Wie etwas gesagt wird, ist in Ungarn häufig von größerer Bedeutung, als was gesagt wird. Höfliche Formulierungen, die auf uns manchmal fast unterwürfig wirken, sind hier im Geschäftsumfeld die Regel. Ungarn sprechen zudem oft leise und zurückhaltend, was keinesfalls als Schüchternheit oder mangelndes Selbstbewusstsein fehlinterpretiert werden sollte.
Indirekte und implizit
Bedingt durch die hohe Beziehungsorientierung der Ungarn herrscht ein indirektes und implizites Kommunikationsverhalten vor. Ungarn reden keinen Klartext, vor allem nicht bei negativen Aussagen, sondern nutzen geschickte Anspielungen und vorsichtige Andeutungen, um ihren Standpunkt harmonieorientiert zu vertreten. Sie sagen alles durch die Blume. Mimik, Gestik und weitere non-verbale Signale sind zudem wichtige Informationsträger, die gekonnt eingesetzt werden.
Den Kontext hinterfragen
Sie sollten daher alle verbalen Aussagen Ihrer ungarischen Geschäftspartner immer auch im Gesamtkontext betrachtet werden. Kontextfaktoren, wie z. B.
- die Art und Dauer der Beziehung zwischen den Gesprächspartnern,
- Hintergrundinformationen,
- das Setting der Zusammenkunft oder
- vorausgegangene Treffen und Erfahrungen
reduzieren den Anteil der explizit ausgesprochenen Worten an der gesamten Kommunikation.
Ungarn setzen zudem den Kontext oft als bekannt voraus. Als Außenstehender, der den Kontext nicht unbedingt kennt oder wenn man es einfach gewohnt ist, dass alle Fakten verbal ausgesprochen werden, ist man gut beraten, ungarische Kollegen nach zusätzlichen Informationen bzw. ihrem Kontextwissen zu fragen. Ungarn haben fast immer mehr Hintergrundinformationen, als sie explizit sagen!
Zirkuläre zum Ziel
Ein weiteres Charakteristikum des ungarischen Kommunikationsstils ist, dass Ungarn selten sofort auf den Kern der Sache zusteuern. Stattdessen reden sie aus deutscher Sicht einfach lange um den heißen Brei herum. Sie schicken ihren Kernaussagen viele Worte voraus.
Ungarn nähern sich einer Sache vielmehr zirkulär. Man bespricht einen Punkt und kommt später erneut auf ihn zurück und vielleicht am nächsten Tag noch einmal, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Diese zirkuläre Gesprächsführung kommt oft auch bei schwierigen Themen zum Einsatz. Heikle Punkte werden kurz angeschnitten, schnell wieder fallengelassen und später wieder aufgegriffen. Die beziehungsorientierten Ungarn versuchen auf diese Weise zu große Unstimmigkeiten zwischen den Gesprächspartnern zu vermeiden.
Möchten Sie in Ungarn erfolgreich kommunizieren, dürfen Sie daher nicht geradeaus auf Ihr Ziel zumarschieren. Seien Sie geduldig und hören Sie bei jeder neuen Kommunikationsschleife Ihrer ungarischen Gesprächspartner aufmerksam zu. Denn in jeder Runde können durchaus neue Aspekte zum Vorschein kommen, die Sie weiterbringen. Ungeduld oder der Versuch, die Gespräche doch abzukürzen, werden als höchst unhöflich empfunden und schaden der über allem stehenden Beziehungsebene.
Passiver Widerstand?
Wie bereits erwähnt, kommen indirekte und zirkuläre Gesprächsführung vor allem bei negativen Aussagen zum Tragen. Ungarn werden ein direktes und offenes „Nein“ immer vermeiden. Denn sie möchten die Harmonie zwischen den Gesprächspartnern aufrechterhalten und die Beziehungsebene nicht durch zu harsche Worte gefährden. Das ist oberste Priorität-
Daher sagen Ungarn manchmal „Ja“, obwohl Sie „Nein“ meinen. In Ungarn widerspricht man vor allem einem höhergestellten Gesprächspartner prinzipiell nicht oder zumindest nicht offen. Wenn Ungarn mit etwas nicht einverstanden sind, gehen sie lieber in einen passiven Widerstand, als klar zu sagen, was ihnen missfällt.
Achten Sie daher besonders stark auf nonverbale Signale, wie mangelnde Motivation, Passivität, Resignation oder Schweigen, die darauf hinweisen, dass eigentlich „Nein“ gemeint ist. Sie können auch geschickt nachfragen, wie konkret das ausgesprochene „Ja“ gemeint war?
Aber Achtung! Bedingt durch die zurückhaltende, höfliche Art vieler Ungarn kann andererseits eine ernst gemeinte Zusage in deutschen Ohren eher vage klingen.
Kritik mit Humor äußern
Mit dem Wissen um das beziehungsschonende Kommunikationsverhalten der Ungarn überrascht es sicherlich nicht, dass auch Kritik nur sehr, sehr indirekt formuliert werden sollten! Ungarn trennen kaum zwischen beruflicher Rolle und Person. Deshalb wird eine rein sachlich gemeinte Kritik nicht als solche verstanden. Ungarn nehmen Kritik immer persönlich und sind dementsprechend auch schnell gekränkt. Sie nehmen eine defensiv-passive Haltung ein, wobei der empfundene Gesichtsverlust nur schwer wieder gut zu machen ist.
Eine gute Art, um in Ungarn Kritik zu äußern, ist Humor. Mit humorvollen Andeutungen, am besten in einem Vier-Augen-Gespräch, können heikle Themen geschickt angesprochen werden, ohne das Gegenüber zu verletzen. Achten Sie aber auch darauf, dass Sie die in Andeutungen und Anspielungen versteckte Kritik Ihrer ungarischen Gesprächspartner nicht einfach überhören!
Fazit für Deutsche
Der ungarische Kommunikationsstil unterscheidet sich deutlich vom deutschen. Die sachorienterte Direktheit der Deutschen steht der beziehungsorientierten indirekten Kommunikation der Ungarn gegenüber. Das führt oft dazu, dass Ungarn die Deutschen als arrogant oder gar aggressiv wahrnehmen, während die Deutschen oft nicht genügend Geduld für die unkoordiniert wirkenden Ausschweifungen der Ungarn haben.
Mit dem Wissen um die Charakteristika des ungarischen Kommunikationsstils können Sie jedoch Ihre Wahrnehmung schulen, Ihre Aufmerksamkeit erhöhen und Ihre sachorientierte Kommunikation durch einige Beziehungselemente auflockern. Dann steht einer erfolgreichen Business-Kommunikation nichts mehr im Wege.