bei uns. Dies resultiert nicht nur aus den drei unterschiedlichen Zeitzonen, die die Flächenausdehnung des Landes bedingt, sondern vor allem aus einem Phänomen, das es nur in Indonesien gibt. Es nennt sich „Jam karet“, und bedeutet so viel wie „Gummizeit“. Pünktlich zu einer Besprechung zu kommen oder einen Termin dann wahrzunehmen, wenn er angesetzt ist, wird durch „Jam karet“ immer wieder verhindert. Zeit ist relativ und in Indonesien nimmt diese Relativität eindeutig einen anderen Stellenwert ein als in Deutschland. Dies kann für einen Deutschen, der es gewohnt ist stets pünktlich zu erscheinen, zu einer wahren Geduldsprobe werden.
Der flexible Umgang mit Terminen liegt aber auch an den immerwährenden Verkehrsstaus in den großen Städten, die es unmöglich machen, eine vernünftige Terminplanung aufrecht zu halten. Fährt man pünktlich los, landet man vielleicht in einem der unvorhersehbaren Staus. Fährt man früher los, sind die Straßen möglicherweise wie leer gefegt und man kommt Stunden früher zu seinem Termin und kann die Zeit mit Warten verbringen.
Darüber hinaus gibt es in Indonesien ein grundlegend anderes Verständnis von Zeit. Während wir in Europa linear denken (die Zeit vergeht), ist in Indonesien eher ein zirkuläres Zeitverständnis verbreitet (die Zeit ist nicht endlich). Für alles gibt es im Leben die richtige Gelegenheit, und wenn es heute oder jetzt nicht passt, dann eben zu einer anderen Zeit oder vielleicht auch gar nicht.
Eine weitere Thematik ist eine bei uns unbekannte Relation zwischen der Wichtigkeit einer Person und ihrer (Un-)Pünktlichkeit. Ist man für einen Termin wichtig, ist man beinahe verpflichtet, zu spät zu kommen. Denn wer pünktlich da ist, hat anscheinend keine wichtigen Dinge zu erledigen.
Das Gesicht wahren und lächeln
Wenn Sie in Indonesien ankommen, werden Sie sich über das allgegenwärtige Lächeln der Menschen freuen. Indonesier lächeln immer und gerne. Kleine Späße gehören zum Alltag und Wortspiele (auch manchmal nicht sehr anständige) sind ein Hobby der Einheimischen. Besonders gegenüber einem Ausländer werden Lächeln und Freundlichkeit immer beibehalten.
Manchmal kann einen dieses Lächeln aber auch in die Irre führen. Es werden nämlich auch Probleme, Unwissenheit und unangenehme Themen vehement weggelächelt. Dabei geht es nicht immer um Freundlichkeit, sondern darum, das „Gesicht“ nicht zu verlieren. Unbeherrschtheit, Streiten, Kritisieren oder gar Schreien sind in Indonesien Ausdruck schlechter Manieren. Will man geachtet werden, gilt es ruhig zu bleiben und das „Gesicht“ des Gegenübers und seines Selbst zu wahren. Ein Kompromiss gilt als höchst erstrebenswert, auch wenn dabei nicht immer die beste Lösung herauskommt. Dies muss man bei Verhandlungen, aber auch beim Taxifahren beachten. „Nein“ wird durch ein Lächeln ersetzt und so fährt Sie der Taxifahrer, den Sie eben noch gefragt haben, ob er wisse, wo das Hotel ist, auf einmal lächelnd und gut gelaunt zum Flughafen.
Verhandlungen und Meetings
Meetings sind in Indonesien genauso beliebt wie im Rest der Welt und werden in guter Regelmäßigkeit abgehalten. Einladungen zu Meetings sind wichtig und so befinden Sie sich oft mit mehr Leuten in einem Meeting als wirklich notwendig wären. Bei längeren Meetings kommt es gelegentlich vor, dass einige Teilnehmer dieses für eine Ruhepause nutzen – und dies auch gut erkennen lassen. Lassen Sie sich davon nicht irritieren. Meetings haben in Indonesien eher den Stellenwert eines Treffens als den einer gezielt geplanten Besprechung, bei der wichtige Punkte besprochen und vereinbart werden.
Gleiches gilt für Verhandlungen in Indonesien. Offizielle Verhandlungstermine gleichen eher einer Repräsentation der Partner. Es geht mehr darum zu zeigen, wer man ist und was man kann, als darum, Resultate zu erzielen. Man ist daher in Indonesien gut beraten, nicht alleine zu Verhandlungen zu gehen und sich dort gut zu präsentieren und zu verkaufen. Ergebnisse oder Vertragsabschlüsse werden bei solchen Besprechungen allerdings eher selten gemacht. Vorher muss verhandelt werden und dann wird unterzeichnet.
Essen ist Teil der Kultur
Essen ist ein wichtiger Teil der indonesischen Kultur. Geschäftlich wird viel gegessen und man wird als Ausländer nur zu den besten Restaurants geladen, um dort zu genießen und sich von der schmackhaften Küche beeindrucken zu lassen. Wer aber erwartet, dass beim Essen knallharte Verhandlungen geführt werden, der irrt. Essen heißt erstmal Essen. Tief greifende Gespräche über Geschäftliches werden nicht geführt, dies ergibt sich eher nebenbei. Es wird viel über Privates gesprochen. So darf man sich nicht wundern, wenn einen sein indonesischer Gastgeber über das Familienleben, die Kinder und den sozialen Status regelrecht ausfragt. Sympathie ist entscheidend und Indonesier urteilen sehr stark über die soziale Herkunft, wenn es darum geht, einen Geschäftspartner zu finden. Die Chemie muss stimmen, auch wenn es für einen Europäer nicht immer klar ist, was den Ausschlag dafür gibt. Seien Sie beim Essen offen, loben Sie die Küche und das Land und lassen Sie sich treiben. Auch wenn Sie manchmal lieber schneller zur Sache kommen würden.
Bürokratie in Indonesien
Ist man über das Stadium des Geschäftsabschlusses hinaus, bekommt man es häufig mit dem indonesischen Beamtenapparat zu tun. Beamter sein heißt in Indonesien stolz zu sein, eine machtvolle und angesehene Position inne zu haben und eine Uniform tragen zu dürfen, die einem das eigene Land gegeben hat. Behandeln Sie Beamte auch so. Sie sind in der lokalen Gesellschaft höchst angesehen und wollen, dass ihrem Status Respekt gezollt wird. Dieses wird auch von einem Europäer erwartet und so treffen häufig zwei Welten aufeinander. Deutsche Behörden sind zwar auch nicht einfach, aber bei uns hat in den letzten Jahren der Servicegedanke auch dort Einzug gehalten. In Indonesien ist man davon noch weit entfernt. Alles dauert länger als man denken möchte und vieles läuft über Beziehungen. Am besten sprechen Sie mit Ihrem indonesischen Geschäftspartner darüber, wen er bei den zuständigen Behörden kennt, und es öffnen sich Ihnen vielleicht ungeahnte Möglichkeiten.
Korruption ist in Indonesien zwar immer noch ein Thema, aber dank einer effektiven Korruptionsbekämpfung mit teils drakonischen Strafen befindet sie sich auf dem Rückzug. Lassen Sie sich auf keinen Fall auf Korruption ein, auch wenn es von Ihnen verlangt wird. Es geht in Indonesien auch ohne, wenn auch nicht immer schnell und einfach.
Vielvölkerstaat und nationale Interessen
Wie eingangs bereits erwähnt, ist Indonesien ein Vielvölkerstaat. Dies betrifft zum einen die verschiedenen nationalen Völker, zum anderen aber auch die Mischung der indonesischen Bevölkerung mit Menschen chinesischer Herkunft und einem zunehmenden Anteil an Einwanderern aus Indien, Pakistan und den arabischen Ländern. Dieses Gemisch an Ethnien macht es vielfältig und spannend, dort Geschäfte zu machen, verlangt aber, sich immer wieder neu auf seine Partner einzustellen. Ein Javaner macht seine Geschäfte anders als ein Balinese und diese beiden erst recht anders als der chinesischstämmige Partner, mit dem man zusammenarbeiten möchte.
Alle haben allerdings gemeinsam, dass sie Indonesier sind. Ein Volk, das 350 Jahre Kolonialherrschaft, dreieinhalb Jahre japanische Besatzung, Diktatur, Abspaltungen und Naturkatastrophen gemeistert hat und gemeinsam über eine jahrtausendealte Kultur verfügt. Indonesier sind stolz auf ihr Land und auf sich selbst. Man ist international aufgeschlossen, aber nationale Interessen sind Nummer eins auf der Tagesordnung. Man möchte das Land voranbringen, zu einer modernen Demokratie mit funktionierender Marktwirtschaft, Wohlstand und Luxus führen. Man ist stolz auf die Bodenschätze und die Schönheit des Landes und will dafür Achtung von anderen erhalten. Indonesier lieben es, über ihr Land zu schwärmen und empfehlen gerne Besuche in Parks, kulturellen Stätten oder auch das Restaurant mit der besten Sop Buntut (Ochsenschwanzsuppe).
Indonesier wollen und verdienen Lob für das, was war und was in den letzten Jahren geschaffen wurde. Nicht alles ist perfekt und das wissen die Menschen. Aber wer denkt schon über das Schlechte nach, wenn es so viel Schönes zu sehen und zu essen gibt.
Autor: Christian Haisch