Teamfähigkeit bedeutet, in der Lage zu sein, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, Informationen zu teilen und die verschiedenen Wissensbausteine zu einem großen Ganzen zusammenzuführen. Der Austausch von Wissen unter den Mitarbeitern trägt dazu bei, die Unternehmensleistung zu verbessern. Das gilt für die Teamarbeit zwischen den Mitarbeitern innerhalb einer Abteilung oder eines Standortes, für den Austausch zwischen mehreren Standorten mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und auch für die Zusammenarbeit zwischen einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern. „Die interkulturelle Zusammenarbeit ist heute die treibende Kraft hinter jeder Wertschöpfung“, heißt es dazu in der aktuellen Studie „Der Culture Code“ von Steelcase. Wie aus den Forschungsergebnissen hervorgeht, ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit die Entschlüsselung der kulturspezifischen Unterschiede der Mitarbeiter. Auf dieser Grundlage sind Unternehmen in der Lage, das vorhandene Wissen ihrer Angestellten zusammenzuführen und im Sinne der Produktivität effektiver einzusetzen.
Erfolgreiche Teamarbeit setzt Vertrauen zueinander voraus
Die Beziehung zwischen Unternehmenserfolg und dem Austausch von Wissen hat auch der Wirtschaftswissenschaftler Pankaj Ghemawat beobachtet: „Für viele Unternehmen ist es die größte Herausforderung, die menschliche Fähigkeit zu fördern, mit anderen auch über große Entfernungen und Unterschiede hinweg – intern und extern – zu kooperieren“, schreibt er in seinem Buch „World 3.0: Global Prosperity and How to Achieve It“. Er geht davon aus, dass sich die Profitabilität vieler Firmen steigern könnte, wenn das Vertrauen und damit auch die Teamarbeit zwischen den Mitarbeitern wachsen und die Menschen zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten würden. Deshalb plädiert Ghemawat dafür, zunächst die Bedeutung von Vertrauen untereinander zu verstehen und zu stärken: „Grenzüberschreitende Interaktionen werden wesentlich davon beeinflusst, wie sehr die Menschen eines Landes den Menschen anderer Länder vertrauen.“
Ein Beispiel für den gezielten Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen einem globalen Unternehmen und seinen lokalen Standorten ist der amerikanische Sportsender ESPN. In seiner neuen indischen Niederlassung in Neu-Delhi ließ ESPN India als erstes einen riesigen Bildschirm in der Caféteria aufstellen, um Cricket-Spiele zu zeigen. So können die Mitarbeiter beim Mittagessen gemeinsam Sportübertragungen ansehen. Das Unternehmen wollte damit nicht nur auf die Sportbegeisterung der meisten Inder eingehen, sondern auch seine Wertschätzung für die lokale Kultur beweisen, um das Vertrauen und die sozialen Kontakte zu stärken, erläutert Sudhakar Lahade, Forscher im Steelcase Workspace Futures Team2. Der kulturspezifische Hintergrund ist, dass Inder sich gern an Gruppenaktivitäten beteiligen, ständig interagieren und daher auch gut zusammenarbeiten, heißt es im „Culture Code“.
Teamarbeit erfordert Flexibilität und Transparenz
Das bewusste Gestalten der Arbeitsräume spielt demnach eine große Rolle bei Vertrauensbildung und somit auch bei der Förderung von Teamarbeit. Bei der Raumgestaltung müssen allerdings die jeweiligen Landes- und Arbeitskulturen eines Stan-dortes berücksichtigt werden. Die Steelcase-Forscher konnten zwei wesentliche Verhaltenswei-sen in den verschiedenen Kulturen ausmachen, die die Teamarbeit einer Gruppe stark beeinflussen. Die Bereitschaft, sich auf neue Teamarbeitsweisen einzulassen, hängt demnach davon ab, wie aufge-schlossen Menschen gegenüber Veränderungen sind und ob sie Informationen gern teilen oder eher für sich behalten. Unternehmen, die diese Faktoren bei der Arbeitsplatzgestaltung mit einbeziehen, schaffen Teamlösungen, die von Mit-arbeitern leichter angenommen werden können.
Kulturelle Einflüsse bestimmen die Teamfähigkeit – Ein Ländervergleich
Wie sich die verschiedenen Landes- und Arbeitskulturen mit Teamarbeit und dem Austausch von Wissen vereinbaren lassen, hat Steelcase in der Studie „Der Culture Code“ mit einem Ländervergleich erforscht. Dafür untersuchte ein internationales Expertenteam mehr als einhundert Arbeitsplätze in elf Ländern: China, Indien, Marokko, Russland, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, Großbritannien, Niederlande und USA. Im Folgenden sind die Erkenntnisse der Studie in Ländergruppen zusammengefasst.
Frankreich, Italien und Spanien brauchen klare Strukturen
In den Arbeitskulturen dieser drei Länder findet Teamarbeit meist nur in geplanten Besprechungen und auch nur in dafür vorgesehenen Räumen statt. Diese Länder zählen zu den Individualisten. Italiener beispielsweise arbeiten zunächst lieber allein, bevor sie ihre Ergebnisse dem Team präsentieren, zeigen die Forschungsergebnisse. Franzosen bevorzugen außerdem klare Raumzuordnungen für Teamarbeit und in vielen spanischen Unternehmen sind Bürobereiche für Pausen und soziale Kontakte noch völlig unüblich. Diesbezüglich müssen Unternehmen darauf achten, Teambereiche möglichst direkt neben fest zugeordneten Arbeitsbereichen zu positionieren und das auch deutlich zu kennzeichnen. So gelingt der schnelle Wechsel – auch räumlich betrachtet – zwischen Teamarbeit und konzentrierter Einzelarbeit besser. Gleichzeitig helfen integrierte Cafés und Meeting-Points, feste Strukturen etwas zu lockern und Mitarbeitern den sozialen Austausch zu erleichtern.
Indien, Großbritannien und USA sind teamorientierte Länder
Der Austausch von Wissen und die Informationsbeschaffung über Netzwerke sind in diesen drei Ländern weit verbreitet. Sie sind ungebunden an bestimmte Zeiten oder Räume. In amerikanischen Firmen gehört es zum Alltag sich mehrmals täglich mit den Kollegen auszutauschen – unabhängig davon, ob diese im selben Gebäude oder auf einem anderen Konti-nent arbeiten. Das setzt vielfältige technische Lösungen vo-raus, die den Austausch zum Beispiel über Videokonferenzen möglich machen. In Indien ist Teamarbeit ebenfalls Teil der Geschäftskultur, weil persönliche Beziehungen generell von großer Bedeutung sind. „Ein einzelner Schreibtisch kann in diesem südasiatischen Land schnell zum Ort für gemeinsame Interaktionen von Kollegen werden“, sagt Wenli Wang vom Steelcase-Forschungsteam.
China, Marokko und Russland setzen Vertrauen voraus
Gute Geschäftsbeziehungen setzen in diesen Ländern eine hohe Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers vo-raus. Diskretion und Vertraulichkeit spielen eine große Rolle. Wissen wird nur sehr vorsichtig ausgetauscht. Teamarbeit findet daher meist nur in kleinen Gruppen statt, die sich gut kennen. Die Zusammenarbeit mit anderen Kulturen kann sich als schwierig erweisen, weil vor allem Chinesen viele Informationen voraus-setzen und auf nonverbaler Ebene durch Mimik und Gestik kommunizieren. Auch in diesem Fall erleichtern audiovisuelle Medien die Teamarbeit, weil sich die Teilnehmer eines Meetings sehen und die nonverbale Kommunikation sowie inhaltliche Zusammenhänge besser zu verstehen sind. Eine weitere Möglichkeit, die Kommunikation untereinander zu stärken, sind integrierte Cafés beziehungsweise Teeküchen in Russland. Traditionell werden diese abgelegenen Bereiche in russischen Firmen eher als funktional betrachtet und nicht für den sozialen Austausch genutzt. Offene, gut ausgestattete Küchen, die bewusst in die Arbeitsumgebung integriert sind, geben den Mitarbeitern dagegen das Gefühl, dass die lokale Kultur berücksichtigt wird und der Austausch untereinander erwünscht ist und zum Arbeitsalltag dazugehört.
Deutschland und die Niederlande arbeiten diszipliniert – auch in Teams
Diese beiden Länder arbeiten sehr strukturiert und zielorientiert. Laut den Forschungsergebnissen verlaufen vor allem in den Niederlanden die Interaktio-nen am Arbeitsplatz sehr pragmatisch und auf das Wesentliche beschränkt. Das bedeutet auch für die Teamarbeit, dass sie gut geplant und zeitlich be-grenzt ist. Besprechungen folgen in der Regel einer Agenda und sind meist vorbereitet. Vor allem die Deutschen arbeiten stark auf Produktivität ausgerichtet. Catherine Gall, die Leiterin von Steelcase Workspace Futures in Europa, hat viele Jahre in Deutsch-land gearbeitet und beobachtet, dass auch Teamarbeit „von einer großen Disziplin geprägt ist“. Die Zusammenarbeit findet sehr oft in speziell dafür vorgesehenen Bereichen wie Besprechungsräumen oder Telefonkonferenzzimmern statt. In diesem Rahmen tauschen sich die Mitarbeiter dann aber intensiv aus und beteiligen sich aktiv.
Zusammenfassung: Verständnis fördert Teamarbeit
Unter der Vielzahl von möglichen Arbeitsplätzen und Arbeitsweisen gibt es unter Berücksichtigung der kulturspezifischen Aspekte für jede Arbeitskultur das passende Konzept für eine gute Teamarbeit. Das können Bereiche für Videokonferenzen sein, durch die sich Mitarbeiter auf der ganzen Welt austauschen können. Oder informelle Bereiche in Großraumbüros, die einen spontanen Wissensaustausch anregen. Wie Menschen zur Zusammenarbeit und zum Wissensaustausch angeregt werden können, hängt vor allem von der jeweiligen Arbeits- und Landeskultur ab. Das Verständnis für die kulturellen Unterschiede ist essentiell. So appelliert Pankaj Ghemawat an jeden einzelnen Angestellten einer Firma: „Was wäre, wenn die Mitarbeiter offen auf andere zugehen und sich intensiver um Kunden, Kollegen und Investoren kümmern würden? Menschen sind in der Lage ihre Sympathiefähigkeit zu erweitern und auf andere zuzugehen – mit durchaus erstaunlichen Ergebnissen.“
Die detaillierten Ergebnisse und einen ausführlichen Ländervergleich finden Sie im Steelcase-Magazin 360° „Der Culture Code. Landes- und Arbeitskulturen und ihr Einfluss auf das Arbeiten in einer vernetzten Welt.“