Mit Australien verbinden viele das Gefühl, dass es dort insgesamt sehr entspannt zugeht. Tatsächlich legen Australier viel Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance, was sich je nach Branche und Region in einer kürzeren Arbeitswoche niederschlägt. Das Leben zu genießen, ist in Australien eine anerkannte Grundeinstellung genauso wie der damit verbundene allgemeine Optimismus.
Alle sind gleich
Ein weiterer Wert, der in der australischen Kultur hochgehalten wird und der sicherlich auch einen Teil zur generellen Lockerheit der Australier beiträgt, ist der Grundsatz, dass alle gleich und gleich zu behandeln sind. Die Hierarchien in Unternehmen sind daher flach, Mitarbeiter und Vorgesetzte sprechen sich fast immer mit Vornamen an. Auf akademische Titel oder hierarchische Positionen wird kein Wert gelegt. Man ist sich seiner Stellung bewusst und alle anderen wissen es ebenfalls, deshalb muss das nicht an die große Glocke gehängt werden, so die allgemeine Denke. Respekt verschafft man sich in Australien durch harte Arbeit und exzellente Ergebnisse, nicht durch seine Position oder seinen Titel.
Das Betonen der eigenen Leistung kommt bei Australiern generell negativ an. Das hat nichts mit fehlender Leistungsorientierung zu tun! Erfolg im Beruf spielt auch in Australien eine durchaus wichtige Rolle und erfüllt den Einzelnen mit Stolz. Aber wie bereits erwähnt ist es nicht gerne gesehen, mit diesen Erfolgen anzugeben und sich über andere zu stellen.
Im Umkehrschluss heißt dies auch, dass Sie Ihre australischen Geschäftspartner oder Kollegen nicht unterschätzen sollten, wenn Sie noch wenig über ihre jeweiligen Fähigkeiten in Erfahrung bringen konnten.
Wirklich partizipativ Führen
Australier haben eine Abneigung gegen autoritäres Verhalten. Der Vorgesetzte wird als primus inter pares gesehen und soll alle Mitarbeiter gleichermaßen gut und freundlich behandeln. Ihm kommt die Aufgabe zu, das Team so zu managen, dass jeder seine Arbeit gut machen kann. Er ist für eine angenehme Arbeitsatmosphäre verantwortlich und sollte für alle jederzeit ansprechbar sein. Eine dominante und befehlende Art des Führens oder ein Hinweis auf die persönliche hierarchische Stellung würde hingegen als arrogant und anmaßend wahrgenommen werden. Befehlsverweigerung wäre die dann zu erwartende Reaktion der australischen Mitarbeiter.
Kameradschaft als Grundsatz
Grundlage für die oben beschriebene australische Bescheidenheit, den partizipativen Führungsstil und auch die vergleichbar flachen Hierarchien bildet das Konzept des Mateships (Kameradschaftlichkeit). Historisch liegt dies in der Kolonialzeit begründet, als die Menschen auf die Unterstützung des jeweils anderen angewiesen waren, um ihr Überleben in einer rauen Umgebung zu sichern. Jeder half jedem. Mateship steht somit für Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt, Loyalität und Gleichheit. Welche hohe Bedeutung Mateship auch heute noch für die Australier hat, zeigt beispielsweise das immer wieder auflebende Streben, den Begriff in die Präambel der australischen Verfassung aufzunehmen. Bisher hat sich dies aber noch nicht durchgesetzt.
Trotz aller Kameradschaftlichkeit und Freundlichkeit ist Australien auch eine individualistische Kultur, d.h. jeder stellt nicht die Gemeinschaft aller, sondern zunächst sich selbst und seine Familie in den Mittelpunkt. Somit strebt im Arbeitsleben jeder in erster Linie nach persönlichem Erfolg, aber eben ohne dafür die Ellbogen einzusetzen. Wie im Sport gibt es Teamfähigkeit und Fairness auf der einen Seite, aber gewinnen und der Beste sein wollen auf der anderen.
Direkte und offene Kommunikation …
Die australische Kameradschaftlichkeit kommt natürlich auch in der Sprache zum Ausdruck. Viele Australier sprechen sich bei der Arbeit mit „Mate“ (Kumpel) an. Daneben redet jeder mit jedem, frei über jegliche Hierarchieunterschiede hinweg. Man bespricht alles offen und direkt – von Angesicht zu Angesicht.
Small Talk und Humor spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um die gegenseitige freundschaftliche Beziehung zu etablieren, die als essentielle Basis im Arbeits- und Geschäftsleben gesehen wird. Beides wird auch in angespannten oder unangenehmen Situationen aktiv angewendet, um wieder auf eine harmonischere Ebene zurückzufinden. Dabei scheuen sich Australier nicht vor sensiblen oder derben Themen. Sehen Sie es als ein Zeichen von Akzeptanz an, wenn Ihre australischen Geschäftspartner oder Kollegen derartige „Späße“ mit Ihnen teilen.
Trotz der Anrede mit „Mate“ und der Witzeleien braucht es auch in Australien seine Zeit, bis man wirklich die Ebene der Freundschaft erreicht hat. Das sollten Sie genau zu unterscheiden wissen. So sind Fragen zur Familie beispielsweise für den Small Talk nicht geeignet, da sie als zu persönlich empfunden werden. Erst wenn eine Beziehung etabliert ist, lassen sich Australier auf solche eher privaten Themen ein.
So treten Deutsche auch gerne ins Fettnäpfchen, indem sie auf die Frage „How are you?“ mit einer genauen Beschreibung antworten, wie sie sich gerade fühlen. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Frage aber nur um eine Begrüßungsformel. Niemand sollte daraufhin dem anderen sein Herz ausschütten. Es geht darum, einen freundlichen Start in die gemeinsame Unterhaltung zu finden und nicht wie mit einem guten Freund persönliche Informationen auszutauschen.
Besser ist es also, sich mit Kollegen und Geschäftspartnern über Sport, Freizeit und Hobbies zu unterhalten. Das wirkt sich generell positiv auf das Arbeitsleben aus.
… aber indirekte Äußerung von Kritik
Nicht offen und direkt ausgesprochen wird Kritik. Es widerspricht dem Konzept der Kameradschaftlichkeit, andere direkt zu kritisieren und dadurch persönlich zu verletzen. Kritische Worte sollten daher immer freundlich verpackt und eher indirekt vorgetragen werden. Kritik wird sehr häufig auch in Form eines indirekt, fast nebenbei gemachten ironischen Kommentars geäußert. Deutsche verpassen diese versteckte Information häufig und erkennen die Kritik der australischen Partner oder Kollegen an ihren Ideen, Vorschlägen oder Konzepten nicht.
Im Gegensatz dazu neigen einige Australier dazu, demonstrativ Selbstkritik zu üben. In diesem Fall sollten Sie keinesfalls einstimmen, sondern beachten, dass es sich dabei eher um eine Form des höflichen Herunterspielens der eigenen Leistungen handelt bzw. um einen Versuch, Ebenbürtigkeit herzustellen.
Kurze Meetings
Meetings in australischen Unternehmen dauern meist nicht länger als eine Stunde. Ein wenig Small Talk am Anfang ist die Regel, aber dann fassen sich alle kurz. Man sagt, was man denkt, ohne Umschweife oder einleitende Worte.
Besprechungen werden meist relative kurzfristig angesetzt und folgen nicht unbedingt einer lange im Voraus erarbeiteten Agenda. Betrachten Sie Meetings mit Australiern eher als eine Art offenes Diskussionsforum, in dem gemeinsam gebrainstormt und neue Ideen entwickelt werden. Ein bis ins letzte Detail ausgearbeiteter Plan oder eine perfekt erstellte Präsentation werden gegebenenfalls eher als „feindliche Übernahme“ interpretiert. Australier denken gerne in Optionen und wollen keinem vorgefertigten Plan folgen.
Abgesehen davon genießen Australier eine anregende Diskussion, die gerne mit ein, zwei provokativen Aussagen in Gang gesetzt wird. Eine heftige Auseinandersetzung wird immer auf der Sachebene geführt. Nehmen Sie harsche Worte also nicht persönlich. Nach dem Meeting wird man gerne mit Ihnen zum After Work gehen.
Lockerer Arbeitsstil
Australier wirken bei der Arbeit locker. Passiert einmal ein Fehler, wird darüber nicht viel Aufhebens gemacht. Für jedes Problem gibt es schließlich eine Lösung. Flexibilität und Pragmatismus sind die Schlagworte. Nach einem Schuldigen zu suchen, wird eher als unnötig empfunden. Man schaut weniger auf das, was nicht funktioniert, sondern auf das, was alle weiterbringt.
Generell wird in Australien eher schnell und unkompliziert gearbeitet, statt lange und detailliert zu überlegen und zu planen. Wer täglich zwölf statt acht Stunden arbeitet, ist vermutlich zu langsam und zu gewissenhaft. Australier wollen sich auf das Wesentliche konzentrieren und vorwärts kommen.
Lediglich Entscheidungen lassen oft lange auf sich warten. Denn nicht selten wird sich das Management mit Fachkräften beraten und die Meinungen vieler einholen, bis eine für alle tragbare Konsensentscheidung gefällt werden kann. Seien Sie geduldig, jegliche Form von Druck würde Ihnen negativ angerechnet.
Ein paar Etikette-Tipps
Die legere und entspannte Haltung der Australier bedeutet nicht, dass die Uhren in Australien anders ticken! Im Gegenteil, auf Pünktlichkeit, vor allem im Geschäftsleben, legen Australier großen Wert.
Man begrüßt und verabschiedet sich mit einem lockeren Handschlag. Wichtiger sind jedoch ein freundlicher Gesichtsausdruck und ein paar nette Begrüßungsworte, die in ein wenig Small Talk münden sollten.
Augenkontakt ist in der Kommunikation ein wichtiger Garant für Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit. Aber Vorsicht mit der Daumen-hoch-Geste, die in Australien eine ganz andere Bedeutung als „Alles klar“ oder „Super“ hat!
Der Dresscode kann unterschiedlich ausfallen. Je nach Branche und Stadt sind dunkler Anzug oder Kostüm durchaus angebracht. In andere Regionen oder Branchen kann der Dresscode deutlich legerer ausfallen. In Brisbane werden Sie hin und wieder Geschäftsmänner sehen, die Hemd, Krawatte und Bermuda-Shorts tragen. Das ist aber eher die Ausnahme und für Ausländer sicherlich nicht zu empfehlen.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.