Der Satz „I see where you are coming from …“ ist nicht nur ein Beipiel für sprachliche Unterschiede, sondern vor allem auch für die kulturellen. Und diese beginnen gleich vor der Haustür. Wir wissen alle, dass der Menschenschlag in Bayern ein anderer ist als der in Norddeutschland – so ist es eigentlich kein Wunder, dass unsere britischen Nachbarn auch anders ticken als wir. Nicht wahr?
Auf die Verpackung kommt es an
Die Kommunikation verläuft in Großbritannien wesentlich indirekter als in Deutschland. In Gesprächen werden Konfrontationen gemieden und unangenehme Botschaften so verpackt, dass niemand sein Gesicht verliert und man sich jederzeit neutral wieder begegnen kann. Gerade diese „Verpackung“ macht vielen Deutschen in ihrem Geschäftsalltag zu schaffen. Oft empfinden Deutsche die Aussagen ihrer britischen Kollegen und Kunden als wishy-washy, unpräzise, nichtssagend und diffus. Besonders in Situationen, in denen Probleme angegangen werden müssen, verschärft sich dieser Eindruck noch.
Ist es nun also besser, Unangenehmes zu verpacken oder sollte man die Dinge beim Namen nennen? Diese Frage wird mehrheitlich, je nach Land, anders beantwortet. Kein Wunder, denn wirft man einen Blick auf die kulturellen Grundwerte – die Antreiber des Denkens und Handelns- so stellt man fest, dass die deutsche Ehrlichkeit der britischen Höflichkeitsetikette gegenübersteht. Hier gilt es demzufolge nicht zu entscheiden, was besser ist, sondern sich dieser Unterschiede und ihren Auswirkungen bewusst zu werden und einen adäquaten Umgang damit zu finden.
So ist es in der britischen Kultur auch Gang und Gäbe, die „Schuld“ bei sich selbst zu suchen und nicht bei seinem Gegenüber. Sätze wie „It’s probably me…“ oder „I’m not sure whether I understood all the details“ sind Beispiele dafür, wie ein Brite indirekt auf die Unzulänglichkeiten seines Gesprächspartners hindeuten möchte. Er erhofft sich dadurch, dass das Gegenüber seinen Fehler selbst erkennt und darauf reagiert, z. B. mit „Oh no, it must have been me…“ oder „I’m sorry, I think I didn’t make myself clear enough“.
Außerdem ist es im Business mit Briten wichtig, optimistisch zu bleiben. Kritik alleine kommt niemals gut an, sie sollte immer nur in Verbindung mit einem konkreten Lösungsvorschlag angesprochen werden und, wie gesagt, nett „verpackt“ sein.
Wie small ist der talk?
Small talk ist ein wichtiges Kommunikationsinstrument, um sich auf lockere Art und Weise näherzukommen. Es wird sehr häufig als Eisbrecher eingesetzt und dient auch immer gerne als Auftakt in Besprechungen oder der Beziehungspflege zwischendurch. Small talk hat einen angesehenen Stellenwert in Großbritannien, wer ihn beherrscht, ist deutlich im Vorteil. Dabei wird man nicht zu persönlich, sondern versucht sich auf einer neutralen Ebene zu bewegen. Man sucht nach Solidarität bzw. Gemeinsamkeiten und keinesfalls nach abweichenden Meinungen.
Understatement
Briten nehmen sich selbst nach außen hin nicht so wichtig. So ist die Verwendung des Vornamens, auch bei Menschen, die man geschäftlich vorher noch nie getroffen hat, an der Tagesordnung. Titel werden im persönlichen Gespräch nicht genannt. Understatement bedeutet beispielsweise auch, dass man im Gespräch die eigenen Zweifel an einem Vorhaben herunterspielt, mit Sätzen wie „That might be a bit tricky“ oder „Well, we quite like that, however…“
Auch in den schwierigsten Situationen werden die meisten Briten ihre Contenance bewahren und sich nur selten zum Jammern und Beklagen hinreißen lassen. Kurzum: Ein kühler Kopf kommt immer gut an wie auch eine unauffällige, zurückhaltende Art (low key).
Aber bitte mit Humor
Der britische schwarze Humor ist weit über seine Landesgrenzen hinweg bekannt. Darin spiegelt sich viel britische Seele wider. Humor ist auch im Geschäftsleben verbreitet und sorgt insbesondere in ernsten Situationen für Leichtigkeit und eine positive Atmosphäre. Wer über sich selbst lachen kann, sammelt Pluspunkte. Wenn Sie zu „serious“ wirken, verbindet der Brite damit Unbeweglichkeit und Spaßlosigkeit. Eine bessere Übersetzung für das deutscheWort „seriös“ sind übrigens „trustworthy“, „respectable“ oder „reliable“. Auch sollten Sie wissen, dass man mit dem Spruch „same procedure as last year“ nur fragende Blicke ernten wird statt Gelächter. Dinner for one ist eine Fernsehproduktion des NDR aus dem Jahr 1963 und in Großbritannien völlig unbekannt.
Fazit
Wer die britische Geschäftswelt verstehen will, sollte öfter mal die Perspektive wechseln. Im internationalen Geschäft geht es ohnehin nicht darum zu entscheiden, wer Recht hat – sondern darum, zu akzeptieren, dass es möglicherweise noch andere Arten gibt, über die Welt zu denken, als die unsere!
Autorin: Iris Engler – Iris Engler ist auf dem Entsendungsgebiet eine sehr erfahrende und gefragte Expertin. Die Vermittlung interkultureller Kompetenz ist dabei eines ihrer Fachgebiete. Auf Grund ihrer zahlreichen internationalen Reisen und langjährigen Aufenthalte in anderen Ländern, kennt sie die Kundenbedürfnisse ausgesprochen gut.