Expat-Kinder und ihre Großeltern in der deutschen Heimat

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Der zweijährige Leon stellt gerahmte Bilder von Oma und Opa auf den Esstisch, bevor er auf seinen Hochstuhl klettert und zu Abend isst. Und Henry, vier Jahre alt, baut darauf, dass Opa ihm das ersehnte Spielhaus für den Garten kaufen wird, wenn er bald zu Besuch kommt. Die sechzehnjährige Marie holt sich oft Rat bei ihrer Oma – sie treffen sich auf Facebook. Viele Expat-Kinder haben eine sehr individuelle Beziehung zu ihren Großeltern in der deutschen Heimat – wenn der Kontakt trotz großer Distanz intensiv gestaltet wird.

Soziologische Untersuchungen zeigen, dass Großeltern im Leben ihrer Enkelkinder eine wichtige Rolle spielen. Sie gelten als großzügig, haben ausreichend Zeit, hören wirklich zu und helfen stets mit Rat und Tat weiter. Großeltern sind oft geduldiger und gelassener als die vom Alltag gestressten Eltern. Für im Ausland lebende Expats besonders gut zu wissen: Die Qualität der Großeltern-Enkel-Beziehung wird dabei nicht durch die Häufigkeit der persönlichen Kontakte bestimmt. Als wichtige Einflussfaktoren gelten vor allem emotionale Unterstützung, vertrauensvolle Gespräche, Akzeptanz, fehlender Leistungsdruck sowie ausbleibende Erziehungskonflikte.

Verwurzelung und Heimat

Expat-Großeltern kommt aber zusätzlich noch eine ganz besondere Rolle zu. Kinder, die alle paar Jahre mit ihren Eltern in ein neues Land ziehen, wissen oft nicht so recht, wo sie eigentlich hingehören, wo ihre Wurzeln sind. Der Heimatort der Großeltern in Deutschland kann diesen fehlenden Bezugspunkt herstellen. Insbesondere wenn in ihrem Haus Urlaube verbracht und Familienfeste gefeiert werden, können kleine Expats dort eine geografische und kulturelle Konstante in ihrem Leben finden. Lebt die Expat-Familie in der asiatischen Großstadt, sind die Großeltern für den Besuch auf dem Bauernhof, das selbstgebackene deutsche Brot, Enten füttern, Erbeeren pflücken oder Pilze sammeln zuständig. Hier erleben Kinder Natur, Weihnachtstraditionen oder Familienrituale. Die Großeltern bilden eine stetige Verbindung zu ihrer deutschen Herkunft – ganz gleich, in welchem Land sie sich gerade befinden.

Darüber hinaus können Großeltern Expat-Eltern dabei unterstützen, ihren Kindern Werte und Regeln zu vermitteln, die in ihrem sozialen Umfeld im Gastland vielleicht nicht in der Form existieren, wie es sich die Familie wünscht. Während die Eltern vor Ort stets in direktem Gegensatz zu dem stehen, was die Kinder in Schule und Bekanntenkreis erfahren, bilden die weit entfernten Großeltern sehr viel leichter eine „höhere“ moralische Instanz, die auf die Kinder häufig unbewusst einen großen Einfluss nimmt.

Kontakt von Anfang an

Für all dies ist ein guter und regelmäßiger Kontakt zwischen Enkelkindern und Großeltern eine Voraussetzung, die sich je nach Alter der Enkel über eine große räumliche Distanz nicht immer einfach erfüllen lässt.

Babys und Kinder unter zwei Jahren benötigen sehr häufige Kontakte, um eine Person überhaupt wiederzuerkennen, vorsichtig Vertrauen aufzubauen und Schüchternheit zu überwinden. Großeltern, die in der Nähe wohnen, werden meist durch Babysitten, spazieren gehen und Hilfe im Haushalt schnell ein bekanntes Gesicht. Fallen diese Gelegenheiten weg, ist es sehr viel schwieriger, Oma und Opa so ins Familienleben zu integrieren, dass auch kleine Kinder davon profitieren. Die Stimme am Telefon hören, Lieder auf Band singen und regelmäßig über Skype „winken“ scheint für Großeltern als Alternative wenig zu sein, knüpft aber erste zarte Bande – auf beiden Seiten.

Ab einem Alter von circa zwei Jahren sind Kinder in der Lage, sich Gesichter von Fotos zu merken und diese mit positiven Erfahrungen zu verknüpfen. Kontakte über das Internet mit Webcam, Briefe, kindgerechte Fotoalben, Geschenke und Videos hinterlassen im wahrsten Sinne des Wortes einen bleibenden Eindruck.

Je näher der vierte Geburtstag rückt, umso einfacher gestaltet sich die Kontaktaufnahme. Dann wird die Oma auch mal selbst angerufen. Später, insbesondere wenn die Kinder Lesen und Schreiben können, wird es für Großeltern immer einfacher, eine direkte, individuelle Beziehung zu ihren Enkeln aufzubauen.

Verschiedene Kommunikationsmittel und ihre Vorteile

Ausgiebige Telefonate zwischen Großeltern, Eltern und Kindern sind sicherlich die beste Form, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Oft kann es ratsam sein, feste Telefonzeiten zu vereinbaren. So kommen die gemeinsamen Gespräche im Trubel des Alltags nicht zu kurz. Auch sollte jedes Kind eigene Telefonzeiten mit seinen Großeltern haben, damit sich ein persönliches Gespräch entwickeln kann. Sitzen Eltern und Geschwister im Rücken oder streiten sich gar um den Telefonhörer, ist das oft für alle ein großes Hemmnis.

Aber auch spontane, kürzere Anrufe sind wichtig. Denn sie schaffen echte Nähe. Wenn die Kinder ein Fußballspiel gewonnen oder eine außergewöhnlich gute Schulnote heimgebracht haben, ist es für alle schön, schnell anzurufen und diese besonderen Ereignisse mit den Großeltern in „Echtzeit“ zu teilen. Daneben sollten Großeltern viele Fragen stellen, die Namen der besten Freunde oder Lehrer kennen, wissen, wie die Woche der Kinder gestaltet ist, und was sie derzeit beschäftigt. Nur dann können sie bei überraschenden Anrufen schnell anknüpfen und sind immer auf dem aktuellen Stand. Keine Information sollte für nicht erwähnenswert gehalten werden. Denn Kinder wissen es sehr zu schätzen, wenn Großeltern wirklich an ihrem Leben teilnehmen, ihnen die volle Aufmerksamkeit sowie einiges an Extra-Lob schenken.

Technologie macht vieles leichter: E-Mail, Internet und Skype

Computer und Internetzugang sind für Großeltern mit Familie im Ausland fast ein Muss. E-Mails lassen sich zu jeder Tageszeit schnell und formlos tippen und in Sekunden versenden. Außerdem können digitale Fotos mitgeschickt werden, die oft mehr von Interesse sind als die geschriebenen Zeilen.

Unschlagbar ist die Kommunikation über das Internet mit Webcam. Daher sollten Expats unbedingt die Zeit aufwenden, um computerunerfahrene Großeltern in diese neue Technologie einzuführen. Skype oder ein vergleichbares Angebot ermöglicht das Telefonieren mit Live-Bild. Chat-Rooms und Blogs bieten die Möglichkeit, spontan kurze Nachrichten zu senden und mit mehreren Familienmitgliedern gleichzeitig zu teilen.

Know-how über Facebook und Twitter kommt vor allem Großeltern mit Enkeln im Teenager-Alter zu Gute. Bewegen sie sich sicher in der Kommunikationswelt der jungen Generation, finden sie oft sogar leichter Zugang zu ihren Enkeln als jeder andere im direkten Familienumfeld.

Sehen und hören: Fotoalben, Video und Audio

Dass sich die Enkel prächtig entwickeln, sehen Großeltern gerne mit eigenen Augen. Daher sind umfangreiche Fotoserien besonders geschätzt. Statt die Fotos per Post zu schicken, bieten sich Fotoalben im Internet an. Sie lassen sich einfach pflegen und versorgen nicht nur die Großeltern mit regelmäßigen Schnappschüssen aus dem Alltag im Ausland, sondern auch Freunde und Bekannte.

Das gesprochene Wort vermittelt insbesondere kleinen Kindern oft mehr Nähe als Geschriebenes. Großeltern können zum Beispiel Geschichten vorlesen und aufnehmen, Lieder singen oder einfach etwas aus ihrem Alltag erzählen. Oder sie filmen sich selbst und ihre täglichen Aktivitäten zu Hause. Videoaufnahmen vom letzten Kindergeburtstag, einem Ausflug oder anderen Höhepunkten aus dem Familienleben im Ausland sind im Gegenzug für Großeltern von unschätzbarem Wert.

Altmodisch, aber wertvoll: Fax, Briefe und Päckchen

Trotz aller moderner Kommunikationsmittel freut sich jeder über einen handgeschriebenen Brief oder ein Päckchen aus der Heimat. Kleine Geschenke der Großeltern sind für Kinder immer etwas Besonderes. Die Aufregung, wenn der Paketbote an der Tür klingelt und etwas für sie abgibt, lässt jedes Kinderherz höher schlagen. Die Großeltern bekommen als Dankeschön selbstgemalte Bilder per Fax und gebastelte Kunstwerke per Post.

Regelmäßiger Familien-Newsletter
Bei großen Familien, deren Mitglieder an unterschiedlichsten Orten dieser Welt leben, bietet sich eine Art Familien-Newsletter an. Sofern sich einer bereit erklärt, die Koordination zu übernehmen, können alle Familien inklusive Großeltern Texte und Bilder schicken, die ein oder zwei Mal pro Jahr in einem Newsletter an alle zusammengefasst werden.

Entspannte Besuche

Eine regelmäßige Kommunikation trägt dazu bei, die kurzen gemeinsamen Zeiten während des Heimatbesuches in Deutschland oder wenn die Großeltern ins Gastland reisen, wirklich zu genießen. Die Kinder fremdeln nicht, auch wenn sie Oma und Opa längere Zeit nicht gesehen haben. Und Eltern und Großeltern können gleich anknüpfen, ohne erst alle Veränderungen der letzten Monate nacherzählen zu müssen. Die gemeinsame Zeit sollte aber nicht nur für ereignisreiche Unternehmungen genutzt werden, sondern auch, um gemeinsam Alltag zu erleben. Denn ein direkter Einblick macht die Kommunikation nach dem Urlaub um ein Vielfaches leichter.

Familien, die über den Globus verstreut leben, haben es nicht immer einfach, eine intakte Großfamilie zu bilden. Aber auch in Deutschland wohnen nicht alle Großeltern in der unmittelbaren Nachbarschaft. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass man mehr Anstrengungen unternehmen muss, um gute Beziehungen zur Familie zu pflegen. Aber der damit verbundene Gewinn ist heute vielleicht sogar größer denn je.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der crossculture academy

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